Epheser 3,18
Andachten
Auf dass ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe; auch erkennen die Liebe Christi, die doch alle Erkenntnis übertrifft.
Hat Gott uns so hoch geliebt, so muss auch alles daran gesetzt werden, die Kindschaft Gottes in Christo JEsu der ganzen Welt darzubieten. Da habt ihr wieder den Missionsgedanken. Es ist eine erhabene Aufgabe, tief gesunkene Menschen zum Adel der Kindschaft Gottes zu erheben. Die Selbstsucht hat es ihren Spott, der Liebe ist's ein mächtiger Sporn. Wie der Mission kein Volk zu tief steht, so steht ihr auch keins zu hoch, dass sie ihm nicht den Weg zur Kindschaft Gottes zeigte. Aber freilich, etwas von der Höhe der göttlichen Liebe muss da sein, sonst fehlt die Begeisterung. Wer ein Gehilfe Gottes in der Rettung der Sünderwelt sein will, in dem muss auch dieselbe Macht wirksam sein, die in Gott die Sendung des eingeborenen Sohnes bewirkte. Diese Macht ist die Liebe. Und wie wird diese Macht in uns wirksam? Ich weiß keinen anderen Weg, als den der fromme Tersteegen angab:
Wie die zarten Blumen
Willig sich entfalten
Und der Sonne stille halten,
Lass mich so,
Still und froh
Deine Strahlen fassen
Und Dich wirken lassen!
Amen. (Gustav Adolf Warneck.)
Auf dass ihr begreifen möget mit allen Heiligen, welches da sei die Breite und die Länge und die Tiefe und die Höhe.
Das Begreifen kommt erst nach dem Haben. So lange man noch nichts im Herzen hat, begreift man auch noch nichts. Ist aber endlich ein Werk Gottes begonnen und hat das Leben Christi in dem Herzen Wurzel gefasst, so erfährt man dann auch die Liebe Gottes nach allen Richtungen hin. Erst die Heiligen, d. h. die Seelen, die sich geschieden haben von dem ungöttlichen Wesen und den Lüsten der Welt, erkennen, dass nichts so breit, so lang, so tief, noch so hoch ist, als die Liebe Gottes in Christo Jesu, unserm Herrn. Die Breite derselben geht ja rechts und links nach allen Völkern und Nationen, weil in dem Vaterhause noch Raum ist. Die Länge derselben hat ja keinen andern Maßstab, als die Ewigkeit; man gehe vorwärts und rückwärts, so weit man wolle, so findet man dieselbe Liebe. Sie hat auch eine Tiefe, die in alle Abgründe bineinreicht und den verworfensten Sünder, auch einen Schächer am Kreuz, in der elften Stunde noch annimmt. Sie hat endlich eine Höhe, die bis zum Sitz der Herrlichkeit hinaufreicht, und den ärmsten begnadigten Sünder auf dieselbe Linie stellt mit dem Sohne Gottes. Man vergleiche nun mit dieser Liebe die unsrige, in ihrer Kargheit und Selbstsucht. Diese, statt der göttlichen Breite, hat eine Engherzigkeit, die nur die umfasst, die uns wieder lieben und uns am meisten Genuss verschaffen. Statt der göttlichen Länge hat sie eine Kürze, die gleich aufhört, wo das Ehrgefühl beleidigt worden ist, oder das Interesse Not leidet. Statt der göttlichen Tiefe hat sie eine Oberflächlichkeit, die zufrieden ist, wenn man eine Kleinigkeit gegeben, oder auf der Haut etwas geheilt hat; ins Herz des Elendes, oder der Bedürfnisse dringen, dazu versteht man sich nicht. Statt der göttlichen Höhe endlich hat sie etwas so Niederes, ja oft Niederträchtiges,, dass durch die gewöhnliche Liebe Niemand veredelt wird, noch einen Schritt höher hinauf kommt. Wie Not tut uns ein anderes Begreifen der Liebe und ein rechtes Inwohnen Christi! (Friedrich Lobstein)