Psalm 38,22
Andachten
Verlass mich nicht, Herr, mein Gott! sei nicht ferne von mir!
Auf diese Gebete finden sich Antworten und Verheißungen genug in dem Worte des Herrn. Wenn keine wäre als die (Jesaja 49,15. und Johannes 6,37.), die allein alle Betrübte und Traurige, alle Zagende und Zweifelnde trösten können, wenn sie es im Glauben ergreifen und dem lieben Gott so viel zutrauen, dass er nicht lüge, der armen Menschen nicht spotte, sondern das, was er ihnen in seinem Worte verheißen hat, auch gewiss halte. Möchten wir nur immer so flehen und in diesem kindlichen, zudringlichen Gebete verharren; möchten wir nur an seinem väterlichen Herzen recht oft anklopfen, an der Antwort würde es nie fehlen. Was könnte die Muttertreue, die zärtliche Liebe und Sorgfalt unsers Bräutigams übertreffen? Was, was sollten und dürften wir nicht vor ihm erwarten? O wir Kleingläubigen! Ständen wir recht in und auf seinem Worte, wir würden fester als Berge stehen, würden nie wanken; denn der Himmel wird wohl zerfallen und vergehen, aber sein Wort und seine Treue fällt und vergeht nicht. Gott hat dir mit Blut, mit dem Blute seines Sohnes, am Kreuze auf Golgatha geschrieben: geh' hin, was liest du dort? Wenn du kein Wort mehr lesen, keins mehr glauben kannst, so sollst du doch diese Handschrift Gottes des Vaters in den Wunden und im Blute des Sohnes noch lesen und glauben können. Denn lesbarer, kräftiger, überzeugender und lebendiger kann kein Schreiber schreiben, kein Sprecher sprechen. Da steht's so mächtig, wie möglich geschrieben: Ich vergesse euch nicht! Ich verlasse euch nicht! Ich verstoße euch nicht! (Johannes Evangelista Gossner)
Häufig beten wir, Gott möge uns nicht verlassen in der Stunde der Trübsal und Versuchung, aber wir vergessen dabei nur zu leicht, dass wir zu allen Zeiten nötig haben, solches zu bitten. Es gibt in unserm Leben keinen einzigen Augenblick, wie heilig er auch sei, wo wir seines Beistands und seiner stärkenden Kraft entraten könnten. Im Licht wie in der Finsternis, in seiner Nähe wie in der Stunde der Versuchung, ist uns die Bitte vonnöten: „Verlass mich nicht, Herr, mein Gott.“ „Erhalte mich durch Dein Wort, dass ich lebe; stärke mich, dass ich genese.“ Wenn ein kleines Kind gehen lernt, so bedarf es ununterbrochen der Aufsicht und des Beistandes. Wenn das Schiff vom Steuermann verlassen wird, kommt's sogleich vom Kurs ab und treibt als ein Spielball der Wellen ziellos umher. Wir können die beständige Hilfe von oben nicht entbehren. So wollen wir denn täglich darum bitten: „Verlass mich nicht. Vater, verlass Dein Kind nicht, sonst fällt es von Feindeshand. Hirte, verlass Dein Lamm nicht, sonst verirrt es sich von der Herde und ihrer sichern Hut. Großer Gärtner, verlass Deinen Pflänzling nicht, sonst welkt er ab und stirbt. Verlass mich nicht, o Herr, in diesem Augenblick, und verlass mich nie zu irgend einer Zeit meines Lebens. Verlass mich nicht in meinen Freuden, sonst nehmen sie mein Herz gefangen. Verlass mich nicht in meinen Leiden, sonst murre ich wider Dich. Verlass mich nicht, wenn Du mir Buße schenkst, ich möchte sonst die Hoffnung der Vergebung verlieren und in Verzweiflung stürzen; und verlass mich nicht zur Zeit meines freudigsten und stärksten Glaubens, sonst artet der Glaube in Vermessenheit aus. Verlass mich nicht, denn ohne Dich bin ich schwach, aber mit Dir bin ich stark. Verlass mich nicht, denn mein Pfad ist gefährlich und voller Fallstricke, und ohne Deine Führung bin ich verloren. Die Henne verlässt ihr Küchlein nicht, so bedecke denn auch Du mich mit Deinen Fittichen, und lass mich unter Deinen Flügeln eine Zuflucht finden. Sei nicht ferne von mir, Herr, denn Angst ist nahe, denn es ist hier kein Helfer. Verlass mich nicht, Herr, mein Gott, sei nicht ferne von mir. Eile, mir beizustehen, Herr, meine Hilfe!“
„Mein Stab, mein Hort, mein Licht!
Ach Gott, verlass mich nicht!“ (Charles Haddon Spurgeon)