Johannes 1,18
Andachten
Niemand hat Gott je gesehen. Der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.
In Gottes heilige Tiefen und in sein Wesen kann kein Mensch hineinsehen. Können wir arme Kreaturen unser Herz schon verschließen, dass die rechte Wahrheit desselben schwer zu erforschen ist, wie sollte Gott das nicht verschließen können? Daher haben sich auch alle Propheten in ihrer Offenbarung mit dem begnügen müssen, was Gott sie aus Gnaden hat wollen schauen lassen. Und bei Allem, was Menschen aus eigener Kraft von Gott aussagen, müssen sie hinzufügen: „Ich meine, dass es sich so verhält.“ Eine Gewissheit ist nicht da. Wo ist Gewissheit des Heils? Hier in dem, der in des Vaters Schoß ist. Aus des Vaters Schoß kam er hernieder zur Erde. Und wieder bringt er uns auch jetzt aus dem heiligen Schoß der Wahrheit die volle Wahrheit, das Heil, welches er dir verkündigt, ist ein wahres Heil. Der Bote ist gewiss, und die Botschaft ist gewiss. Aus Gottes Schoß kann kein Lügner ausgehen. Die Evangelien lügen nicht, und das teure Evangelium, welches sie enthalten, ist auch Wahrheit. Du kannst keine größere Gewissheit empfangen, als die, welche dir dein Gott geschenkt hat.
Herr, himmlischer Vater. Jeder neue Morgen muss uns wieder danken lassen, dass du uns verkündigt bist als der Gott der Liebe und des Erbarmens durch Jesum Christum. In deiner Liebe haben wir diese Nacht geruht, in ihr lass uns auch den beginnenden Tag durchleben. Wer diese Liebe hat, der hat Alles was er braucht. Du lässt Niemand zu Schanden werden, der auf dich traut. Es gibt keine Not, in der du nicht helfen könntest. Gnade um Gnade schenkst du uns Tag für Tag. O lass auch diese Tage dazu dienen, dass wir dich sehen in deinem lieben Sohne. Doch auch als den Heiligen offenbarst du dich in ihm; so hilf uns bedenken, wie deine Liebe heilige Stätten sucht um sich offenbaren zu können. Richte darum auch heute unsern ganzen Wandel nach deinem heiligen Wort. Amen. (Fr. Ahlfeld)
“Niemand hat Gott je gesehen; der eingeborne Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat es uns verkündigt.“
Es ist dieses einer der Sprüche, die zu erkennen geben, dass bei dem HErrn, wenigstens in den Tagen, da Er aufgetreten war, eine besonders fühlbare Gemeinschaft mit Seinem Vater stattfand. Er fühlte Sich im Schoß des Vaters, weswegen es heißt: „Der in des Vaters Schoß ist.“ Es fand bei Ihm eine Art Sehen Gottes statt, wie es bei keinem sonstigen Menschen möglich war, auch bei Mose nicht, der hintennach sehen durfte. Dadurch unterscheidet sich der HErr nicht nur als der allergrößte, sondern auch als der einzige Prophet von den anderen, wie Er auch sonst (Hebr. 1,1.2) als der Sohn, durch welchen Gott zuletzt geredet habe, allen andern Propheten gegenübergestellt wird. Andere bekommen es nur bruchstückweise und als Brosamen; Er aber, der Sohn, bekam es nicht nach dem Maß (Joh. 3,34), sondern als Einer, der in des Vaters Schoß ist. Darum heißt es jetzt von Ihm (Kol. 2,9), dass „in Ihm wohne die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“
Es ist merkwürdig, wie sie in unsern Tagen das Leben Christi so überaus und rein menschlich aufzufassen und zu erklären sich bemühen, meinend, dass sie damit erst den rechten Christus gefunden hätten, wenn er ganz und nur Mensch wäre, und ganz menschlich sich entwickelnd gedacht werde. Aber so viel sie sich auch abmühen und krümmen, - mit der Schrift kommen sie nicht zurecht; und so können sie sich, - ein böses Zeichen wider ihre Weisheit, - nicht anders helfen, als dass sie von der Schrift gar absehen, und diese entweder als unecht wegkritisieren, oder die Verfasser auf den Stuhl der Unwissenheit oder Schwärmerei oder Irrbildung setzen. Denn die Schrift, schon obiger Spruch, will’s durchaus anders, und ist eben damit dem Menschen, der Trost und Hilfe und Gewissheit des ewigen Lebens sucht, ein willkommenes Evangelium. Darum sagen wir mit Luther: „Das Wort sie sollen lassen stah’n.“ Wie groß wird doch in ihr und nur in ihr, nicht in der Scheinweisheit der Neuerer, die Barmherzigkeit Gottes, mit welcher Er durch Christum uns nahe gekommen ist! (Christoph Blumhardt)
Niemand hat Gott je gesehen: der eingeborene Sohn, der in des Vaters Schoß ist, der hat ihn verkündet.
