1. Korinther 13,3
Andachten
Wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen und hätte der Liebe nicht, so wäre es mir nichts nütze.
Liebestat ohne Liebe, das ist die schlimmste Entstellung, zu der es unsere Frömmigkeit bringen kann, die hässlichste Verkleidung unserer Eigensucht. Paulus denkt an die beiden Wege, auf denen die Liebe zur Tat und Arbeit gelangt. Sie gibt dem Menschen, was er bedarf; ihm dienen wir mit unserer Habe; und sie opfert für Gottes Ehre, was sie kann; weil er Gott ehren und ihm allein gehorchen wollte, gab der jüdische Märtyrer den Leib den Flammen preis. Von dem, was hier wie eine Tat der Liebe aussieht, nimmt Paulus alle Beschränkung weg. Nicht nur eine ärmliche Gabe wird hier dem Darbenden gereicht; das geschieht freilich oft genug, ohne dass die Liebe das Geben beseelt; vielmehr wird hier die ganze Habe für die anderen fruchtbar gemacht; und nicht nur eine kleine Entsagung, die bald überstanden ist, bezeugt hier, dass der Opfernde Gott vor Augen hat, sondern das bitterste, qualvollste Martyrium, das den Leib völlig zerstört, soll hier bezeugen, dass der Entsagende die Größe Gottes ehrt. Aber keine Häufung der Wohltat und des Leidens schafft für die fehlende Liebe den Ersatz. Wie viel fällt von dem, was wir tun, als leer und vergeblich dahin! Wir geben oft und es sieht so aus, als ob es eine Wohltat sei, und doch ist keine Liebe drin, die wirklich zu helfen versucht. Uns soll in Wahrheit nützen, was wir tun, und doch nützt uns diese falsche Liebe nichts. Manches geschieht eifrig und willig zu Gottes Ehre und doch klebt unser Blick dabei an uns selbst. Der Märtyrer besteigt den Scheiterhaufen und greift dabei nach dem ewigen Kranz, der ihn nun immer schmücken soll, flucht denen, die ihn töten, und erhebt sich über die, die nicht desselben Heldentums fähig sind. Das von deiner Eigensucht befleckte Opfer, sagt Paulus, nützt dir nichts. Auch ein solcher Vorgang legt, so traurig er ist, für die Herrlichkeit der Liebe Zeugnis ab. Es gäbe keine unechte Liebe, würde uns nicht die echte gegeben, Wohltat, die wirklich helfen will, Opfer, das Gott in Wahrheit preist. Was die Liebe tut, würde nicht nachgemacht, strahlte nicht ihr Glanz in jedes Auge, auch in das, das von der Eigensucht geblendet ist, und von den Gaben der echten Liebe hat Paulus nicht gesagt, sie nützen dir nichts. Sie tragen eine segnende Kraft in sich, nicht nur für den, der sie empfängt, sondern auch für den, der sie gibt.
Das, Vater, ist die wonnige Süßigkeit Deiner Gnade, dass sie uns zum Geben rüstet. Du machst aus allen Deinen Gaben die Liebe zur größten. Schenke sie mir. Bleibe ich in Deinem Wort, dann ist meine Liebe behütet und vor dem geschützt, womit meine Eigensucht sie verderben will. Amen. (Adolf Schlatter)
“Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und ließe meinen Leib brennen“
Selbstaufopferung bis zum Wahnsinn kennen Heiden und Mohammedaner auch; ist das gleichbedeutend mit Heiligung? Selbstaufgabe, wie der Buddhismus sie lehrt, verträgt sich mit lieblosem Herzen sehr gut; ja es ist sogar nur eine besondere Form der Ichsucht. Es gibt auch in der Christenheit solche Elendjäger, die sich nicht genug tun können in der Übernahme von Lasten und Elend. Einen solchen Elendgänger kannte ich, der meinte vor fünfzehn Jahren, er müsse jede Trübsal suchen, damit er alle Tage in „Furcht und Zittern“ bleibe. Das war sein Christentum. Gott hat ihm, seinem Hause, seiner Arbeit Berge von Leid aufgeladen, bis er endlich merkte, dass er mit dem Brennen seines Leibes keinen Schritt näher zu Gott komme. Wenn wir nicht in der Liebe Jesu einen Jungborn haben, darin wir täglich unsere Seele erfrischen, kann all das fremde Elend uns verzagt und müde machen. Ich habe viel Geld in meinem Leben weggegeben, aber selten danach Freude dadurch erlebt, weil ich nicht Zeit hatte, mir die Bittsteller genau anzusehen. Für die Ewigkeit haben alle diese Gaben wenig Sinn oder Segen: man wollte oft nur die Leute los werden, und fast täglich kommen neue Bitten. Aber Liebe kann man nicht weggeben, ohne reicher zu werden!
Herr Jesu, erbarme dich über meine Opfer. Entsündige sie, heilige sie, damit nicht alles vergeblich sei. Ich bitte dich für alle die Leute, die mich bitten! Erbarme du dich und hilf ihnen innerlich zurecht. Mir selbst zuerst alle Tage. Amen. (Samuel Keller)