Philipper 1,3
Andachten
„Ich danke meinem Gott, so oft ich eurer gedenke.“
Sind wir andern solch ein Gegenstand freudigen Dankes? Oder liegt die Gefahr näher, dass sie über uns vor Gott seufzen? Haben wir andere Christen, über die wir Gott danken? Was für innige, feine Beziehungen hat der Apostel zu den Philippern, dass er ihnen von seinem Gebetsleben diesen einen Zug mitteilen darf! Bei uns mischt sich meistens so viel Menschliches in das von Gott gewirkte neue Leben, dass wir wohl nur sehr selten in die Lage kommen, so zu danken, wie der Apostel es tut. Bald liegt der Fehler an uns, bald an den Seelen, denen unsere Arbeit galt. Oder sind heutzutage die religiösen Erweckungen überhaupt nicht so tiefgehend und allumfassend, dass man viel Rühmens machen darf? Hält sich der Dank für eine Erweckung, wenn die Begeisterung doch verrauscht und die Frischerweckten für die Dauer nur mittelmäßige Christen abgeben? Aber wir wollen nicht nur die Kritik reden lassen - der eine Umstand ist doch des Dankes und der freudigen Erhebung wert, dass überhaupt Leben von oben gezeugt wird und Feinde Jesu herumgeholt werden. Über dem, was Gottes Geist da wirkt, können wir doch dankbar uns beugen; unsere und unserer Gemeinden Schuld nachher aber wollen wir erkennen und ihm bringen in unserer Fürbitte.
Herr Jesus, du bist Priester und Versühner aller deiner Diener. Lass uns die Vergebung aller unserer Arbeitsfehler erfahren und nimm dich deiner Herde besser an, als wir es vermöchten. Amen. (Samuel Keller)
Ich danke meinem Gott, so oft ich euer Gedenke, welches ich allezeit tue in alle meinem Gebet für euch Alle, und tue das Gebet mit Freuden, über eurer Gemeinschaft am Evangelio.
Der Spruch, den wir diesmal vor uns haben, fasst eine Gratulation in sich, welche die Form einer Danksagung gegen Gott bekommen hat. Mit herzlichem Vergnügen und mit innigster Danksagung gegen Gott gratuliert also der Apostel Paulus seinen gläubigen Philippern über einer Sache, die von größter Wichtigkeit sein muss, wenn seine Worte und Ausdrücke mit gebührender Achtung angenommen werden. Und was war denn die Sache, wovon sein Herz und Mund und Feder so reichlich überfloss? - Über eurer Gemeinschaft am Evangelio, sagt er. Das Evangelium ist die erwünschte Nachricht, dass Gott nach dem Reichtum Seiner Barmherzigkeit uns armen verschuldeten und verlorenen Sündern Seinen eingeborenen Sohn zum Versühner und Erlöser geschenkt – und dass dieser eingeborne Sohn Gottes durch Sein Leiden, Tod und Auferstehung uns Gnade, Vergebung der Sünden, Friede mit Gott, Leben und Seligkeit erworben habe.
Wer nun dieses Evangelium nicht nur hört, liest und betrachtet, und sich mit dem Munde dazu bekennt als zu einer von Gott geoffenbarten Wahrheit, sondern demselben auch mit Überzeugung beipflichtet, und die kraft desselben zur Beruhigung seines Gewissens vor Gott und zur Freude seines Herzens an der durch Christum erworbenen Gnade erfährt; wer in allem Ernst glauben und sich dafür halten kann, dass er Gott versühnt sei durch den Tod Seines Sohnes, und sich also vor keinem Urteil der Verdammnis mehr zu fürchten, sondern lauter väterliche Huld und Liebe, Geduld und Nachsicht bei vorkommenden Mängeln und Gebrechen – aber auch täglichen Zufluss nötiger Geisteskraft zu Überwindung der Sünde und zum Wandel im Licht zu warten habe; ja dass ihm, als einem in Christo zur Kindschaft Gottes aufgenommenen Menschen, in der zukünftigen Ewigkeit ein unvergängliches unbeflecktes und unverwelkliches Erbe himmlischer Güter und Ergötzlichkeiten gut stehe, gegen welchem aller irdische Reichtum, Pracht und Herrlichkeit nur für Schaum und Spreu zu rechnen sind: - wer das Alles von Herzen glauben, und sich dieser Vorzüge in demütiger dankbarer Zuversicht anmaßen und getrösten kann, der hat eben damit Gemeinschaft am Evangelio. Zugleich aber findet er in den hohen Gütern, womit ihn Gott um Christi willen begnadiget hat, den kräftigsten Beweggrund, sich anderer Gläubigen, als seiner Mitgenossen an der Gnade des Lebens, unter allerlei Bedürfnissen liebreich anzunehmen, und beweist es in der Tat, dass der wahre Glaube durch die Liebe tätig ist, vergl. Phil. 4,10.15. f.
Welch‘ eine große Sache, welch‘ ein hohes Glück ist es demnach um die Gemeinschaft am Evangelio! Wer sie hat, danke Gott mit Freuden dafür. Wer sie aber auch bei Anderen wahrnimmt, danke Gott ebenfalls mit Freuden dafür, und bitte Gott, dass Er solche Leute in dieser Gemeinschaft erhalte und befestige. Sie ist unendlich mehr wert als alle Gemeinschaft, welche die Menschen im Studieren, in der Handelschaft, in Ehrenämtern, und in eitlen Zusammenkünften und Ergötzlichkeiten mit einander haben. Diejenigen, die bis an ihr Ende eine Gemeinschaft am Evangelio mit einander haben, werden auch mit einander das Reich erben, welches der himmlische Vater den Auserwählten bereitet hat. (Magnus Friedrich Roos)