2. Thessalonicher 1,6
Andachten
Nachdem es recht ist bei Gott, zu vergelten Trübsal denen, die euch Trübsal anlegen; euch aber, die ihr Trübsal leidet, Ruhe mit uns, wenn nun der Herr Jesus wird offenbart werden vom Himmel samt den Engeln seiner Kraft.
Große Lehre von der Gerechtigkeit des Herrn! Es ist dem Christen so leicht, von der Gerechtigkeit Gottes abzusehen und ihre Verherrlichung nicht zu begehren, weil er ja rein aus Gnaden und Barmherzigkeit lebt. So barmherzig ist Gott gegen uns, dass die Gerechtigkeit in unsern Augen zurücktritt. Und doch ist dieses Zurücktreten der Gerechtigkeit, dieses alleinige Bedenken und Betrachten der Gnade ein Zeichen unvollkommener Auffassung der Wege Gottes. Von dem Kreuze auf Golgatha bis zu den Feuerzeichen des jüngsten Tages ist das Christentum und seine Geschichte eine Vereinigung der Barmherzigkeit und Gerechtigkeit. Scheinen sich beide zu widersprechen, wissen wir sie nicht zu vereinigen: Gott wusste und weiß es, und sein großes Lob im Leben und in der Geschichte der Welt wie der Kirche heißt: Gerecht und barmherzig ist der Herr.“ Darum schreien auch die Seelen der heiligen Märtyrer unter dem Altare (Offenb. 6, 9. 10) um Gerechtigkeit und Rache, als um die Vollendung der Geschichte, und wer unter uns irgend nach Vollkommenheit trachtet, muss lernen, sich in Barmherzigkeit hüllen und um Gerechtigkeit beten. Bei solchem Sinne versteht man dann auch Aussprüche wie diesen, welcher den Thessalonichern wie zum Trost in ihren Leiden die schrecklichen Gerichte Gottes über die Welt verheißt. Der schwächliche Christ weiß nicht, wie er das vereinigen soll, was St. Paulus zusammenfüget: Qual der Verdammten, ewiges Verderben und Ruhe, Erquickung der Heiligen. Lazarus gegenüber der offenen Hölle scheint gar keine Ruhe haben und finden zu können. Seine gerechte Ruhe und die gerechte Strafe des Reichen scheinen sich zu widersprechen, die Ruhe gestört zu werden durch die Aussicht auf fremde Qual. Das scheint aber nur, es scheint nur dem schwächlichen Sinn und Gefühl jetziger Christen so. Da Gott gerecht ist, gerecht im Gnadenlohne (so barmherzig er dabei ist), gerecht in der Strafe, so fassen die Apostel beiderlei Gerechtigkeit zusammen und wer ihnen nachwandelt, der sehnt sich wenigstens, den Gegensatz des Gerichts und der Barmherzigkeit, des Lohnes und der Strafe zu ertragen, und mit den heiligen Märtyrern unter dem Altare um Rache beten zu können, während doch Liebe und Friede und Erquickung die Tiefe des Geistes bewegt. (Wilhelm Löhe)