Psalm 9,14
Andachten
Der du mich erhebst aus den Toren des Todes, auf dass ich erzähle allen deinen Preis in den Toren der Tochter Zion, dass ich fröhlich sei über seine Hilfe.
Wo find’ ich denn das Schönste, getroffenste Bild von meinem Heiland, dass meine Seele sich recht daran freuen kann? Ich weiß kein schöneres, als das, welches Jesaja, der Prophet, (Kap. 53,2) von ihm entwarf, indem er sagt: Er hatte keine Gestalt noch Schönheit, die uns gefallen hätte; er war der allerverachtetste und unwerteste usw.. Dieser Entwurf des Propheten ward dann auf Golgatha lebendig und wahrhaftig ausgeführt und vollendet. Und gerade da, wo er keine Schönheit, keine Gestalt hatte, die den Augen der Welt gefallen könnte; gerade da, wo er der verachtetste und unwerteste war, ist er am Schönsten. Dort am Kreuze, wo er von allen verschmäht und verworfen war, vereinigen sich alle Reize der Schönheit in ihm; deswegen erhält er vor allen anderen den Preis:. Wenn wir Himmel und Erde durchwandern, an allen ihren Ecken und Enden suchen, finden wir nichts schöneres, nichts herrlicheres, als den für uns blutenden und sterbenden am Kreuze auf Golgatha, wo er alle seine göttliche, himmlische Schönheiten Herrlichkeit ausgezogen hatte, mit der tiefsten Schmach, mit Kreuz, Schande und Tod ganz bedeckt war. Wenn ihr ein zerknirschtes Herz da lebhaft erblickt, so gefällt es ihm viel besser als auf Tabor, und es heut sich lieber eine Hütte auf Golgatha als auf Tabor, weil es sich an seiner Kreuzesschönheit nicht satt sehen kann und ihm in diesem Leben nirgend so wohl ist, als beim Kreuze; denn da findet es allein Trost, Heil, Ruhe, Kraft und Leben. Da finden wir alles. Sein Tod, seine Schmach hat die Tore des Todes, die uns ewig gefangen gehalten hätten, gesprengt, geöffnet, uns ausgeführt und erhoben aus dem Kerker des Todes; hat uns versetzt in die Tore der Tochter Zions, des neuen Jerusalems, dass wir nicht genugsam rühmen und erzählen können, was er an uns Gutes getan, wie er uns gerettet, erlöset, gerechtfertigt, geheiligt und verherrlichet hat. Ewigkeiten reichen kaum hin, es zu genießen, geschweige zu erzählen. Von Ewigkeit zu Ewigkeit werden mir neuen Stoff zu seinem Preise erhalten, und er wird seines Ruhmes nie ein Ende sein. (Johannes Evangelista Gossner)
Herr, sei mir gnädig, siehe an mein Elend unter den Feinden, der du mich erhebst aus den Toren des Todes, auf dass ich erzähle Allen deinen Preis in den Toren der Tochter Zion, dass ich fröhlich sei über deiner Hilfe!
An dieses „Erhobenwerden aus den Toren des Todes“ hat St. Petrus auch gedacht, als er in seiner großen Pfingstpredigt beweist, wie David zuvor gesehen und geredet hat von der Auferstehung Christi, weil er ein Prophet war und nicht von sich selbst redete, sondern von dem großen Nachkommen, welcher ihm verheißen war, dass er auf seinem Stühle sitzen sollte, ein ewiger König. - Also ist es die Stimme des Messias selbst, die wir hier vernehmen, wie Er den Herrn anruft mitten im Elend unter Seinen Feinden, und danach ist es geschehen, dass Er erhoben ward aus den Toren des Todes am dritten Tage, und hat den Seinen erzählt allen Preis Gottes, fröhlich in Osterfreude! Das Alles aber ist geschehen uns zu Gute, dass es uns gleichermaßen widerfahre. In des Todes Toren sollen wir noch Alle stehen, liebe Brüder, und dem sterblichen Geblüt erscheinen diese Tore sehr dunkel und sehr kalt, dass uns davor graut und schaudert; aber Gott sei Dank! Christus ist hier, den Gott erhoben hat und zu unserem Haupt gemacht, so können wir auch jetzt schon durch den Glauben mit Ihm und durch Ihn erhoben werden aus den Toren des Todes, wie St. Paulus gar kräftig und köstlich beweist, denn er erzählt wahrlich allen Preis in den Toren der Tochter Zion und ist sehr fröhlich über der widerfahrenen Hilfe, da er lobpreisend ausruft: Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum! Seht da, das sind die großen Osterwunder! Das aber sollen wir wohl bedenken: so viel und so weit wir noch irdisch und fleischlich gesinnt sind, haben wir keinen Teil daran. Ostern sollen wir halten im Süßteige der Lauterkeit und der Wahrheit und nicht im alten Sauerteige der Bosheit und Schalkheit. Jenachdem werden wir erhoben aus den Toren des Todes und erzählen unseres Gottes Preis in den Toren der Tochter Zion! (Nikolaus Fries)