Dass keiner dazu gelangt, Gott zu sehen, das hat Johannes mit Ernst den Männern vorgehalten, die in der Erkenntnis Gottes das finden wollten, was als die neue Gabe Jesu in die Menschheit hineingekommen sei. Es ist in der Tat die Gabe des Sohnes Gottes, dass wir Gott kennen. Denn Ihn zu kennen, das ist das ewige Leben. Damit ist uns aber nicht gegeben, dass wir Ihn sehen. Denn wir erkennen Gott an seinem Werk, an dem, was Er uns gibt. Diese Ordnung Gottes stellt uns unter Gottes Gnade. Denn sein Werk kommt aus seiner Güte zu uns und zeigt uns diese an dem, was Er für uns tut. Wie wäre aber die Gnade noch Gnade, wenn sie mir nicht auch Gottes für uns unerreichbare Hoheit sichtbar machte? Dies tut sie dadurch, dass Gott mir unsichtbar bleibt. Die Männer, die nach dem Anblick Gottes rangen, drängten sich an Gott heran, als könnten sie jede Schranke entfernen und den Spiegel, in dem sich Gott uns zeigt, wie Paulus sagte, wegschieben. Das Schauen von Angesicht zu Angesicht überragt als uns verheißenes Ziel den uns jetzt gegebenen Lebensstand und erfordert das reine Herz, das wir noch nicht haben und uns durch keine religiöse Anstrengung und Übung verschaffen können. Die größte Gabe, die uns Gott geschenkt hat, damit wir Ihn erkennen, ist Jesus, der ganz mit Gott Verbundene, der dem Sohn gleicht, dessen Platz an der Brust des Vaters ist, und Jesu Geschenk an uns ist sein Wort, das mit allem, was er uns sagt, die Verkündigung dessen ist, was Gott ist und wirkt. Kann ich Gott nicht sehen, so kann ich ihn doch hören. Anblick Gottes gibt es nicht für mich; dafür gibt es ein zu mir gesprochenes göttliches Wort. Ich darf nicht nach dem begehren, was mir unzugänglich ist, und deshalb das missachten, was mir gegeben ist. Dass Gott durch Jesus zu uns spricht, das ist diejenige Gnade, die für das eigensüchtige Herz des Menschen heilsam ist. So wird es vor dem doppelten Elend behütet, in das sich unser Herz hineinstürzen kann, vor dem Stolz, der sich an Gott herandrängt und nicht in der Tiefe stehen bleiben will, und vor der Erschlaffung, die sich mit dem begnügt, was die Natur uns gibt. Wer sich von der Erde lösen und sich zu den Himmlischen gesellen will, dem tritt das Wort entgegen und ruft ihm zu: Höre mich, und den, der in die Natur versunken, nichts mehr als sich selber sieht, weckt das Wort auf und sagt ihm: Höre mich; was ich dir sage, kommt von Gott.
Ich greife dankbar, heiliger Herr und Gott, Vater unseres Herrn Jesus Christus, nach Deinem Wort und preise es als den hellen Strahl, der aus Deiner Sonne hervorleuchtet, als den reichen Schatz, der aus Deiner Fülle uns beschieden ist, als das feste Band, das uns mit Dir vereint. Gib mir immer reicher, immer reiner Teil an Deinem Wort. Amen. (Adolf Schlatter)