Galater 3,21
Andachten
Wenn aber ein Gesetz gegeben wäre, das da könnte lebendig machen, so käme die Gerechtigkeit wahrhaftig aus dem Gesetz. Aber die Schrift hat es alles beschlossen unter die Sünde, auf dass die Verheißung käme durch den Glauben an Jesum Christum, gegeben denen, die da glauben.
Worauf sollen wir unsere Seligkeit stützen und gründen? Worauf anders als auf die Verheißung, als auf das Evangelium, worauf anders als auf die Gnade Gottes in Christo Jesu, die das Erste, das Einzige ist, das Gott an die Menschen und den Menschen an Gott bindet, und die allem zuvorkommt? Sie kommt allem zuvor. Schon vor Jahrtausenden hat Gott, da er Abraham den Samen verhieß, in dem alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollen, auch uns den Weg des Lebens gebahnt. Und dann sind, als die Zeit erfüllt war, in dem auf Golgatha vergossenen Blute seines eingebornen Sohnes auch unsere Sünden alle schon mit getilgt und gefühnt worden. Dann hat er, sowie wir in dieses Leben traten, uns im heiligen Bad der Taufe schon das Siegel seiner Gnade gegeben und uns aufgenommen als sein Eigentum, an dem er seine Barmherzigkeit groß machen will. Und nun will er uns fort und fort in Wort und Sakrament seine Gnade von neuem ans Herz legen, dass wir selig seien in ihm, hier zeitlich und dort ewig. O es ist Gott Ernst, voller Ernst, dass wir selig werden, dass wir alle selig werden. Und er verlangt von uns nichts voraus; wir sollen seine Gnade nur im Glauben hinnehmen. und wir sind selig.
Aber dass das geschehe, dazu muss das Gesetz zwischenein kommen. Das Gesetz muss uns alles unter die Sünde beschlossen haben, das Gesetz muss uns vor Gott gerichtet und verworfen haben, das Gesetz muss uns voll Jammers und voll Elends gemacht haben, wenn unser Herz für die Gnade auftauen und geschickt werden soll. Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern allein die Kranken. Christus ist nicht gekommen, die Gerechten, sondern die Sünder zur Buße zu rufen. Selig werden können nur die Armen, die Trauernden, die Elenden, die Verlorenen, die sich selber nimmer zu helfen wissen, und die dann hineinsinken in die Liebesarme ihres Gottes und Heilandes, damit er sie auffange und sie aufnehme an sein Herz. Ach, sie allein wissen eben, was Gnade heißt, sie allein empfinden es, wie süß die Gnade ist, die die Sünder rettet und die Verlorenen selig macht; sie allein verstehen es, welche Liebe Gott zu uns hat, dass er seinen eingeborenen Sohn gibt und ihn mit seinem Blute für uns eintreten lässt; sie allein können singen und lobpreisen: „Herr, ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an mir tust.“ Die Freude, der Friede, die Seligkeit des Glaubens sprosst nur aus den Schmerzen und Tränen der Buße.
Und das ist nicht mit einemmale abgetan. Wohl im Glauben ruht immer der Friede Gottes, und im Glauben zieht immer die Kraft Gottes ein in das schwache Menschenherz; denn der Glaube macht eins mit Gott. Der Gläubige steht Gott gegenüber als das liebe Kind dem lieben Vater, und der Welt steht er gegenüber als ein Freier, der ihre Fesseln nicht mehr tragen und ihrem Wesen nicht mehr fröhnen darf. Immer süßer wird ihm Gottes Gnade, und immer wird er tüchtiger, Zeugnis zu geben von der weltüberwindenden Macht seines Herrn. Aber an Schwachheit fehlt's auch nicht, kann's nicht fehlen, wird's nicht fehlen, so lange er auf dieser Erde lebt und diesen Leib des Todes an sich trägt. Und da heißt's denn täglich Buße tun, täglich wieder im Glauben sich hineinringen in die Gnade und den Frieden des Herrn. Was der Anfang des neuen Lebens und der Seligkeit ist, bleibt auch das Ende derselben: Gottes vergebende Gnade. Es gibt keinen Punkt im Leben des Gläubigen, wo er sich auf sich selbst stützen könnte; immer muss er von Gottes Gnade alles erflehen und alles empfangen. Und wenn wir einst diesen Leib des Todes ausgezogen haben und gestellet werden vor das Angesicht des Herrn, was werden wir weiter zu sagen haben als: „Herr, ich bin ein armer Sünder; nimm mich auf, sei mir gnädig.“ Gnade, das ist unser Leben. In Gottes versöhnender Gnade, in dem Blute seines Sohnes, ist jede Sünde getilgt, die leichteste wie die schwerste, die erste wie die legte, ist alles unser und wird alles unser, und darum müssen wir uns denn gründen auf Gnade, allein auf Gnade. (Kunel)