Philipper 2,12
Andachten
Wirket euer Heil mit Furcht und Zittern - damit ihr ohne Tadel und lauter seid, als unsträfliche Kinder Gottes mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlechte, unter welchem ihr leuchtet als Himmels-Lichter in der Welt, indem ihr festhaltet am Worte des Lebens, mir zum Ruhm am Tage Christi, dass ich nicht vergeblich gelaufen, noch vergeblich gearbeitet habe.
Wie könnte es einem Lehrer, einem Vater oder einer Mutter gleichgültig sein, ob die, an denen man arbeitet, gedeihen oder nicht? Welche Freude für jeden Gärtner, wenn seine Pflanzen wachsen, seine Bäume Früchte bringen! Welche Freude für den Landbauer, wenn sein Acker, den er mit Mühe gepflügt, im Schweiße besäet hat, reichliche Ernte gibt. Doch freuet man sich mit Zittern und bittet die, an denen man arbeitet, wie Paulus die Philipper bat: Fürchtet euch vor euch selbst, zittert vor eurer Schwachheit und Geneigtheit zum Schlafe, zur Sicherheit, zur Trägheit und lasst euch diese heilsame Furcht (denn knechtische Furcht sei fern von euch!), dieses von der Gnade erweckte Zittern nicht verzagt machen, sondern vielmehr treiben, desto mehr auf den Herrn zu vertrauen, der Wollen und Vollbringen in euch wirken kann und will; dass ihr wirklich Lichter in der finstern Welt seid, dass ihr durch euren frommen Wandel euch so auszeichnet und unterscheidet von den Ungeschlachten, wie sich die Sonne von der Nacht unterscheidet. So sollt ihr da stehen, wo ihr stehet, in eurem Hause, in eurer Familie, oder in der Umgebung, in dem Kreise, in dem ihr lebet, wie ein Licht auf dem Leuchter; so solltet ihr euer Licht leuchten lassen, dass es den finstern, blinden Ungläubigen in die Augen falle, dass sie fragen: wo kommt dies Licht her? Dann weiset ihr auf den, der euer Licht ist und der alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen. Haltet fest am Worte des Lebens, so werdet ihr leben und leuchten. Wo Leben ist, wo lebendiges Wort ist, wo das Wort lebt im Herzen, da ist Licht, da bricht es heraus und leuchtet. Wo aber nur das tote Wort in Kopf gefasst ist und auf der Lippe schwebt, da ist kein Licht und keine Wärme des Lebens, sondern Tod und Finsternis; da ist keine Erbauung, kein Wachstum, kein Wirken des Heils. Und solche sollten billig anfangen mit Furcht und Zittern, vor ihrem toten Wesen, ihr Heil zu suchen und zu wirken. (Johannes Evangelista Gossner)
Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
Dieser kurze, aber nachdrückliche Ausspruch des Apostels Paulus ermuntere mich aufs Neue am Abend des heutigen Tages zur ernstlichen Sorgfalt für meine eigene und Anderer Seligkeit. Es ist unglaublich, wie sorglos die Menschen in Ansehung ihrer eigenen und Anderer Seligkeit sein können. Gemeiniglich ist das Geschäft ihrer Seligkeit das Letzte, was sie vornehmen. Sie haben so viel Anderes, ihrer Vorstellung nach Wichtigeres für sich selbst und Andere zu sorgen und zu schaffen, sie haben Fleiß anzuwenden, dass sie oder die Ihrigen geschickt, reich, brauchbar für diese Welt werden, und vergessen darüber ganz, zu schaffen, dass sie selig werden. Und wenn dann auch der Geist Gottes durchs Wort der Wahrheit sie zu dem Wunsch, zu einigem Bestreben, zu einiger Bemühung, selig zu werden, erweckt hat, wie leicht nehmen sie’s oft noch! Und wenn sie endlich auch für sich selbst mit redlichem Ernste trachten, dass sie selig werden, wie träg und nachlässig sind sie nicht, an Anderer Seligkeit zu arbeiten! Nicht so! sagt der Apostel, sondern schaffet, dass ihr selig werdet, arbeitet an eurer gemeinschaftlichen Wohlfahrt und Seligkeit in meiner Abwesenheit so gut, als während meiner Gegenwart fort mit Furcht und Zittern.
