Matthäus 27,17
Andachten
Und da sie versammelt waren, sprach Pilatus zu ihnen: Welchen wollt ihr, dass ich euch losgebe? Barrabbam oder Jesum, von dem gesagt wird, er sei Christus? Denn er wusste wohl, dass sie ihn aus Neid überantwortet hatten.
Noch eine Art, wie Pilatus sich aus der Schlinge ziehen will. Wenn er Christum neben den Raubmörder Barrabbas stellen würde, und der jüdischen Geistlichkeit die Wahl ließe, sollten dann letztere so unverschämt sein, lieber den Erzbösewicht sich frei geben zu lassen als Christus, von dem er selber, Pilatus, moralisch überzeugt ist, dieser Mensch ist ein Unschuldiger und ist nur aus Bosheit überantwortet worden? Pilatus, durch sein Vermitteln-Wollen kommt hier in eine neue fatale Lage. Es ist immer eine missliche und gefährliche Sache, unter zwei Übeln das geringere erwählen zu wollen, besonders, wenn die zwei Übel auch zwei Sünden sind. Wer so laviert1), kommt oft aus dem Sturm in den Strudel und verdirbt es mit beiden Parteien. Nichts Gefährlicheres, als die jesuitische Moral, eine kleine Sünde zu begehen, um eine größere zu verhüten. Auf diese Weise stellt man sich selten zwischen das Messer und den Galgen, denn Sünde ist Sünde, und auf jede Sünde kommt ein Gericht. Und doch auch hier sehen wir die Macht des Gewissens. Gott hat dem Gewissen des Menschen einen solchen Abscheu vor offenbarer Ungerechtigkeit eingeprägt, dass es sich oft lange sträubt, ehe es sich in die Fesseln der Sünde gefangen gibt. Auch ein Pilatus. Gewissen ist im Grund noch ein Gewissen, und der abscheuliche Vorschlag: Wollt ihr Christum? wollt ihr Barrabbas? kommt von einem verborgenen Zittern vor der Strafgerechtigkeit Gottes, deren auch ein Heide sich nicht ganz entschlagen kann. (Friedrich Lobstein)