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Römer 6,18

Römer 6,18

Andachten

Nun ihr seid frei geworden von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit.

Durch das Evangelium und durch die in demselben verkündigte Gnade wird der Mensch frei von der Knechtschaft der Sünde. Denn von Natur ist der Mensch so von der Sünde gebunden, dass er oft, wenn er auch nicht will, wie man fast sagen kann, sündigen muss. Er hat keine Freiheit, sich der Sünde zu entwinden. Ein unwiderstehlicher Drang zu diesem und jenem, das nicht taugt, treibt ihn. Die Sünde ist sein Herr, er ihr Sklave. Durch die Gnade aber wird diese Macht der Sünde gebrochen und abgeschwächt; und durch den Geist Gottes, der mit der Gnade kommt, kann jeder so gestellt werden, dass er sich der Sünde entschlagen kann. Er kann kämpfen und durch den Kampf siegen. Insofern ist er frei. Es kostet wohl stets Kampf; aber wir vermögens, durch die Gnade Jesu Christi, wenn es unser ernstlicher Wille ist, zu überwinden und die Sünde nicht zu tun, die über uns herrschen möchte.

Wie wir aber dann aufgehört haben, Knechte der Sünde zu sein, so kommt nun umgekehrt mehr und mehr ein unwiderstehlicher Zug in uns, der Gerechtigkeit zu dienen; und das Geringste, das wir versehen, lässt uns einen Stachel im Gewissen, den wir nur durch Buße und Rückkehr zur Gnade Gottes wegbringen können. Zu allem Guten fühlen wir uns verpflichtet; und es ist uns nicht wohl, wenn wir nicht durch Alles hindurch nach Gottes Wohlgefallen uns zu benehmen wissen.

So ist der gläubige Christ wieder ein Knecht geworden, aber der Gerechtigkeit. Dieses Joch ist indessen sanft, und der Mensch fühlt sich unter ihm glücklich. Wie schwer hat er's doch unter der Knechtschaft der Sünde! Wie ist er umgetrieben, gepeinigt und gequält schon von der Neigung zur Sünde! Wie schmachtet er unter dem Fluch der Sünde! Zuletzt ist der Tod der Sünde Sold! Wie befriedigend dagegen ist's, unter der Knechtschaft der Gerechtigkeit zu stehen! Der ganze Mensch wird unter ihr heil, das Gewissen immer freier. Ohnehin hat er kein Knechtsgefühl, weil ihm bewusst ist, dass es so recht ist, während jener das peinigende Gefühl hat, in einer Art Knecht zu sein, wie er es nicht sein sollte. Muss denn auch der Knecht der Gerechtigkeit für diese in ritterlichem Kampfe einstehen, so hilft ihm doch die Gnade von Sieg zu Sieg, von Freude zu Freude. Das Ende aber ist das ewige Leben in der Herrlichkeit Gottes!

Zusatz (Kampf und Sünde.)

Die Freiheit von der Sünde fühlt freilich oft der Christ nicht, wie er sie wünscht; und es kann ihm viel Sorge, Angst und Bekümmernis bereiten, sich immer wieder so schwach zu fühlen, dass er unversehends erliegt, wohl auch in Sünden hineinkommt, die er längst glaubt überwunden zu haben. Allerdings, möchte man sagen, haben wir Ursache, um ein größeres Maß des Geistes zu bitten, das der Macht der Sünde in unsern Gliedern gleichsam besser die Stange hielte. Bitten wir nur darum; denn sicher können wir uns eine Gnadenzeit herausbitten, da Gott wieder eine größere Überwindungskraft gibt.

Indessen vergessen wir nicht, dass wir oft auch zu viel fordern, indem wir überhaupt alle Kämpfe weghaben möchten; und da unterscheiden wir nicht zwischen Kampf und Sünde, meinend, schon wenn man Kampf habe, sei es Sünde. Da tröstet man sich dessen nicht, auch wenn man der Sünde sich erwehrt hat, dass man überwunden habe, indem man irrigerweise jedenfalls sich zum Sünder macht, weil Kampf zur Sünde da war. Entschlagen wir uns dieser Torheit; denn nicht Freiheit vom Kampf sondern Freiheit von der Sünde verheißt uns das Evangelium.

