Epheser 4,22
Andachten
So legt nun von euch ab nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verdirbt.
Wenn der alte Mensch nicht überwunden wird durch die Kraft Christi, wenn er nicht geschwächt und getötet und mit Christo gekreuzigt wird, so wächst er, er wird stärker und mächtiger, es gibt da keinen Stillstand, die Sünde wurzelt immer mehr ein, es gibt zuletzt eine wahre Fertigkeit im Sündigen, das Gewissen schweigt je mehr und mehr, und wird für das Wort Gottes immer unzugänglicher, für die Wahrheit immer abgestumpfter, so dass es endlich geht, wie der Apostel sagt: dass der alte Mensch durch Lüste in Irrtum sich verderbt. Es geht von Irrtum zu Irrtum, von Ungerechtigkeit zu Ungerechtigkeit; man hält das Wort Gottes nach und nach für eine Fabel, das wahre Christentum für eine Schwärmerei; man schneidet und künstelt und modelt am Wort der Wahrheit; das geistliche Gehör geht verloren; man gerät und verderbt sich je mehr und mehr in die Lüge hinein; man gibt seinen Sünden nun gute Namen: die Lüge nennt man Weltklugheit, den Zorn gerechten Amtseifer, das faule Geschwätz die Kunst zu unterhalten, den feinen oder groben Diebstahl die Kunst zu leben. Seht da die ganze Gestalt eines unbekehrten Menschen; so wandelt er auf der breiten Straße bis in die Ewigkeit hinein; so taumelt er fort, blind und töricht, bis es heißt: jetzt, Mensch! stehst du am Ziel. Daher kommt es denn auch, dass Viele so gelassen und stumpf auf dem Totenbett liegen und so gleichgültig an die Ewigkeit denken; warum zittern und beben sie nicht, da es doch dem Gericht Gottes zugeht? Ich habe Gutes getan, ist da die Antwort; ich weiß von keinen sonderlichen Sünden, die ich mir hätte zu Schulden kommen lassen, womit ich die Hölle verdient hätte. Wer noch Ohren hat zu hören, der höre doch, ehe ihm die Posaune des Gerichts an jenem Tag in die Ohren gellt! Wer noch Augen hat zu sehen, der reibe sich doch den Schlaf von der Stirn, ehe die Blitze des Richters ihm in das Gesicht hineinleuchten. „So wache doch auf, der du schläfst, und stehe auf von den Toten, du Toter, so wird dich Christus erleuchten.“ (Ludwig Hofacker)
So legt nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste in Irrtum sich verderbt; erneuert euch aber im Geist eures Gemüts; und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Der Leib hat viele Glieder, und die Sünde viele Richtungen. Das gesamte Sündenwesen in uns nennt die Schrift den alten Menschen, und was diesem Grundverderben Kraft und Nahrung gibt, das sind die Lüste, die wider die Seele streiten. Der alte Mensch verderbt sich durch die Lüste, und das, wonach der alte Mensch jagt, ist ein Irrtum. Wenn die Sünde nämlich erhalten hat, was sie wollte, so ist die Frucht des Erjagten ein höllischer Betrug; aus einem Schlangenei kommt eine Otter, und Spinnweben geben ein Gewand, das zerreißt. Wem sein Leben lieb ist, der erneure sich im Geist des Gemüts und ziehe die Schlangenhaut aus; und wer will, der kann, dem hilft Gott, dazu ist Jesus gekommen, dazu gießt er aus von seinem Geist.
