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Johannes 1,9

Johannes 1,9

Andachten

“Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen.“
Johannes redet von dem ewigen „Wort“, das im Anfang bei Gott war und in der Fülle der Zeit Fleisch geworden ist. Dieses Wort nennt er das wahrhaftige Licht, das alles, was Mensch ist, erleuchtet. Aber nachher sagt er, die Welt habe es nicht erkannt, d. h. der Mensch - insofern als er „Welt“ wurde, sich außer und ohne Gott stellend - ließ es unbeachtet und verdunkelte es in sich durch sein Sondertreiben. So war das Licht im Menschen wie vergraben. Wenn man fragen will, worin sich doch noch das Licht äußerte, wenn es „alle Menschen erleuchtet“, so ist’s schon sein Leben, von dem es vorher hieß, dass es das Licht der Menschen sei. Dieses Leben war immerhin nicht wie das Tierleben. Es spiegelte sich in ihm etwas von dem wahrhaftigen Licht, dem ewigen „Wort“, ab: Der Mensch war seiner selbst und Gottes bewusst; er hatte ein Gewissen, konnte wenigstens Gutes und Böses unterscheiden und zeigte schon dadurch ein Bedürfnis nach dem Guten; er hatte auch etwas von Liebe und Bedürfnis nach Liebe; und ganz besonders war er von Sehnsucht durchdrungen nach dem von ihm nicht erkannten Verlorenen. Insofern als von diesem allen noch Spuren da waren, war das Leben noch das Licht der Menschen. Und dieses kam vom „wahrhaftigen Licht, dem ewigen Wort“. Das erleuchtet soweit alle Menschen, d. h. es lässt wenigstens noch soviel vom wahren Licht an ihnen sehen. Ist der Mensch auch immerhin durch die Sünde in die Finsternis gekommen, so scheint doch das Licht auch in der Finsternis, wie Johannes sagt. Er setzt aber hinzu: „Die Finsternis hat’s nicht begriffen“, sie ließen’s nicht zum Durchbruch kommen.

Wir sehen daraus, in welch trauriger Gefangenschaft der Mensch war, wenn sein Edelstes, das sich nicht ganz von ihm abstreifen ließ, in ihm also gebunden war. Und wir mögen es denn auch begreifen, wie das „Wort“ - das wahrhaftige Licht, von dem alles Licht der Menschen ausgeht - von Anfang an eine Hinneigung zu den Menschen, so möchte ich sagen, behielt.

Daraus kam der Drang, ihnen zu helfen und sie zu befreien, und endlich der Entschluss zur Menschwerdung, zur Einkehr bei den Menschen, um als ihr Bruder ihrer Einer zu sein.

Große Gedanken kann das in uns anregen: dass wir doch nun trachten mögen, uns aus der Finsternis ins Licht herauszuarbeiten! Denn dazu ist uns jetzt Gelegenheit und Macht dargeboten durch Christus, das Mensch gewordene Licht. Nur das, was wir vom ewigen „Wort“ in uns haben - teils ursprünglich in uns liegend, teils durch den Glauben an Christus in uns zur Freiheit gebracht -, ist wahrhaftiges Licht. Alles andre, dem wir den Wert eines Lichts geben wollen, ist kein wahres, sondern ein immer wieder verlöschendes Licht; es fällt dem Tod an heim wie das äußere Leben selbst. Nur jenes ist ewiges Leben nach dem Wort des HErrn: „Wer an Mich glaubt, der hat das ewige Leben.“

Zusatz zu Johannes 1,9 - „Das wahrhaftige Licht“

Wenn das ewige „Wort“ so bestimmt „das wahrhaftige Licht“ genannt wird, so ist es damit einem andern Licht gegenübergestellt, das als Licht scheint - und doch nicht das wahre Licht ist. So glaubten die Menschen wohl auch Licht zu haben, ehe das „Wort“ Mensch wurde; sie vergaßen dabei des in ihnen wohnenden wahrhaftigen Lichts. Wie waren sie so klug, so verständig und mehr und mehr so geschickt geworden in allerlei Künsten und Wissenschaften! Man denke daran, wie solches Licht leuchtete bei den Ägyptern, Griechen und Römern, bei den Hindus und ganz besonders bei den Bewohnern von Japan bis auf den heutigen Tag. Man muss staunen, zu welcher Größe ihr Geist aufgeweckt war! Aber sie hatten dies Licht so, dass es sie - mit äußerst geringen Ausnahmen - nicht zu Gott hinführte, sondern eher von Ihm wegführte. Sie meinten, sie hätten da etwas, an dem sie genug hatten. Sie fragten nicht weiter nach Gott und Seiner Heiligkeit und trachteten nicht danach, in das, was ihnen auch hierin klar war, tatkräftig einzugehen. Genaugenommen war’s und ist’s auch ein Ausfluss vom wahrhaftigen Licht - aber gleichsam nur ein Abfall von ihm: insofern als es nicht im Zusammenhang mit seinem Ursprung blieb. Es war ein Abfall, der nicht die Kraft in sich hatte, fortzuglänzen, sondern immer wieder dem Erlöschen anheimfiel. Ist es uns doch jetzt mit aller Anstrengung nicht mehr möglich, uns zu der Geschicklichkeit und Kunst der Alten emporzuschwingen. Und wir erscheinen ihnen gegenüber nun selbst als arm, obgleich wir nach außen hin wieder ähnliches Licht haben in großartigem Maßstab - das sich aber handgreiflich auch nicht als das wahrhaftige Licht darstellt. O Kunst, O Bildung, wie weit bist du mit deinem Lichte von dem wahrhaftigen Lichte entfernt!