Gibt es aber nun Kampf, so überlegen wir vor Allem, ob wir auch, wenn's nicht gelingen will, immer recht kämpfen, ob wir nicht mit eigener Kraft kämpfen wollen, und ob wir auch immer die Kraft von oben im Glauben dazu nehmen. Andere wollen's mit übertriebenen, heißen Gebeten vom lieben Gott gleichsam erzwingen, da es im Grunde auch wieder, nur nach einer andern Seite hin, auf eigenes Wirken hinausläuft. Wiederum kommt's vor, dass man zu schnell überwunden zu haben und für immer Sieger geworden zu sein glaubt, wenn es ein und etliche Male gelungen ist. Man möchte überhaupt gerne die Überwindungskraft ein für alle Male bekommen und gleichsam im Nu vom lieben Gott in ein Neues umgegossen werden, und klagt, als ob Gott nicht erhöre, dass er doch trotz aller Bitten wieder in dieses oder jenes hineinfallen lasse und nicht befreie. Da ist aber wohl zu bemerken, dass Wachsamkeit immer wieder erforderlich ist, und ist's eben gewonnen, so dürfen die Augen nicht geschlossen werden. Selbst wenn man längere Zeit sich frei fühlt, darf man doch nicht sicher sein und sich frei glauben. Nie darf man denken, wenn's Gott in einem Fall gegeben hat, dass es nun für immer oder auch nur auf lange ausreichen werde. Immer musst du wachen, immer wieder bitten; und keiner Versuchung darfst du dich gewachsen denken, ohne demütige Bitte zum HErrn um Hülfe. Endlich mag's doch auch bei Vielen mehr nur ein schläfriger Wunsch sein, kein ganzer Wille, frei zu werden von Schwachheiten und Sünden, was man an dem sieht, dass man oft ungescheut sich der Gefahr, der Versuchung, aussetzt, mit ihr eine Zeitlang spielt, bis sie gefangen nimmt; und dann klagt man über Schwäche, die Gott hätte wegnehmen sollen. Der Gedanke vollends, als ob man eben nicht anders könne, als wäre es angeboren, einem zur andern Natur geworden, wie Viele sich heimlich oder laut entschuldigen, lässt gewiss keinen Sieg aufkommen.

Andererseits aber müssen wir uns wundern, wie es den Anschein hat, als ob Viele in der Christenheit, die, weil sie zu ihr gehören, getauft und unter dem Wehen eines christlichen Geistes oft kaum unbemerkt aufgewachsen sind, auch ohne tiefer im Herzen erfasst zu sein, selbst ohne der sogenannten Weltlustbarkeit gar sich zu enthalten, doch eine Überwindungskraft haben, wie man sie bei solchen, die ernstere Christen sein wollen, nicht immer sieht. Sie wissen ihr Gewissen zu bewahren, lassen sich in grobe Sünden nicht ein, und überwinden aus einer verborgenen Gottesfurcht, auch wo ihnen Gelegenheit geboten wäre, es der zuchtlosen bösen Welt nachzumachen. Man kann oft recht reine Menschen unter der sogenannten Welt finden, auch unter solchen, die sogar die christlichen Wahrheiten mit kritischen und zweifelnden Augen ansehen, ja selbst zum Spotten sich hergeben, freilich wohl in solchen Fällen aus Unwissenheit und Missverstand. Woher doch das? möchten wir fragen. Sicher gibt es unter der Christenheit überhaupt noch einen verborgenen, anererbten oder durch die heilige Taufe und sonstige Gemeinschaft besiegelten Segen des heiligen Geistes, der sie hält und ihr Gewissen veredelt bleiben lässt, dass sie nicht in heidnische Gottesvergessenheit ausarten und als eigentliche Knechte der Sünde sich darstellen können.

Fassen wir das ins Auge, so kann's uns nachdenklich machen, dass doch auch wieder mehr Überwindungskräfte da sind und zu haben wären, als Viele in ihrer Verzagtheit und Verdrossenheit, oder auch Armseligkeit glauben. Immerhin ist der Heide durchs Ganze hindurch viel geknechteter als der Christ, und kann der Letztere Mahnungen des Gewissens empfinden, auch Kräfte zur Besiegung der Leidenschaft in sich fühlen, wie Dies bei dem Heiden nicht der Fall ist. Viel ist uns geblieben; und wenn noch so viele Erscheinungen in der Christenheit dagegen zu sprechen scheinen, so können wir nicht anders, denn glauben, dass die argen Knechte der Sünde, wie sie bei uns sich finden, es nur durch gewaltsame Unterdrückung eines Besseren, das in ihnen war und zeugte, geworden sind. Kaum wird einmal ein Christ, besonders wenn er in besseren Familien- und Kirchen-Verhältnissen aufgewachsen ist, sich im Gericht wie ein Heide hinstellen können und sagen: „Ich hab's eben nicht vermocht, habe nicht anders können,“ ohne eigene Schuld zu haben. Ernst aber können uns solche Betrachtungen stimmen, sofern sie uns zeigen, dass wir am Ende doch, wenn wir uns ernstlicher beflissen, freier von der Sünde, und bessere Knechte der Gerechtigkeit sein könnten, als wir sind, trotz aller Armut der Zeit. Ach, dass wir eifriger and treuer wären! (Christoph Blumhardt)


