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2. Korinther 12,9

2. Korinther 12,9

Andachten

Lass dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!
Zu Paulo sagte der HErr: „Lass dir an Meiner Gnade genügen, Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig!“ So erfüllt Er auch an uns Sein Wort: „Ich will dich in die Wüste führen, aber ich will da freundlich mit dir reden.“ Wie erquickt fühlt sich die Seele, wenn durch das Leiden im Fleisch die Bande, die uns ans Irdische ketten, eins ums andre gelöst und wir so dem Himmel näher gerückt werden! Und wie viele innerlichen Tröstungen und wie viele Verklärung der seligmachenden Wahrheit, unseres ganzen Glaubens, unserer Liebe und Hoffnung, und so viel wichtige Offenbarungen werden unter dem Leiden uns gegeben! Das alles haben wir als Vorgeschmack des ewigen Lebens anzusehen. Ach, kein Mund kann es aus: sprechen, was für Offenbarungen aus der unsichtbaren Welt im Gebet erfahren werden. Wie oft darf man da einstimmen in das Wort: „Fahr hin, was heißet Stund und Zeit, Man ist schon in der Ewigkeit, Wenn man in JEsu lebet“! (Sixtus Carl von Kapff)


Er hat zu mir gesagt: „Lass dir an meiner Gnade genügen.“
„Ich bin dir gnädig“, sagte Jesus zu Paulus, als er durch die peinvollen Qualen erschüttert zu Jesus betete, „und dass ich dir gnädig bin, das ist für dich genug.“ Die Welt ist gegen ihn, die Judenschaft hasst ihn auf den Tod, der Satan sendet seinen Engel, der ihn quält, Paulus ist in sich selbst ohnmächtig und zerbrochen. Eines hat er, nur eines: Jesus ist ihm hold und schenkt ihm seine Gnade, und nun sagt er ihm: „Mehr brauchst du nicht.“ Du brauchst nicht Befreiung von deiner Qual, brauchst nicht einen hell strahlenden Himmel in deiner Seele, brauchst nicht die Bestätigung deines Apostelamts in siegreicher Macht und die Unterstützung durch die Zustimmung und Mitarbeit der Menschen. Was du brauchst, ist einzig das, dass du meine Gnade hast, und diese hast du. Nun, Petrus, sei still, klage nicht mehr, bitte nicht mehr um Befreiung von dem, was dich quält, glaube nur. So wurde Paulus zum Zeugen für die Heilandsmacht Jesu, die sich dadurch in ihrer Herrlichkeit offenbart, dass er alles in seine Gnade, somit alles in unseren Glauben stellt. Weil mit ihm uns alles gegeben ist, dürfen wir glauben, und ist Glauben Gerechtsein und das Leben haben. Das ist schon der Glaube, und allein der Glaube und der Glaube ist es ganz. Das ist die Offenbarung der allmächtigen, vollkommenen Gnade.
O Herr, du ziehst Deine Hand nicht von mir ab, auch wenn ich es nicht zum Glauben bringe, weil mich das bestürmt, was sichtbar ist. Ich sehe den Lauf der Welt und nehme meine Ohnmacht wahr; aber Dein Wort ist bei mir, das mir von Deiner Gnade spricht. Dadurch zeigst du, herrlicher Heiland, uns Deine Herrlichkeit, dass Du uns in den Glauben stellst. Amen. (Adolf Schlatter)