Aber die Erneuerung muss geschehen im Geist des Gemüts; der Apostel meint den Sitz des Göttlichen im Menschen. Ein neuer Lappen auf, ein altes Kleid macht den Riss nur größer, und einzelne Änderungen im Betragen, wo das ganze Haupt krank, und das ganze Herz matt ist, machen nur einen Pharisäer, keinen Christen. Es muss ein neues Blut in den Kranken kommen, wenn er soll gesunden. Die Grundgesinnung muss anders werden, nicht der oder jene Fleck des Lebens. Im Geist des Gemüts, da, wo Gott redet, wirkt und seine Siege anfängt, muss ihm wiederum Gehör gegeben werden; was herrschen sollte, muss wieder herrschen, was dienen sollte, muss sich bücken. So kommt es zu einem neuen Menschen, denn wie es ein gegliedertes Sündenwesen gibt, so gibt es auch ein Gnadenwerk, das nach allen Richtungen des Herzens den Menschen verändert, reinigt und wieder Gott ähnlich macht. Dieser neue Mensch muss angezogen oder im Glauben ergriffen werden; das Leben Christi wird dem Sünder aus Gnaden mitgeteilt, wenn der alte Mensch den Todesstoß erhalten hat, und so wirft Gott dann statt der unflätigen eine rechtschaffene Gerechtigkeit, und statt der Lüste, die in lauter Irrtum hinein verderbten, einen Zustand von Heiligfeit und allmähliger Verklärung. (Friedrich Lobstein)
So legt nun von euch ab, nach dem vorigen Wandel, den alten Menschen, der durch Lüste im Irrtum sich verdirbt. Erneuert euch aber im Geist eures Gemüts, und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Das, was zu erneuern ist, nennt der Apostel „den Geist des Gemüts, d. h. den innersten Grund der Seele, den Verstand, das Gemüt als den Ursprung der Gedanken, das Gedächtnis, den Willen, das Herz als den Sitz der Gefühle und Bewegungen. Die Erneuerung muss ihren Anfang nehmen in dem Geist des Gemüts, weil die Buße da anfangen muss, wo die Sünde ihren Ursprung hat. Die Sünde aber entspringt aus dem Herzen. Adam sündigte nicht vornehmlich durch den Apfelbiss, sondern durch den Ungehorsam des Herzens. Die böse Lust, die im Herzen steckt, ist das vergiftete Meer, aus welchem alle Sünden wie die Flüsse hervorquellen, und der Acker, aus welchem alle Sünde wie das Unkraut wächst. Im Herzen liegt der Same und Wust aller Sünden verborgen. Könnten wir einen Blick ins Herz tun und den Gräuel der Verwüstung sehen, die abgöttischen, heillosen, unzüchtigen, verleumderischen Gedanken und Begierden, mit welchen es erfüllt ist, wir würden vor Scham und Gram vergehen. Es mag keine so abscheuliche Sünde genannt oder ersonnen werden, zu welcher nicht der Heiligste von Natur geneigt wäre, und die er nicht vollbringen würde, wenn Gott die Hand abzöge und ihn gehen ließe nach seines Herzens Sinn. Soll nun der Mensch durch die Buße neu werden, so muss der inwendige Grund wohl ausgefegt sein. Das Herz ist die Quelle des Lebens. Unmöglich ist es, dass ein reines Leben aus einem unreinen Herzen komme. Vergeblich ist es, dass du dich bemühst, deine sündlichen Werke abzutun, wenn du nicht darauf bedacht bist, dass du die sündlichen Lüste tötest; denn so lange man dem Baume die Wurzel lässt, können die Zweige immer wieder wachsen, ob man sie gleich jährlich abhaut. Die Person muss zuvor Gott angenehm sein, ehe die Werke gefallen können. Der Glaube macht uns angenehm vor Gott durch Christum; der Glaube aber liegt tief im Herzen verborgen. Was aus dem Glauben kommen soll, muss aus dem innersten Grund des Herzens kommen; darum spricht die Schrift, dass Gott das Herz erforsche und von den Werken nach dem Herzen richte.
Die Erneuerung des Herzens ist nicht ein Werk freien Willens und eigener Kraft, sondern göttlicher Gnade. Wie es unmöglich ist, dass ein Mensch sich selbst gebäre und ein Toter sich selbst lebendig mache, dass ein Strom sich selbst umkehre und wieder den Berg hinauf laufe, von welchem er herabgeflossen ist: so ist es auch unmöglich, dass der Mensch sich selbst fromm und neu machen kann. Wenn Paulus seine Philipper ermahnt: „Schafft, dass ihr selig werdet, mit Furcht und Zittern“; so fügt er unmittelbar hinzu: „Denn Gott ist es, der in euch wirkt beides, das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen“ (Phil. 2, 13). All unser Schaffen besteht nur darin, dass wir Gott vertrauen und unsere Seligkeit von ihm durch sorgfältigen Gebrauch aller möglichen und heiligen Mittel erhalten. Weil dann die Erneuerung ein Gnadenwerk Gottes ist, muss niemand die Gnade Gottes vergeblich empfangen, das Wort verachten, durch welches die Gnade wirkt, und die gute Bewegung des Heiligen Geistes dämpfen, sondern das Wort annehmen und Gott bitten, dass er durch seine Kraft den Geist des Gemüts rühren, erleuchten, anzünden und umkehren wolle. Niemand denke, er wolle die Ergötzung der Sünde noch eine Zeit lang genießen und doch wohl fromm werden, ehe der Tod zu ihm komme. Ach nein, die Erneuerung steht nicht in unsern, sondern in Gottes Händen. Will der Mensch nicht, wenn Gott will, so will Gott auch wieder nicht, wenn der Mensch will. In seinen Händen steht es, darum lasst uns auftun, wenn er anklopft. Wer weiß, ob morgen die Gnadentür nicht verschlossen sei. (Heinrich Müller)