Kein Mensch ist jemals sein eigener Herr; er ist entweder der Sünde Knecht, und dann ist er zu seinem Verderben frei von der Gerechtigkeit; oder er ist der Gerechtigkeit Knecht, und dann ist er zu seinem Heile frei von der Sünde. Eine und dieselbe Gnade, die uns frei macht von der Sünde, macht uns auch zu Knechten der Gerechtigkeit. Davon schreibt der Apostel Röm. 6, 18: „Nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit.“ Die Gnade macht frei von der Sünde. Wer es in ihrem Dienst nicht mehr aushalten kann und klagt: „Meine Sünden gehen über mein Haupt und wie eine schwere Last sind sie mir zu schwer geworden!“ an dem ist die vorlaufende Gnade Gottes schon zu seiner Befreiung wirksam. Er hüte sich aber vor der Vermessenheit, aus eigener Kraft sich selbst befreien zu wollen. Es wird ihm nicht gelingen, und jeder misslungene Versuch der Selbstbefreiung seine Banden nur noch ärger machen. Nur die Gnade des dreieinigen Gottes macht frei. Gott errettet von der Obrigkeit der Finsternis. Welche der Sohn Gottes frei macht, die sind recht frei. Das Gesetz des Geistes macht frei von dem Gesetz der Sünde und des Todes. Suche du Erkenntnis der Gnade Gottes, die in Christo erschienen, durch das Evangelium bezeugt, durch die heiligen Sakramente versiegelt, durch den heiligen Geist dem Glauben zugeeignet, und keinem vorenthalten wird, der sie begehret. Laß nicht nach im Gebet, bis es dir gegeben wird, von ganzem Herzen zu glauben, dass du an Christo habest die Erlösung durch sein Blut, nämlich die Vergebung der Sünden. Wo aber Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit. Da ist man frei geworden von der Sünde. Zwar klebt auch dem begnadigten Menschen die Sünde noch an; es steigt ein arger Gedanke in ihm auf, es regt sich in ihm eine böse Lust, es geht ein unrechtes Wort über seine Lippen, es kommt im Werk und Wandel hie und da ein Fehlgriff und Fehltritt vor: aber er steht nicht mehr auf Seiten der Sünde, sondern auf Seiten Gottes. Er nimmt keinerlei Sünde durch Entschuldigung und Beschönigung gegen Gottes Urteil und Recht in Schutz, er erkennt, verdammt, bereut, beweinet und beklagt sie, sucht aus der Fülle der Gnade die Vergebung und Reinigung der Sünde, und hütet sich um so sorgfältiger vor ihr. So macht die Gnade frei von der Sünde, aber auch zu Knechten der Gerechtigkeit, wie der Apostel schreibt: „Ihr seid Knechte der Gerechtigkeit geworden.“ Damit aber soll nicht der Geist und Sinn der Begnadigten als ein knechtlicher bezeichnet werden. Denn es heißt: „Ihr habt nicht einen knechtlichen Geist empfangen, dass ihr euch abermal fürchten müßtet, sondern einen kindlichen Geist, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater!“ Sondern es wird damit der Zustand der Begnadigten bezeichnet als eine Dienstbarkeit der Gerechtigkeit. Dieselbe Gnade, die uns von der Sünde erlöst, lässt uns nicht überhaupt los, sondern ziehet uns zu sich, verbindet uns mit sich selbst, legt uns anstatt des drückenden Sündenjochs und der schweren Sündenlast ihr sanftes Joch und ihre leichte Last auf, und lässt uns in Seilen der Liebe gehen. Da ist gut Knecht sein. Da ruft man mit Freuden und Frohlocken (Psalm l16, 16.): „O Herr, ich bin dein Knecht; ich bin dein Knecht, deiner Magd Sohn. Du hast meine Bande zerrissen!“ (Carl Philipp Johann Spitta)

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