Epheser 5,15
Andachten
Seht nun zu, wie ihr vorsichtig wandelt.
Nicht alles, was uns Menschen bevorsteht, können wir vorhersehen. Aber das Wichtigste, was uns allen bevorsteht, ist uns zuvor verkündigt, das können wir mit Gewissheit vorhersehen, das sollen wir auch bedenken, darauf ein genaues Augenmerk richten und danach unsern Wandel einrichten. Wir wissen nicht, wie und wo und wann wir sterben werden; aber dass wir starben werden, wissen wir ganz gewiss. Das steht uns allen bevor. Sterben ist der Weg alles Fleisches, und das Grab das bestimmte Haus aller Lebendigen. „Herr,“ betet Moses, „lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.“ „Herr,“ betet David, „lehre doch mich, dass es ein Ende mit mir haben muss; und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muss; wie gar nichts sind alle Menschen, die doch so sicher leben.“ - Außer dem Sterben steht uns allen gewiss bevor ein Zustand in der Ewigkeit, in welchen die Seele sogleich nach dem leiblichen Tode übergeht. Der eine stirbt, und ist bei dem Herrn im Paradiese; der andere stirbt, und ist in der Hölle und in der Qual. Eins von beiden steht dir und mir bevor; und dann noch ein Drittes, nämlich der Tag des Herrn, da der Herr Jesus sichtbar wieder kommen, die Lebendigen verwandeln, die Toten auferwecken, und dann die Lebendigen und die Toten richten wird. Denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhle Christi, auf dass ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibesleben, es sei gut oder böse. Die Gerechten aber werden nach Seel und Leib eingehen in das ewige Leben; die Ungerechten aber nach Seel und Leib in das ewige Feuer. Das sind die großen Ereignisse, die uns bevorstehen und denen wir alle entgegen gehen. Auf diese Ereignisse hinsehen, in gewisser Voraussicht derselben uns so verhalten, dass sie uns nicht zum Schaden, sondern zum Gewinn gereichen, dass wir einmal getrost sterben, im Frieden fahren, von unserer Arbeit ruhen, an der Auferstehung der Gerechten Teil haben und vor dem Herrn nicht zu Schanden werden bei seiner Zukunft, das heißt vorsichtig wandeln. „So seht nun zu, wie ihr vorsichtig wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen“ (Ephes. 5, 15.). (Carl Johann Philipp Spitta)
So seht nun zu, wie ihr vorsichtig wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen!
„Vorsichtig“ geht man um mit solchen Dingen, die Einem hochwert, die schwer zu ersetzen sind und die leicht verletzt werden können. Wie zierlich, wie ängstlich, wie besonnen würdest du aber vollends mit einem Gegenstand umgehen, worin dein ganzes Glück besteht und der, einmal verloren oder verderbt, auf keine Weise wieder gewonnen werden kann. Du hast einen solchen Gegenstand - es ist dein Herz. „Ich trage mein Herz in meinen Händen täglich“, sagt darum David, und die Schrift ermahnt auf allerlei Art: „Hüte dein Herz mit allem Fleiß“. Ja, wie wenig dein Herz auch Anderen wert sein mag, für dich ist es geradezu Alles. Und es ist in der Tat etwas unaussprechlich Hohes. Du kannst dich selbst nicht hoch genug schätzen und taxieren. Nicht dass du an und für sich etwas wert wärst. Ach, du weißt ja hoffentlich ein wenig was in dir ist; und was Der, der Herzen und Nieren prüft, über dein Herz gesagt hat, dem stimmst du hoffentlich bei. Wir wollen darüber heute nicht weiter reden.
Nein! nein! nicht in dem, was wir von Natur sind, beruht unser Wert; im Gegenteil, darin beruht unser Tod. Aber in dem, was wir durch Gnade sind, in dem, was wir durch unsern Herrn Christum in Gott sind, darin beruht unser Wert. Weil wir dem heiligen und herrlichen Gott so viel wert gewesen sind, dass Er unsertwillen seines eingeborenen Sohnes nicht verschonte, darum sollen wir uns nun auch so viel wert sein. Weil wir so teuer erkauft sind, deswegen müssen wir nun vorsichtig wandeln, um mit Leib und Geist Gott zu preisen, dessen Eigentum wir sind. Weil wir berufen sind Gottes Tempel zu sein, darin der Heilige Geist wohnen soll, darum müssen wir Vorsicht und Fleiß tun, von aller Befleckung des Fleisches und Geistes uns zu reinigen. Wenn der Heide, auch der gebildetste Heide, wenn der Weltmensch, der bis dahin noch ganz den Dingen dieser Zeit lebt, wenn also Solche, denen noch der wahre ewige Wert der Menschenseele verborgen ist, weil ihnen das Kreuz Christi noch verborgen ist, wenn sie unvorsichtig wandeln, Leib und Seele gebrauchen, wie es ihren Sinnen dient und ihren Gelüsten angemessen ist, wie darf uns das wundern oder gar erbittern? Auch kann es uns unmöglich befremden, wenn Solche, die von dem Wert der eigenen Seele noch keinen rechten Begriff haben, wenn sie auch von ihren Pflichten gegen ihre Mitmenschen wenig wissen wollen. Die Liebe, die Zartheit, die Milde, die Geduld, die du deinen Mitmenschen beweisen sollst, beruht auf der Erkenntnis des ewigen Wertes der Menschenseele. Wie ganz anders muss Der mit seinem Nächsten verfahren, der da denkt: „Nun ja, es ist auch eins von den Geschöpfen, welche heute da sind und morgen vermodert zum ewigen Nichtsein!“ Und wie ganz anders Der, der vor seinem Nächsten, (möge er auch ein Kind sein,) steht und spricht: „Er ist teuer erkauft: Christus hat sein Blut für ihn vergossen. Auch er soll einmal so gut wie ich in den Straßen des himmlischen Jerusalems wandeln, und dass er dahin gelange, siehe dazu soll ich ihm jetzt mithelfen“.