Dieses unwahrhaftige Licht macht zwar in etwas zufrieden mit diesem Leben; es weiß demselben Annehmlichkeiten zu verschaffen, bietet auch Hilfe zum Durchkommen dar. Es gibt aber wenig oder nichts, was an das ursprüngliche wahrhaftige Licht kettet; sondern es stellt sich wie von diesem abgetrennt dar. All dieses Licht sieht sich wie eine Lampe an, deren Öl nach und nach verbrennt, bis das Licht erlischt. So ist alles Licht in dieser Welt, das nicht im engsten Zusammenhang bleibt mit dem wahrhaftigen Licht, dem ewigen Wort und Seiner Heiligkeit: Es kann prächtig brennen und lange fortbrennen - aber der Brennstoff verzehrt sich mehr und mehr, und dann ist’s aus! Auch wenn man den letzten Öltropfen sammeln will, so geht er eben drauf, wenn man ihn benützt - und Nacht folgt!

Nur das, was sich durch Streben nach göttlicher Liebe und göttlicher Heiligkeit und Gerechtigkeit an die Person des wahrhaftigen Lichtes kettet und hält, hat ewige Dauer. Solches Licht leuchtet fort und verbraucht sich nicht; es bleibt sich gleich, ist etwas Sicheres und Dauerndes, ein Licht von oben, ein Stück von der Ewigkeit. Dieses Licht, das das liebende Herz Gottes in sich schließt, kam mit dem Heiland persönlich in die Welt. Es will unsere Herzen aufs neue entzünden und dem wahrhaftigen Lichte in aller Herzen Bahn machen, damit es sich wieder mit seinem Ursprung vereinige und mit ihm verschmelze.

Wenn, wie Johannes sagt, das wahrhaftige Licht alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen, so muss man sich denken, dass es bei allen wohl in etwas da ist. Aber bei denen, in welchen es nicht durch Christus erneuert wird, ist es nur verborgen da, gleichsam verschlossen und verdeckt. Es ist ein Gefangener im Menschen, mit Finsternis umhüllt, und mag sich je und je nur durch einen matten Schimmer erkennbar machen. Nun ist freilich der HErr Jesus gekommen, „zu predigen den Gefangenen die Freiheit, den Gebundenen die Loslösung“ (Jes. 61, 1). Wer Ihn im Glauben aufnimmt, bei dem wird der ganze Mensch licht und hell und verklärt sich in die göttliche Art. Die Hülle, die das Licht in ihm verdunkelte und die göttliche Heiligkeit nicht zur Geltung kommen ließ, fällt weg. Schon darum fühlt sich der Mensch als eine ganz neue Kreatur. Wohl dem, der sich freimachen, der sich erleuchten lässt vom wahrhaftigen Licht! Der geht dadurch selbst wieder hell leuchtend unter den Finsternissen der Welt dahin mit dem vom Himmel stammenden Licht! Dieses wird zur Ehre Gottes durch den Glauben in einem einzigen Nu entzündet, so wie sich der Gasstoff im Nu entzündet. Wie gar neu und anders muss die ganze Erscheinung eines also entzündeten Menschen werden!

Indessen sagt der HErr: „Lasset euer Licht leuchten!“ Damit deutet Er an, dass man zwar im Glauben stehen, also innerlich erleuchtet sein könnte - ohne sein Licht leuchten zu lassen. Allerdings verstehen’s viele, auch das ihnen neu zuteil gewordene Licht unter den Scheffel, statt auf den Leuchter zu stellen. Dann scheint es den Leuten nicht. Dies ist der Fall, wenn die göttliche Art an ihnen nicht offenbar wird. Da brennt es wohl etwa innen, so dass man einen hellen Verstand in allem Göttlichen hat und wohl auch Genuss davon; aber es leuchtet niemandem, insofern als ihre Art von der der unerleuchteten Menschen sich kaum unterscheidet. Sie sind mit jenen Laternchen zu vergleichen, die Klapptürchen haben, die man auf- und zumachen kann. Wenn diese Türchen geschlossen werden, so scheint das in der Laterne brennende Licht nirgendwohin; und solch ein Licht hilft zu nichts. So erscheinen viele Christen gleich zugedeckten Laternen. Sie kennen und haben das Evangelium, kennen das wahrhaftige Licht, wissen alles und ergötzen sich daran - aber sie verschließen das, was sie haben, hinter Klapptürchen und geben keine Helle.

