Hebräer 1,3
Andachten
Sintemal er ist der Glanz seiner Herrlichkeit und das Ebenbild seines Wesens, und trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort, und hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst.
Weil Jesus Christus der Schöpfer aller Kreaturen ist, weil alle Kreatur aus seinem Willen ihr Dasein erhielt, weil jede Kreatur ein Gedanke seiner Gottesweisheit, eine Geburt seines Willens ist, weil die ganze Schöpfung wesentlich in ihm lag, ehe er sie ins Dasein rief: so konnte auch er allein für die gefallene Schöpfung einstehen, so konnte an ihm das hinausgeführt werden, was an der gefallenen Schöpfung sollte hinausgeführt werden; er konnte die Schuld und Strafe der Menschheit an sich erdulden; er konnte unser wesentlicher Bürge, unser wesentlicher Repräsentant, unser Lamm werden, das unsere Sünden büßte; denn er ist unser Schöpfer, und durch seine Menschwerdung unser Bruder und Blutsfreund. Ein Engel hätte das nicht gekonnt, denn was haben wir für Teil an ihm? Und ein Mensch hätte es auch nicht gekonnt, denn es kann kein Bruder den andern erlösen. Aber Jesus Christus konnte es, denn die Menschheit liegt in ihm; er ist ihr Schöpfer und auch ihr Bruder. Was er gelebt hat, das ist gerade, wie wenn es die Menschheit und ein Jeder insbesondere gelebt hätte; was er getan hat, das gilt gerade, wie wenn es die Menschheit getan hätte; was er gelitten hat, das gilt gerade, wie wenn es die Menschheit gelitten hätte; seine Kämpfe, seine Arbeit, seine Geduld, seine Wunden, seine Beulen, sein Tod, Alles gilt für die Menschheit; denn der Schöpfer ist für die gefallene Schöpfung eingetreten. „So halten wir nun“ - sagt der Apostel - „dass, so Einer gestorben ist, so sind sie Alle gestorben;“ sein Tod ist der Tod Aller. So müssen wir den Lauf des Heilands ansehen; es ist Alles, was er tat und litt, verdienstlich für uns. (Ludwig Hofacker)
“er hat gemacht die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst“
Von wievielen Gesichtspunkten aus man diesem Gedanken sich naht, es bleibt doch wie bei einer Hochalpe - etwas Schweres übrig, eine anstrengende, bemühende Steigung. Man muss mit dem gläubigen Herzen die Wirklichkeit der Gottesgeheimnisse erleben und kann sie als eine befreiende Kraft erfassen, aber verstandesmäßig lässt sich das Wunder der Versöhnung nicht fassen. Ohne Anstrengung, ohne Herzklopfen und Atemmangel kommt man nicht zur Höhe des Berges. So haben wir etwas durchzumachen, etwas dranzuwenden, bis der Glaube sein Ziel erreicht und die Gnade uns rechtfertigt. Jesus hat auch sein Ziel nicht spielend erreicht, sondern sterbend, unter Hingabe seiner ganzen Persönlichkeit, unter Einsetzen seiner reinen Seele. Sollten wir um des seligen Erfolges willen nicht auch etwas drangeben können? Vorurteile, Sündenliebe, Trägheit und Unentschlossenheit - das muss weg, wenn wir die Reinigung, die Befreiung von der Sünde erfahrungsgemäß unser eigen nennen wollen. Die Sache ist umsonst; nur der Weg dahin kostet uns etwas. Wer da sich nicht Gewalt antun mag, der bleibe im Tal, wo die Dünste der Sünde den Blick hemmen und wo man unter dem Druck der Schuld bleibt.
Nein, zieh uns, Herr Jesus! Treib uns auf aus der Schlaffheit und Selbstverliebtheit, die sich vor dem Gericht deines Reinigungswerkes scheut. Wir haben die Reinheit nötig. Hilf uns zum lebendigen Glauben und Nehmen deiner Gnade. Amen. (Samuel Keller)