Lass dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Des Apostels Gedanken waren kleinmütiger Art, als Sein Gott ihn mit diesem „köstlichen Gedanken“ tröstete. Ein Pfahl im Fleisch, ein Satansengel, der ihn mit Fäusten schlug - wir vermögen nicht, zu erklären, worin dieses Leiden bestand, und es ist wohl aus weiser Absicht vor unseren Augen verborgen geblieben, damit ein Jeder es auf seinen eigenen Fall und seine Verhältnisse anwenden kann. Denn wer von uns hätte nicht, sei es auch in den verschiedensten und von von einer ähnlichen Prüfung zu sagen? irgend ein Dorn in ein trüber Schatten auf unserem Wege, ein Stein, an welchem der Fuß immer wieder anstößt, schwache Gesundheit, gedrücktes Gemüt, irdischer Verlust, häusliche Trübsal, Kummer in der Familie, die Erfüllung schwerer und mühevoller Pflichten, Treulosigkeit der Freunde, der Stachel verletzten Ehrgefühls, der schwere innere Stampf gegen Anfechtung und Sünde, Gewissensbisse über begangenes Unrecht wovon die Welt nichts weiß, da sie von unserem fortwährenden Kämpfen, von dem unaufhörlichen Stechen des Dornes niemals etwas erfährt. Wie der Apostel zum Herrn gefleht hatte, dass Er ihm dieses Leiben abnehmen möge, so haben auch wir wohl schon inbrünstig gebeten, dass unsere Trübsal uns abgenommen oder doch gemildert würde. Aber auch hier wieder sind unsere Gedanken nicht Gottes Gedanken. Seine Antwort auf die dreimalige Bitte des Apostels war nicht, dass Er die Prüfung aufhören ließ, sondern etwas Besseres - das Versprechen, dass ihm Gnade und Kraft genug geschenkt werden sollte, sie zu tragen. Das musste ihm genügen, und er verlangte nicht mehr vielleicht hat er sich anfangs verwundert über die seltsame Antwort, die so ganz anders ausfiel, als er wünschte und hoffte - aber es kann doch nicht lange gedauert haben, bis er nicht allein völlig zufrieden damit war, sondern auch von Herzen die hohe Weisheit der göttlichen Führung anerkannte - „darum will ich mich am allerliebsten rühmen meiner Schwachheit, auf dass die Kraft Christi bei mir wohne.“

Auf ähnliche Art verfährt Gott auch mit uns. Vielleicht hast du schon oftmals die verborgene Bürde deines Lebens vor den Gnadenthron getragen, und mit heißen Tränen gefleht, dass sie von dir genommen würde - dennoch ist sie geblieben. Aber dein Gebet ist dennoch erhört worden, wenn auch nicht nach deinen Gedanken und Wünschen, so doch nach den höheren Gedanken deines himmlischen Vaters. Der Dorn ist wohl noch da, und verletzt dich, aber du hast Kraft empfangen, es zu ertragen und diese Trübsal, sie sei nun welcher Art sie wolle, hat dich, wie den Paulus, deine Schwäche und deine Abhängigkeit von Gottes Gnade gelehrt.

Gesegnete Zusicherung, dass Gott zu jeder Zeit der Not die erforderliche Kraft, die genügende Gnade uns darreichen will. Er misst sie uns zu, so viel uns nötig ist, Er wird nicht zulassen, dass der Dorn zu tief eindringe, dass die Versuchung größer werde, als wir ertragen können. - „Er weiß die Gottseligen aus der Versuchung zu erlösen.“ 2 Petri 2,9. „Er ist der Gott Israel, Er wird dem Volk Macht und Kraft geben.“ Ps. 68,38.

Sprich meiner Seele herzlich zu,
Und tröste mich aufs beste,
Denn Du bist ja der Müden Ruh,
Der Schwachen Turm und Feste,
Ein Schatten für der Sonnen Hitz,
Ein' Hütte, da ich sicher sitz
Im Sturm und Ungewitter. (John Ross MacDuff)


„Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Ein Haupterfordernis, um Gott dienen zu können und Ihm wohlgefällig zu sein, Gottes Werk gut auszurichten und siegreich hinauszuführen, ist, dass wir selber unsre Schwäche und unser Unvermögen fühlen. Wenn der Streiter Gottes hinauszieht in den Kampf, vertrauend auf die eigene Kraft; wenn er sich rühmt: „Ich weiß, ich werde siegen; mein starker Arm und mein gutes Schwert werden mir den Sieg erringen,“ so ist eine schmähliche Niederlage nicht fern. Gott stehet dem nicht bei, der in eigener Kraft einhergeht. Wer so gewiss auf den Sieg rechnet, rechnet falsch, denn „es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Wer hinauszieht in den Streit und sich seiner Gewandtheit rühmt, des luftiges Panier wird zerreißen und voller Staub wieder zurückkehren, und sein Wappen wird mit Schmach bedeckt sein. Wer Gott dienen will, muss Ihm nach seiner Weise dienen und in seiner Kraft, sonst nimmt Er den Dienst nicht an, und erkennt ihn nicht an. Was der Mensch ohne den göttlichen Gnadenbeistand unternimmt, kann Gott nie und nimmer anerkennen. Die erdentstammten Früchte verwirft der Herr; Er sammelt nur Korn, das vom Himmel herab gesät, von der Gnade betaut, und in der Sonne der göttlichen Liebe gereift ist. Gott schüttet alles aus, was in dir ist, bevor Er sein Eigentum dir anvertraut; Er fegt zuerst deine Tennen aus, ehe Er sie füllt mit dem besten Weizen. Gottes Strom hat Wassers die Fülle; aber nicht ein Tröpflein entspringt irdischen Quellen. Gott will, dass in seinem heiligen Kriege keine andre Kraft kämpfe, als die Kraft, die Er selber gibt. Bist du betrübt über deine Schwachheit? Fasse Mut, denn du musst zuerst deiner Schwäche bewusst werden, ehe dir der Herr Sieg verleiht. Deine innere Leere ist nur eine Zubereitung, dass Er dich erfüllen könne mit seiner Fülle, und wenn Er dich niederwirft, so tut Er‘s nur, um dich aufzurichten.

„Wir sind schwach: bei Ihm ist Stärke;
Sind wir arm, der Herr ist reich!
Unser Gott tut Wunderwerke!
Wer ist unserm König gleich?
Ja, der Herr ist‘s, der uns heilt
Und den Schwachen Kraft erteilt.“ (Charles Haddon Spurgeon)


„Meine Gnade ist genügend für dich: denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
Unsre Schwachheit sollte geschätzt werden, weil sie Raum für göttliche Kraft macht. Wir hätten vielleicht niemals die Macht der Gnade gekannt, wenn wir nicht die Schwachheit der Natur gefühlt hätten. Gelobet sei der Herr für den Pfahl im Fleisch und den Satansengel, wenn sie uns zu der Kraft Gottes treiben.

Die ist ein köstliches Wort von unsres Herrn eignen Lippen. Es hat den Schreiber dieses vor Freude lachen gemacht. Gottes Gnade genug für mich! Ich sollte denken, sie wäre es. Ist nicht der Himmel genug für den Vogel, und der Ozean genug für den Fisch? Der Allgenugsame ist genugsam für meine größten Bedürfnisse. Er, der genügend ist für Erde und Himmel, ist gewiss im Stande, für einen armen Wurm wie mich zu sorgen.

Lasst uns denn auf unsren Gott und seine Gnade uns verlassen. Wenn Er unsren Kummer nicht hinwegnimmt, so wird Er uns instand setzen, ihn zu tragen. Seine Kraft soll in uns eingegossen werden, bis der Wurm die Berge dreschen wird, und ein Nichts soll Sieger über alle Hohen und Mächtigen sein. Es ist besser für uns, Gottes Kraft zu haben, als unsre eigne; denn wenn wir tausendmal so stark wären, wie wir es sind, so würde es im Angesichte des Feindes auf nichts hinauslaufen; und wenn wir schwächer sein könnten, als wir sind, was kaum möglich ist, so vermöchten wir doch alles durch Jesum Christum. (Charles Haddon Spurgeon)