Statt es verschlossen zu halten, sollten sie aber ihr Licht leuchten lassen, um den Vater im Himmel zu ehren. Das geschieht durch Liebe, Freundlichkeit, Herzlichkeit, Sanftmut, Geduld, Friedfertigkeit, reine Gesinnung gegen jedermann in himmlischer, göttlicher Art, die von dem ungöttlichen Treiben der Welt geschieden ist. Wenn das bei Christen hervortritt, so sind die Klapptürchen offen. So wird man auch „das Licht der Welt“, wie es der HErr von Seinen Jüngern wünscht (Matth. 5,14).

Ach, was wäre es doch, wenn also das wahrhaftige Licht bei allen, in welchen es sich neu entzündet hat, wirklich auch in hellen Flammen leuchten würde.

Was kostet es aber, bis das, was - wie Johannes bezeugt - in der ursprünglichen Natur des Menschen liegt, sich herausgearbeitet hat aus der Finsternis, die immer wieder darüber herfällt!

Wir warten neuer Gnaden von oben! Endlich wird doch das Licht siegen! (Christoph Blumhardt)


Das war das wahrhaftige Licht, welches alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbige gemacht, und die Welt kannte es nicht. Er kam in sein Eigentum, und die Seinen nahmen ihn nicht auf. Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, die an seinen Namen glauben.
Ja, wer Jesum, das Licht der Welt, aufnimmt in sein Herz und Leben, von seinem Worte sich durchleuchten lässt bis auf den Grund seines Herzens hinab, im Lichte seiner Gnade und Wahrheit wandelt mit kindlichem Gehorsam, der ist ein Kind des Lichts, und also ein seliges Kind Gottes schon hienieden und ein seliger Erbe Gottes einst droben.

O, das ist doch ein andres Leben - dieser Wandel eines Kindes Gottes im Lichte, als der Wandel der Weltkinder in der Finsternis der Sünde und des Unglaubens.

Wie finster sieht's aus in dem Herzen, das gegen Christum, das Licht der Welt, sich verschließt! Mag auch das Antlitz eines solchen Menschen heiter sein: tief innen in der Brust ist's dunkel. Da sind Sündenwinkel, in die man keinen Menschen schauen lassen mag. Da sind Wolken des Missmuts, die oft mitten, in der Freude die Seele überschatten. Da sind Abgründe des Elends, die man vor sich selber verdeckt, um nicht zu verzweifeln. Aber wo Christus im Herzen leuchtet, da ist's hell. Ist's auch ein strafendes Licht, das Licht seiner Wahrheit, das viel Sünde und Schwachheit täglich uns aufdeckt, o, so ist's doch ein tröstliches Gnadenlicht, das ausgeht von seinem Antlitz, und Sündenangst und Todesfurcht vertreibt und uns Mut und Kraft gibt, Herz und Leben je mehr und mehr zu reinigen von allen finstern Werken und im Lichte des Evangeliums unsträflich zu wandeln.

Wie finster sieht's aus in dem Leben, das nicht beleuchtet ist von dem Licht des Evangeliums. Man weiß nicht, woher man kommt, man weiß nicht, wohin man geht, man hat keinen Halt im Glück, man hat keinen Trost im Unglück, man taumelt blindlings hin von einem Tag zum andern, von einem Jahr ins andere. Aber wie lieblich wird der Lebenspfad der Kinder Gottes beleuchtet vom himmlischen Lichte göttlicher Gnade und Wahrheit! Gottes Wort ist unsers Fußes Leuchte und ein Licht auf allen unsern Wegen; seine Gnade ist unsers Herzens Trost auch in bösen Stunden, dass wir fröhlich sprechen:

Ist alles dunkel um mich her,
Die Seele müd' und freudenleer,
Bist du doch meine Zuversicht,
Bist in der Nacht, o Gott, mein Licht!

Wie finster sieht's nach diesem Leben aus für ein Herz, das von Christo nicht erleuchtet ist! Da ist nur die Nacht des Grabes, und hinter dem Grab entweder nichts oder das Gericht. Aber ein Kind Gottes das sieht Licht auch im Dunkel des Todes und weiß über dem. Grabe ein Erbteil der Heiligen im Licht, dem es fröhlich zuwandert durch alles Dunkel dieser irdischen Pilgrimschaft.

Nun, wollen wir nicht auch durch unsere Pilgerjahre wandeln als Kinder Gottes, als Kinder des Lichts? O dann wohl uns; mag unser Lebenspfad dunkel sein: er ist beleuchtet vom himmlischen Licht; mag's kalt sein auf Erden: in unsern Herzen brennt ein himmlisches Feuer des Glaubens, der Liebe, der Hoffnung, ein Lebensfunke, den auch der Tod nicht auslöschen kann, weil er aus Gott ist. Dazu hilf du uns, Herr Jesu, du Licht der Welt! Amen. (Karl von Gerok.)

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nt/43/johannes_1_9.txt · Zuletzt geändert: von aj
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