Lukas 23,12
Andachten
Auf den Tag wurden Pilatus und Herodes Freunde mit einander; denn zuvor waren sie einander feind.
Eine saubere Freundschaft! Pilatus möchte sich den ganzen Prozess mit Christo vom Halse schaffen, und schickt in aller Ehrerbietung den Angeklagten dem Herodes zu, der über Galiläa, also auch über den Galiläer Jesus zu befehlen hatte; und Herodes ist eitel oder dumm genug, diese Ehrendemonstration des Pilatus als bare Münze anzunehmen. Vorher standen die beiden Herren sehr schroff und spitz gegeneinander, und nun will auf einmal Keiner dem Andern ins Amt greifen, und Beide reichen sich über den Tisch die Hand. Hier haben wir die weltliche Politik im Großen wie im Kleinen. Auch diese hat Christus büßen müssen. Worin besteht gewöhnlich solch eine Pilatus- oder Herodes- Freundschaft? Man streut sich gegenseitig einige Körnlein Weihrauch, schiebt sich aber unter dem Deckmantel solcher Ehrenbezeugungen eine Sache oder ein Geschäft zu, welches für den, der es annimmt, ein halsbrechendes sein kann. Zuweilen auch versöhnen sich ganz unvermuteter Weise zwei Diplomaten oder zwei Konkurrenten, wenn es sich darum handelt, einen Dritten, der ihnen schaden kann, aus dem Wege zu schaffen. Auch im gemeinen bürgerlichen Leben können zwei Parteien, die sich herzlich hassen, sich eine Neujahrskarte schicken oder eine Versöhnungskomödie spielen, wenn Jeder dabei hofft, eine Stufe höher zu steigen oder die Hilfe des Andern, etwa zu einer Geldheirat, für sich zu gewinnen. Pilatus und Herodes wurden Freunde! Wie muss über solche Bündnisse die ganze Hölle sich freuen! Man merke aber auch hier, wie die politische Klugheit sich jederzeit, wo sie nicht durch ein höheres Licht regiert worden ist, sich als eine Feindin Christi und seines Kreuzes erwiesen hat. Welche Geduld auch gehört dazu, sich wie einen Spielball aus den Händen eines Schuftes in die eines andern werfen zu lassen, wenn man, wie Jesus, Macht hätte, es beiden zu entgelten, wie sie es verdienten! (Friedrich Lobstein)