2. Timotheus 1,9
Andachten
„Gott hat uns selig gemacht (gerettet) und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach Seinem Vorsatz und Gnade.“
Mit diesen Worten an Timotheus will Paulus sagen: Zwar ist es mit ihm und andern Gläubigen anders geworden, als sonst die Menschen sind: Sie dürfen sich jetzt als die Seligen (Geretteten) fühlen. Aber das kommt nicht davon her, dass sie besser gewesen wären als andere Leute, nicht davon, dass sie verdienstliche Werke getan und mit ihrem rechtschaffenen Wesen es verdient hätten, von andern Menschen unterschieden zu werden. Sondern es kommt von Gottes Vorsatz und von Seiner Gnade her.
Wenn die Gläubigen das recht bedenken, so nimmt ihnen das das unrechte Selbstgefühl, zu dem der Mensch so gerne geneigt ist, da er sich auch das zugut schreiben möchte, was er nur empfangen hat. Auch könnten sie, wenn sie das recht bedächten, schneller wieder zurechtkommen, wenn sie Fehltritte getan haben: indem sie sich nur wieder zu derselben Gnade flüchten würden, durch die sie zuerst angenommen worden sind. Sie bräuchten jetzt nicht zu verzweifeln, dass alles verloren wäre, weil sie nicht treu gewesen seien. Von ungemeinem Wert ist es, dass man es nie aus dem Auge verliere, dass alles immer wieder aus Gnaden gehe, und nicht aus Verdienst der Werke, die etwa ein Mensch tue!
Wenn von einem „Vorsatz“ Gottes hier die Rede ist, so müssen wir uns vor der Auffassung hüten, als ob gesagt sein wolle, Gott sei nur nach Seiner Wahl - wie Er sich's nach Willkür vorgesetzt - den einen gnädig, den andern nicht. Diese persönliche Erwählung oder Verwerfung ist nicht schriftgemäß.
Und mit Recht wird von einer solchen Auslegung ein kindliches Gemüt abgestoßen. Der Vorsatz Gottes ist eben der, dass Er aus Gnaden berufen wollte, und nicht aus Werken, die wir getan haben mögen. So hat Er sich's vorgenommen. Und der „heilige Ruf“ an die Menschen ist der, dass Er ihnen sagen lässt: „Es ist Mein Vorsatz, aus Gnaden selig machen (erretten) zu wollen!“ Wir haben also nur uns willig finden zu lassen, in den Plan und Vorsatz Gottes einzugehen. Denn nicht von den Werken hängt es ab, sondern von unsrer Willigkeit, es uns so gefallen zu lassen, wie Er sich's vorgenommen hat.
Es unterscheiden sich also die Christen von der Welt in dem, dass die Christen es annehmen, die Welt es abweist. Jene fühlen sich zu schwach und sind froh an dem Vorsatz Gottes; diese halten sich für stark und finden sich nicht in eine Gnade, die ihre Selbstgerechtigkeit nicht achtet. Man kann es auch wohl erkennen, wie es nur jenen ein Ernst ist, mit Gott wieder vereinigt zu werden. Diese aber wären gerne etwas aus sich selbst und sind und verbleiben so doch eigentlich wider Gott gestimmt. Dadurch hat der Vorsatz Gottes selbst auch wieder etwas sehr Erklärliches.
Denken wir uns denn in diesen Vorsatz Gottes recht fleißig hinein! Er ist so tröstlich für uns. Denn was wäre es, wenn es Gottes Vorsatz wäre, auf die Werke zu sehen und nach diesen uns selig zu machen! Wo wollte es da mit uns hinaus? Darum, wenn du dich auch schwach und elend fühlst, mitunter unfest und verkehrt - ist nur Böswilligkeit und Mutwillen von dir fern, so verzage nicht und denke: „Aus Gnaden soll's gehen! So ist's der Vorsatz Gottes!“ (Christoph Blumhardt)
“Der uns hat selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf.“
Der Apostel spricht von der Errettung zur Seligkeit als von etwas Vergangenem und sagt: „Der uns hat selig gemacht.“ Wer an Christum glaubt, ist selig. Er wird nicht als ein Mensch betrachtet, der auf Seligkeit hoffen darf und zuletzt selig werden kann, sondern er ist schon selig geworden. Die Seligkeit ist nicht ein Segen, dessen man erst auf dem Sterbebette froh wird, und den man in der künftigen Heimat droben preist, sondern etwas, was wir jetzt erlangen und empfangen, was uns für jetzt verheißen ist, und des wir uns jetzt erfreuen sollen. Der Christ ist in Gottes Augen vollkommen selig; Gott hat ihn zur Seligkeit verordnet, und dieser göttliche Vorsatz steht fest. Er ist auch selig, weil das Lösegeld für ihn bezahlt ist: „Es ist vollbracht!“ war des Heilandes Ruf, ehe er verschied. Der Gläubige ist auch vollkommen selig in seinem Bundeshaupt; denn gleichwie er in Adam gefallen ist, so lebt er nun in Christo. Dieser vollständigen Erlösung geht ein heiliger Ruf zur Seite. Welche das Heil in Christo dem Gekreuzigten erlangen, die werden zur vorversehenen Zeit wirksam berufen durch die Kraft des Heiligen Geistes zur Heiligung; sie legen ihre Sünden ab; sie trachten Christo ähnlich zu werden; sie erwählen die Heiligung, nicht aus Zwang, sondern aus dem Drang einer neuen Natur, welche sie eben so natürlich zur Freude an einem heiligen Leben führt, wie sie vordem an der Sünde ihre Lust hatten. Nicht hat sie Gott erwählt oder berufen, weil sie heilig gewesen wären, sondern Er berief sie, auf dass sie sich heiligen ließen, und die Heiligung ist eine Schönheit, die Seine Arbeit in ihnen gewirkt hat. Die Vorzüge, welche wir in einem Gläubigen sehen, sind ebenso Gottes Werk, wie die Versöhnung selber. So wird die Fülle der Gnade Gottes gar lieblich ans Licht gebracht. Die Seligkeit muss aus Gnaden sein, weil der Herr ihr Urheber ist; und welcher andere Grund, als lauter Gnade, kann Ihn bewogen haben, die Schuldigen selig zu machen? Die Seligkeit muss aus Gnaden sein, weil der Herr also handelt, dass unsere eigene Gerechtigkeit auf ewig ausgeschlossen bleiben muss. Des Gläubigen Vorrecht ist: eine gegenwärtige Erlösung; und der Beweis, dass er dazu berufen ist: ein heiliges Leben. (Charles Haddon Spurgeon)