Mit Furcht und Zittern etwas tun heißt in der Bibel gewöhnlich etwas mit allem Bedacht, mit allem Ernst, mit der größten Sorgfalt tun. In diesem Sinn ermahnt Paulus Eph. 6,5. die Knechte, dass sie ihren leiblichen Herren mit Furcht und Zittern gehorsam sein sollen, mit einer solchen edlen Einfalt des Herzens, als ob sie Christo diesen Gehorsam zu beweisen hätten. Und 2 Kor. 7,15. verbindet er auch wieder Gehorsam und Furcht und Zittern, da er von Titus sagt: er gedenke an ihrer aller (der Korinther) Gehorsam, wie sie ihn mit Furcht und Zittern haben aufgenommen. Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern, heißt demnach: arbeitet an eurer eignen und Anderer Seligkeit mit solchem Bedacht, mit solchem Ernst, mit so gewissenhafter Treue und Sorgfalt fort, wie ein Knecht oder eine Magd unter den Augen ihrer Herrschaft, gegen welche sie Ehrfurcht haben, zu arbeiten pflegen. Ja, denkst du vielleicht, ich bin ein schwacher Mensch: wohlan! Paulus setzt deswegen gleich V. 13. hinzu: denn Gott ist’s, der in euch wirkt beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen. Ihr könnt’s freilich nicht, aber Gott kann’s. Schon dass ihr wollt, ist ein Zeichen, dass Gott etwas in euch gewirkt hat. Gott, der mit Seinen Wirkungen zu Belebung eurer Erkenntnis den Anfang gemacht, und einen guten Willen, eine Lust, selbst selig zu werden, und Andere selig zu machen, gewirkt hat, wirkt auch das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, wirkt, wenn ihr nur die einmal geschenkte Kraft gebraucht, zu schaffen, dass ihr selig werdet, aufs Neue, und immer wieder aufs Neue in euch. Gott ist’s, der in euch wirkt beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen: aber ihr seid’s, die durch Gottes Wirkung im Anfang und Fortgang der Bekehrung Kräfte empfangen, zu wollen und zu vollbringen das Gute, und zu schaffen, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern.
Gott wirke auch in mir beide, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen, und setze mich dadurch in den Stand, an meiner und Anderer Seligkeit mit redlichem Bedacht und gewissenhafter Sorgfalt zu arbeiten. (Magnus Friedrich Roos)
Schaffet, dass ihr selig werdet mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen nach Seinem Wohlgefallen.
Beides muss ich haben, sowohl das Wollen als auch das Vollbringen, und beides kann ich mir selbst nicht geben. Beides ist Gottes Werk in mir. Was wäre mein Wollen, wenn es vom Vollbringen geschieden bliebe und sich nicht im Wirken vollendete? Das Gute wollen, aber nicht vollbringen nannte Paulus mit gutem Grund einen geplagten, mühsamen Stand, von dem wir erlöst werden müssen. Aus Gottes Hand empfangen wir nicht gute Gesinnung, die nichts hervorbringt, weil sie bloß Gesinnung sein will, nicht einen guten Willen, der beständig scheitert, wenn er handeln soll, sondern Wollen und Vollbringen ist Gottes Gabe. Ebenso deutlich ist aber, dass uns mit dem Vollbringen allein nicht geholfen wäre. Ein Wirken, in dem keine Liebe und keine Seele steckt, ein Dienst, den wir uns gegen unseren Willen abzwingen, ist ebenso sehr ein Jammer als das bloße Wünschen und Wollen, das nicht handeln kann.
Wie unnütz und unfruchtbar bleibt auch emsiges Wirken, wenn es im erzwungenen Gottesdienst stecken bleibt, den wir nur deshalb, weil wir müssen, ableisten! Vollends wenn wir an das Ziel denken, von dem Paulus redet, daran, dass wir unsere Seligkeit zu wirken und unsere Rettung zu gewinnen haben, die uns von Gericht, Schuld und Strafe befreit, wie sollten wir zu diesem Ziel gelangen ohne ein Wollen, das zum Vollbringen wird, und ohne ein Vollbringen, das aus unserem gesammelten, ernsten Wollen erwächst? Beides, sagt mir Paulus, brauchst du und beides gibt dir Gott. Er bewegt dich von innen her im Grund deines Lebens und er bereitet dir auch die Gelegenheit, die du zum Handeln brauchst. Die innere und die äußere Seite deines Lebens steht unter seiner Leitung und seine Gnade ist die von außen und von innen dich führende Macht. Nun wolle und wirke. Wozu gibt mir Gott das Wollen? Eben dazu, dass ich will. Wozu bereitet er mir das Wirken? Dazu, damit ich handle und arbeite und das Werk vollende, das mir zugewiesen ist. Wirke aber, sagt mir Paulus, mit Furcht und Zittern, eben deshalb, weil Gott es ist, der dir das Wollen und Vollbringen schenkt. Was von Gott gegeben wird, muss mit Sorgfalt erfasst und bewahrt werden. Ich darf das nicht verschleudern und verderben, was er mir gibt. Von Gott geschenktes Wollen darf ich nicht durch meinen Widerwillen entkräften und von Gott mir bereitetes Wirken verpflichtet mich zur ernst erwogenen und sorgsam vollzogenen Tat. Weil aber die Furcht an dem entsteht, was Gott mir gibt, bleibt sie mit dem Glauben eins.
Wie könnte ich übermütig und eigenwillig werden, da ich, heiliger Gott, unter dein Wohlgefallen gestellt bin? Damit geschehe, was Dein Wohlgefallen beschlossen hat, handelst Du an uns nach deiner Gnade und führt du uns mit starker Hand durch alles hindurch, was uns als Gefahr umringt. Gib mir, dass ich bewahre, was Du mir gibst, und dorthin gehe, wohin Du mich rufst. Amen. (Adolf Schlatter)