Hebräer 3,13
Andachten
Ermahnt euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt.
Wer jeden Tag so anfängt, dass er zu sich selbst sagt: „Dieser Tag ist für dich ein Tag des Heils, aber vielleicht ist es dein letzter Tag; darum sei wie der Knecht, der seines Herrn wartet, und heilige all dein Tun und Lassen in dem Gedanken, dass der Ruf des Herrn dazwischen hinein schallen könne!“ - der wird sich vielleicht tausend Mal und aber tausend Mal verrechnen können, aber doch gewiss nie zu seinem Schaden, sondern immer zu seinem Vorteil; und ein Mal wird er sich doch auch nicht verrechnen, dann trifft es ein: „Selig ist der Knecht, den der Herr nicht träge und müßig findet!“ Wer gleicherweise am Tage des Herrn, das Wort Gottes hörend, sich selbst ermahnt: „Heute hörst du vielleicht auf Erden das Wort Gottes zum letzten Male, es ergeht heute an dich der letzte Ruf der erweckenden, lehrenden, ermahnenden und warnenden Gnade, so überhöre den Ruf nicht und gehorche ihm!“ - der wird vielleicht noch mehrmals das Wort Gottes hören, aber es wird ihn nie gereuen, es jedes Mal so gehört zu haben, als hörte er es zum letzten Male; und ein Mal wird es doch auch das letzte Mal sein, und dann heißt es: „Selig sind die Gottes Wort hören und bewahren!“ O was kann das Wort „Heute, heute ist der Tag des Heils“ der Ermahnung für Kraft und Nachdruck geben, die Gnadenzeit wohl anzuwenden! Welch ein Wurm, der nicht erstirbt, und welch ein Feuer, das nicht erlöscht, wird für die Verdammten in der Erinnerung liegen, ein gnadenreiches Heute nach dem andern versäumt zu haben! Und mit welchem Beben der Freude vor dem Angesicht des Herrn werden die Seligen denken: „Dass du vom Tode zum Leben hindurchgedrungen bist, das ist geschehen, weil du einst den Tag des Heils nicht versäumt hast!“ - Darum seht zu, liebe Brüder, dass nicht jemand unter euch ein arges ungläubiges Herz habe, das da abtrete von dem lebendigen Gott. Sondern ermahnt euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt, dass nicht jemand unter euch verstockt werde, durch Betrug der Sünde (Hebr. 3,13.14.). Das ist aber ein Betrug der Sünde, dass man sich des morgenden Tages rühmt, da man doch nicht weiß, was heute sich begeben mag, und ob nicht das Wort eintrifft: „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern!“ Macht eure Rechnung nicht auf morgen, gleich jenen, die da sagen Jes. 56,12: „Kommt her, lasst uns Wein holen, und voll saufen, und soll morgen sein wie heute, und noch viel mehr.“ Sondern heute ergebt euch dem Herrn ganz und unbedingt, dass ihr heute und alle Tage in seinem Dienst erfunden werdet! (Carl Johann Philipp Spitta)
Ermahnt euch selbst alle Tage, so lange es heute heißt, dass nicht Jemand unter euch verstockt werde, durch Betrug der Sünde.
Der Mensch wird in der Sünde betrogen. Er will ja durch die Sünde, durch die feine und durch die grobe, etwas Angenehmes erlangen, Leben, Freude, Ehre, Vorteil, Ruhe, Besitz, Sicherheit, Genuss. Aber statt dass er ein Herr wird über die Dinge der Erde, werden die Dinge der Erde Herr über ihn. Die Freude, die er durch die Sünde suchte, wandelt sich in Tränen, in eine große Öde, Leere und Traurigkeit; statt Frieden zu finden, wird die Unruhe und Unstetigkeit seiner Seele mit jeder neuen Sünde nur so viel größer; statt zufrieden zu werden durch neuen Genuss, wird er im Gegenteil immer unzufriedener. Kurz, er muss überall den „Betrug der Sünde“ finden.
Adam und Eva wollten durch die Sünde erlangen, dass ihre Augen aufgetan würden, und freilich, sie wurden geöffnet, aber nur damit sie ihre eigene Elendigkeit schauen könnten! Sie wollten durch die Sünde erkennen lernen, was gut und böse sei, und sie erkannten es, aber nur um zu erkennen, dass sie gut gewesen und böse geworden seien. Überall sehen sie sich aufs Schmählichste betrogen. - Kain hoffte durch den Mord seines Bruders innerlich zur Ruhe zu kommen, aber nachdem Neid und Rachsucht gestillt waren, kam nun ein Schmerz in seine Seele, der ihn nie verließ; eine entsetzliche Unruhe folterte sein Gewissen, „unstet und flüchtig muss er sein auf Erden“.
Und du, der du dieses liest, blicke nur in dein Herz und in dein vergangenes Leben hinein, so wird ein Tag dem andern von „dem Betrug der Sünde“ predigen. Mag eine Sünde erst angenehme Erfolge haben, zuletzt wird sie sich doch schmählich betrügen. Der Sodomsapfel lacht den Wanderer so duftig und rosig an, sobald er ihn aber stärker drückt, um seinen inneren Gehalt zu erproben, dampft ihm ein giftiger Staub in die Augen und die reizende Hülle vergeht.
Gott aber ist treu; Er betrügt nicht, sondern hält was Er verspricht. Zuerst freilich müssen oft Die, die mit allem ihrem Tun und Lassen, Lieben und Leiden auf Ihn schauen, - die sich selbst verleugnen, ihre Lüste und Begierden kreuzigen, unter ihren Mitmenschen aber Liebe und Frieden, Wahrheit und Licht, Trost und Barmherzigkeit zu pflanzen suchen, - diese müssen oft zuerst mit Tränen säen. Es geht oft durch viele Prüfungen, Dunkelheiten und scheinbare Gottverlassenheit hindurch. Man denke nur an die Führungen des Joseph, der scheinbar von Gott und Menschen verlassen war, der von seinen Brüdern verkauft wurde, von Potiphars Weib verleumdet, um seiner Tugend willen eingekerkert, von dem königlichen Schenken vergessen. Scheinbar war er von allen Menschen betrogen, ja auch von Gott, der ihm seine Frömmigkeit also lohnte. Dennoch erfand sich's zu seiner Zeit, dass Gott getreu war über alles Hoffen, Ahnen und Bitten weit hinaus! Die Tränensaat verwandelt sich schließlich bei allen wahren Gottesknechten in eine unaussprechlich selige Freudenernte. Hier auf Erden schon wird Keiner zu Schanden, der seiner harrt. Er empfängt hier schon, durch Gottes Nahesein, einen innerlichen Frieden, eine Stille der Seele, einen unvergänglichen Freudensamen, ein Element himmlischer, lichter Hoffnung, wogegen alle Freuden, die die Welt bietet, sich nur verhalten wie das bunte durchsichtige Glas zum dunkelglühenden Edelstein. Was wird es aber sein, wenn er als Gottes Kind, im Kranz der Herrlichkeit, offenbar werden wird? Dann wird sich unsere ganze Lebenserfahrung in die beiden Sätze zusammenfassen: Gott ist Treue und Liebe, die Sünde aber ist Betrug.
Gott ist getreu!
Vergiss o Seel' es nicht,
Wie zärtlich treu Er ist;
Gott treu zu sein, sei deine liebste Pflicht,
Weil du so wert Ihm bist.
Halt fest an Gott, sei treu im Glauben,
Lass nichts den starken Trost dir rauben:
Gott ist getreu! (Otto Funcke)