Markus 3,31
Andachten
Und es kam die Mutter Jesu und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder draußen fragen nach dir. Und er antwortete ihnen und sprach: Wer ist meine Mutter und meine Brüder? Und er sah rings um sich auf die Jünger, die um ihn im Kreis saßen, und sprach: Siehe, das ist meine Mutter und meine Brüder. Denn wer Gottes Willen tut, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter.
Wo der Geist Gottes treibt, da darf Fleisch und Blut nicht mehr mitsprechen; wo es das ewige Leben gilt, da müssen zeitliche Rücksichten schweigen. Die Bande des Bluts müssen zurückstehen hinter Gottes Sache, sie dürfen uns nicht abführen von Gottes Wegen. Und sie dürfen uns auch nicht träge machen für höhere Pflichten.
Jesu Mutter und Jesu Brüder wollten ihn gewiss zu nichts Bösem verleiten, als sie ihn abriefen von seiner Predigt. Es wäre ihm wohl bekommen, ein Stündlein Ruhe in ihrer Mitte. Aber das Volk saß um ihn her, sein armes Volk, das wie die Schafe war, die keinen Hirten haben, sein geliebtes Volk, das ihm vom Vater übergeben war, es zu speisen mit seinem göttlichen Evangelium; das war jetzt seine Familie, für die er sorgen musste, das war jetzt sein Tagewerk, zu wirken, so lange es Tag war, ehe die Nacht kam, da niemand wirken, kann und er blieb. Diese höhere Pflicht ging vor. So hatte er's als Kindlein gehalten, da seine Mutter ihn suchte: wisst ihr nicht, dass ich sein muss in dem, das meines Vaters ist? So hielt er's im Eifer seines Amtes, als seine Jünger ihm Speise brachten zum Jakobsbrunnen und er antwortete: Meine Speise ist die, dass ich den Willen tue des, der mich gesandt hat. So hielt er's bis in sein Leiden und in seinen Tod hinein: ob auch ein Schrecken durch seiner Jünger Herz, ein Schwert durch seiner Mutter Seele ging, als er am Kreuze blutete; keine Bande des Bluts und menschlicher Freundschaft durften ihn abhalten von höheren Pflichten. So haben's auch seine Jünger gehalten: kein Petrus hätte alles verlassen, kein Paulus hätte die Schmach Christi auf sich genommen, kein Missionar wäre unter die Heiden geeist, kein Luther wäre nach Worms gegangen, wenn sie sich besprochen Hätten mit Fleisch und Blut, wenn Weibestränen und Freundesbitten mehr vermocht hätten als der Ruf des Herrn.
Nein, wo's die Sache des Herrn gilt, da muss auch das Liebste auf Erden zurückstehen; wo's Gott fordert, da müssen wir auch das Teuerste können verlassen und hergeben. Zumal in großen Entscheidungszeiten, da gilt's, mit solchem Verleugnungssinn gewappnet sein, da darf kein süßes Herzensband, kein weichlich Gefühl uns aufhalten, unser Angesicht stracks gen Jerusalem zu wenden, da muss man mancher ruhigen Stunde, mancher erlaubten Freude, mancher süßen Gewohnheit absagen im Dienste des Herrn. Da muss der Mann sich losreißen können von Weib und Kind, wohin die Pflicht ihn ruft, da muss auch das Weib eine Heldin werden und Mann und Kind können dem Herrn zum Dienst übergeben, wie jene heldenmütige Mutter zur Makkabäerzeit, als sie ihre sieben Söhne sterben sah unter ihren Augen. und vermahnte sie selbst zum Märtyrertod. Von solchem Verleugnungssinn wolle der Herr auch in unsere schwachen Herzen etwas pflanzen durch seinen heiligen Geist!
Herr, erheb' die matten Kräfte, Dass sie sich doch reißen los, Und durch alle Weltgeschäfte Durchgebrochen stehen bloß; Weg mit Menschenfurcht und Zagen, Weg Vernunftbedenklichkeit, Fort die Scheu vor Schmach und Plagen, Weg des Fleisches Zärtlichkeit! (Karl von Gerok.)