Das Geheimnis des Glaubens.

Das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen haben, das zählt der Apostel Paulus 1 Tim. 3,9. zu den Eigenschaften eines rechten Dieners der Gemeine. Das Wesen, die Kraft, Wirkung und Frucht des Glaubens ist ein Geheimnis, nicht denen, die da glauben, denn die wissen und erfahren, was des Glaubens ist, sondern denen, die nicht glauben. Daher vermutet die Welt unter den Gläubigen allerlei geheime Lehren, geheime Kennzeichen, geheime Gottesdienste und dergleichen, und hat eine große Neugierde, hinter die vermutlichen Heimlichkeiten der Gläubigen zu kommen. Heimlichkeiten der Art, wie die Welt sie vermutet, haben sie freilich nicht. Der, an den sie glauben, so wie das, was sie glauben, Jesus Christus und sein Evangelium, wird ja aller Welt gepredigt; und außer dem, was zur Lehre geschrieben steht, haben sie keine geheimen Lehren, und sind bereit zur Verantwortung jedermann, der Grund fordert der Hoffnung, die in ihnen ist. Auch haben sie keine Kennzeichen unter einander, die sie vor der Welt geheim halten, sondern erkennen sich an demselben Glauben, in dem sie sich als der eines Vaters, als Erlöste eines Heilandes und Tempel eines Geistes unter einander lieb haben, nach des Herrn Gebot: „Dabei wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt.“ Die neugierige Welt würde auch keine geheimen Gottesdienste und Gebräuche in ihren Häusern und Kämmerlein entdecken, sondern nur finden, dass sie den Namen des Herrn im Gebet anrufen, sein Wort unter sich reichlich wohnen lassen, sich unter einander lehren und ermahnen, und mit Psalmen, Lobgesängen und lieblichen geistlichen Liedern den Herrn loben und preisen. Aber wenn die Welt hinter dem Glauben der Christen etwas Geheimes und ihr Verborgenes vermutet, so muss man ihr Recht geben. Was der Glaube, als Gottes Gabe, ist, was er von Gott empfängt, wie er wirkt und Frucht bringt, das ist eben das Geheimnis des Glaubens, hinter welches man nicht anders als durch den Glauben kommt. Das Evangelium lesen oder hören, kann alle Welt, aber als Kraft Gottes zur Seligkeit wird es nur von denen erfahren, die da glauben; diese Erfahrung ist Geheimnis des Glaubens. Und so ist das ganze Glaubensleben denen, die nicht glauben, ein Geheimnis. Treibt dich nun, nicht fleischliche Neugierde, sondern herzliche Heilsbegierde, hinter dieses Geheimnis zu kommen, sieh es, höre und betrachte Gottes Wort mit rechter Andacht, denn der Glaube kommt aus der Predigt; so bitte Gott um den wahren Glauben, und, wenn es dir gegeben wird zu glauben und deines Glaubens zu leben, so bewahre das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen. Denn es steht geschrieben Ps. 25,14: „Das Geheimnis des Herrn ist unter denen, die ihn fürchten und seinen Bund lässt er sie wissen.“ Ja, siehe wohl zu, dass du habest den Glauben und gutes Gewissen, welches etliche von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch gelitten haben (2 Tim. 1,19.). Folge solchen nicht, sondern habe und behalte das Geheimnis des Glaubens in reinem Gewissen. Denn der Herr hat Gräuel an den Abtrünnigen, und sein Geheimnis ist bei den Frommen (Spr. Sal. 3,32.). (Carl Philipp Johann Spitta)