Nicht wahr, bei solcher Betrachtung der Menschenseele, da wird man lernen vorsichtig wandeln, sein eigen Herz in Händen tragen und säuberlich, vorsichtig, geduldig und barmherzig mit den Leuten fahren? -
Wie gelangen wir aber zu der rechten heiligen Vorsicht mit uns selbst und mit Andern? Wahrlich, nicht dadurch, dass wir den Kopf hängen lassen, in pedantischer, skrupulöser Weise ewig grübeln und innerlich uns zermalmen, wie wir's anfangen möchten, um keinen Schaden zu nehmen und keinen Schaden anzustiften! Nein so nicht! Ein Kind, das mit liebeglühendem Herzen an dem Vater hängt, das wird durch die Kraft der Liebe so in ihn hineingelebt sein, dass es ohne viel Grübeln und Spekulieren seinen Willen trifft. Und da ist der Punkt auch für dich, lieber Christ! Lass dich nur recht durchdringen vom Geist der Kindschaft, beuge dich allewege diesem Geist und schaffe ihm Raum in dir, - so wird er sich auch in dir erweisen als den Geist der Wahrheit, der dich vorsichtiglich wandeln lehrt, er wird sich in dir erweisen als den Geist der Freiheit, so dass du vorsichtig wandelst, und doch mit aufgerichtetem Haupt und in freudigem Geist.
Doch wohl gut, es muss uns schon
Alles glücklich gehen,
Wenn wir Ihn durch seinen Sohn
Im Gebet anflehen;
Denn er will
Uns mit Füll'
Seiner Gunst beschütten,
Wenn wir gläubig bitten. (Otto Funcke)
Seht zu, dass ihr vorsichtig wandelt, nicht als die Unweisen, sondern als die Weisen, und schickt euch in die Zeit, denn es ist böse Zeit.
Vorsichtig soll man wandeln, pünktlich soll man in seinem Tun und Lassen sein, genau soll man’s mit der Sünde nehmen, weil man ein Nachfolger Gottes als Sein liebes Kind sein, und Seinen Willen, der nicht immer bei dem ersten Anblick klar ist, tun soll, Eph. 5,1.17. Zur Vorsichtigkeit gehört Weisheit, und wem’s daran mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich Jedermann, so wird sie ihm gegeben werden, Jak. 1,5. Vieles hat zuerst einen guten Schein. Der Geiz zeigt sich in der Gestalt der Sparsamkeit, die Gleichförmigkeit mit der Welt und das Vertrauen aufs Fleisch in der Gestalt der Menschenliebe und Klugheit, der Zorn und die Rachgier in der Gestalt der Gerechtigkeit. Man hört auch oft vergebliche Worte von Anderen, Eph. 5,6., welche den Christen bereden wollen, er solle so und so handeln, es habe nichts zu bedeuten. Hier fahre man nur nicht schnell zu, man stehe lieber still, und bitte um Weisheit, und warte aufs göttliche Licht, damit man in demselben einsehen könne, was des HErrn Wille sei, V. 17. Die Zeit ist bös. Man wird oft bedrängt und gehindert, Gutes zu tun: darum soll man sie auskaufen, das ist, eine jede Stunde, worin man Gutes tun kann, benützen und andere unnötige Dinge dagegen fahren lassen. Auch zur bösen Zeit, da das Gute vielen Widerstand hat, darf man sein Pfund nicht begraben, das ist, zur Ausrichtung des Willens Gottes nicht verzagt und verdrossen sein, sondern, so bald und so oft man Zeit hat, Alles, was zu tun vorhanden kommt, frisch tun (Pred. Sal. 9,10.), und den Erfolg oder Nutzen dem HErrn empfehlen.
Die böse Zeit berechtigt also Niemand, bös zu bleiben, und mit seiner Bekehrung zu warten, bis eine bessere Zeit komme; denn auf diese Zeit müsste man zu lange warten. Die Zeit, da die Apostel lebten, war eine gute Zeit, insofern man damals diese heiligen Männer, die mit ihrem Licht alle Propheten übertrafen, zu Lehrern und geistliche Führern haben konnte und doch war’s auch eine böse Zeit, wegen der Verführer und Verfolger, die sich allenthalben zeigten. Aber auch zu dieser bösen Zeit wurden viele Leute gläubig, wandelten in der Wahrheit, und erlangten die Ruhe Gottes. Die Welt ist heuchlerisch und arglistig, aber die Weisheit der Kinder des Lichts entgeht ihrer argen List. Der Weg, der zum Leben führt, ist schmal, mit Vorsichtigkeit kann man aber doch darauf wandeln. Lasst uns Gott bitten, dass Er uns tüchtig mache, diese Ermahnung Pauli auszuüben. Die Zeit ist kurz; das Kleinod, dem man nachjagt, sehr kostbar. Am Ende wird bei den Faulen und Abtrünnigen keine Entschuldigung gelten. Wir haben einen guten Hirten, der das Verwundete verbindet, des Schwachen wartet, und eines Jeden pflegt, wie es recht ist. Er hat Geduld mit uns, und will das zerstoßene Rohr nicht zerbrechen, und das glimmende Docht nicht auslöschen. Er gibt den Müden Kraft und Stärke genug den Unvermögenden. Unter der Pflege dieses guten HErrn kann man auf dem schmalen Weg fortkommen, die Welt überwinden, und auch zur bösen Zeit das gute Los der Seligkeit erlangen. (Magnus Friedrich Roos)