Jakobus 2,1
Andachten
Haltet nicht dafür, dass der Glaube an Jesus Christus, unseren Herrn der Herrlichkeit, Ansehen der Person leide.
Woher rührt der Streit zwischen der Christenheit und Jakobus? Denn hier besteht Streit, da die Christenheit beharrlich sagt, die Weise, wie sie Gunst und Ungunst, Bevorzugung und Zurücksetzung austeile, habe mit dem Glauben an Jesus nichts zu tun; sie halte das Evangelium im Glauben fest, auch wenn sie das macht, was Jakobus verwirft und den Reichen wegen seines Kleids ehrt, den Armen dagegen wegen seines Kleides missachtet. Dieser Streit entsteht daraus, dass Jakobus und die Christenheit nicht an denselben Vorgang denken, wenn sie vom Glauben sprechen. Die Christenheit heißt sich gläubig, weil sie das Evangelium gehört hat und kennt. Wenn ich damit zufrieden bin, dass ich den christlichen Unterricht erhielt und durch ihn erfahren habe, wie die Geschichte Jesu sich zutrug und was seine Botschaft uns sagt, dann wird freilich mein Verkehr mit den Menschen von meinem Glauben nicht berührt und ich kann ihnen meine Gunst und Ungunst zuwenden, wie es mir beliebt; dann werde ich den Maßstab, nach dem ich sie schätze, aus meiner natürlichen, somit eigensüchtigen Begehrung schöpfen. Dagegen hat Jakobus nicht nur sein Wissen, sondern sich selber durch den Glauben in den Willen Jesu ergeben und im Glauben nicht nur Erinnerungen an Jesus in sich aufgenommen, sondern sich mit allem, was er ist und tut, unter den Herrn der Herrlichkeit gestellt. Ihm macht es daher der Glaube unmöglich, dass er den Menschen nach seinem Besitz beurteile, um die Gunst des Reichen werbe und jemand wegen seines mangelhaften Rocks verachte; denn Jesus, dem er glaubt, hat auf der Erde nicht das Geld, sondern den Menschen gesucht. Damit ist jene Härte für ihn vergangen und wird als Sünde von ihm gerichtet, mit der wir den Armen ehrlos machen und den Reichen durch unsere Verehrung in seiner Gottlosigkeit bestärken. Denn Jesus, an den er glaubt, ist barmherzig und offenbart Gottes gnädige Gerechtigkeit, die aller Gottlosigkeit widersteht und gütig in jeden Mangel ihre Gabe legt. Wenn mich der Glaube mit allem, was ich bin, mit meinem Denken, Wollen und Tun, unter die Herrschaft Jesu stellt, dann ist sonnenklar, dass das, was ich den Menschen gebe oder versage, meinen Glauben unmittelbar berührt und ihm entweder widerstreitet oder ihm gehorcht.
Du gibst mir, gnädiger Gott, den Glauben nicht, damit ich ihn einsperre und unfruchtbar mache, sondern damit ich im Glauben so handle, wie es Dein Wille mir zeigt und Deine Gnade mir gibt. Ich danke Dir, dass ich keinen Menschen verachten darf und Größeres an ihm ehren soll als seinen Besitz. Stelle mich ganz und in allen Dingen in den Dienst Deiner seligen Gerechtigkeit. Amen. (Adolf Schlatter)