Epheser 4,32
Andachten
Seid aber unter einander freundlich, herzlich, und vergebt einander, so wie euch Gott vergeben hat in Christo.
Wir aber, die wir stark sind, sollen die Gebrechlichkeit der Schwachen tragen. Römer 15,1.
Einer trage des andern Last. Galater 6,2.
Welche Lasten haben wir unserm Heilande aufgelegt - „fürwahr, er trug unsere Krankheit - Gott warf all unsre Sünden auf ihn -“ und wie sanft, wie stille ging das Lamm unter unsrer Last, ohne seinen Mund aufzutun. Er sagt wohl: Du hast mir Arbeit gemacht mit deinen Sünden, du hast mir Mühe gemacht mit deinen Missetaten - aber nicht, um sich zu beklagen oder zu beschweren, oder uns Vorwürfe zu machen - denn er setzt gleich bei: - Ich, ich tilge deine Übertretung um meinetwillen, und gedenke deiner Sünden nicht. Jesaja 43, 24.25. Er will uns also nur zeigen, wie auch wir die Arbeit, Mühe und Last, die uns andere mit ihren Gebrechen auflegen, stillschweigend tragen und ihrer gar nicht gedenken, alle Beleidigungen vergessen und vergeben sollen. Oder wollten wir Vergebung von ihm nehmen, und unsern Brüdern ihre Sünden behalten? Würde er uns nicht machen, wie dem Knecht im Evangelio? Matthäus 18,33.34. Wem die Last, die ihm andere auflegen, zu schwer wird, der sehe auf den Rücken des Lammes Gottes, und frage: Wer hat dir diese schwere Bürde aufgelegt? Wer hat dich so geschlagen? verwundet? getötet? und warum schweigst du so stille und leidest so geduldig? - Die Antwort wird sich dann von selbst geben. (Johannes Evangelista Gossner)
“Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleich wie Gott euch vergeben hat in Christo.“
Solch eine schlichte Ermahnung bekommt einen scharfen Akzent, sobald man an das Wörtchen „gleichwie“ aufmerksamer herantritt. Die Großartigkeit des Erbarmens, wie wir es in Christo erfahren haben, können wir natürlich nicht nachmachen wollen: das Verhältnis zu unsern Nächsten ist ja nie so wie das von Gott zu uns. Und doch ist die eigentliche Triebfeder unserer Liebe nicht nur zu Gott, sondern auch zu unseren Brüdern, dass uns viel vergeben worden ist. Schmerzte uns eine bestimmte Sündenerfahrung besonders tief, und die Vergebung Gottes in Christo nahm so freundlich die ganze Last von unserer Seele, dann müsste es doch wunderbar zugehen, wenn wir nicht jetzt am aufgeschlossensten wären zum Lieben? Jetzt wissen wir, wie das tut, geliebt zu werden; jetzt strahlt noch das Licht in unsern Augen: eh es abnimmt, lass einen andern etwas Freundlichkeit erfahren. Gott lässt uns in Christo Vergebung anbieten; wie wenn in deinem Handel mit deinem Bruder es nur auf diesen Schritt von deiner Seite ankäme, dass du ihn spüren lässt, wie herzlich gern du ihm diese verzeihende Liebe entgegenträgst?
Herr, lehre uns lieben, wie du uns geliebt hast. Hilf uns so verzeihen, dass keine bittere Wurzel nachbleibt! Gib du uns alle die Herzlichkeit und Freundlichkeit, auf die der Nächste sehnsüchtig wartet, damit dein Reichtum an uns Armen offenbar werde. Amen. (Samuel Keller)