Der HErr hat zu mir gesagt: lass dir an Meiner Gnade genügen.
Wenn wir uns schon keinen deutlichen Begriff davon machen können, wie es zugegangen ist, dass ein satanischer Engel den Apostel Paulus zu seiner heilsamen Demütigung mit Fäusten geschlagen hat, und nicht wissen, ob er sichtbarer oder unsichtbarer Weise von demselben geplagt worden sei, so ist doch aus seiner ganzen Erzählung so viel klar, dass er in der angeführten Stelle von einem außerordentlich schweren und fast unerträglichen Leiden rede, das der HErr über ihn verhängt hatte. Er meldet ausdrücklich, dass er dreimal den HErrn um Abwendung dieser tief einschneidenden Plage sehnlichst angefleht, und doch nichts erlangt habe, als den tröstlichen Zuspruch: lass dir an Meiner Gnade genügen, denn Meine Kraft wird in der Schwachheit vollendet. Es kann also geschehen, und geschieht wirklich nicht selten, dass auch redliche Kinder Gottes und echte Nachfolger Jesu in Umstände geraten, da sie alles menschlichen Trostes entbehren müssen, und unter innerlichen Anfechtungen und äußerlichen Trübsalen an Leib und Seele aufs Empfindlichste angegriffen werden, ja dass auch ihr dringendes Beten und Flehen um Abwendung oder Milderung ihrer Leiden gleichsam wieder auf sie zurückzufallen, und ganz vergeblich zu sein scheint. Wie oft kann ein Gläubiger um Linderung leiblicher Schmerzen, um Unterstützung in Armut und Mangel, um Befreiung von unverdienter Schmach und Schande, um Offenbarung seiner gerechten Sache, um weitere Lebensfrist für diese oder jene Person, die ihm fast unentbehrlich scheint, um sichtbares Gedeihen in seiner Berufsarbeit u. dergl. herzlich und anhaltend beten; und es hat doch das Ansehen, als ob die Not nicht nur nicht vermindert, sondern gar von Tag zu Tag vermehrt würde; ja es erfolgt wohl gar in manchen Betracht das gerade Gegenteil von dem, was er gewünscht und um was er gebetet hatte.

Unter solchen Umständen ist’s nun freilich der Vernunft eine unbegreifliche Sache, dass man dennoch an der Gnade Gottes nicht irre werden, sondern bei dem Allem dennoch die Überzeugung durchbehaupten solle, dass Er uns lieb habe. Leute dieser Welt sind auch oft schnell genug besonnen, das Urteil zu fällen: wenn dieser oder jener bei Gott so wohl daran wäre, als er sich einbildet, warum geht’s ihm dann so fatal? warum schlägt ihm dann eine Verheißung nach der andern fehl, womit er sich getröstet, und worauf er sich verlassen hatte? David musste wenigstens es oft in seine Ohren hinein, dass man täglich zu ihm sagte: wo ist nun dein Gott? und dass man ihn mit seinem Beten höhnisch durchzog. Und wenn auch die Menschen nicht so bösartig sind, dass sie es einem Gläubigen gönnen, wenn ihn der HErr bei seinen Nöten so lange im Warten übt; wenn sie aus natürlicher Gutherzigkeit noch Mitleiden mit ihm haben, so ärgern sie sich doch zuweilen heimlich daran, dass das Gebet des Frommen, wie sich’s äußerlich ansehen lässt, so wenig helfen soll, und dass ihn Gott so vergeblich rufen und schreien lasse. Die arme, blinde Welt! Sie sieht und hört und spürt eben nichts von dem verborgenen Zuspruch, den der HErr den Seinigen mitten unter ihrem Gedränge angedeihen lässt: lass dir an Meiner Gnade genügen!

Wohl uns, wenn wir mit Paulo aus Röm. 8,38. ff. rühmen können: ich bin’s gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentum noch Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Kreatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserem HErrn! (Magnus Friedrich Roos)


Denn Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Allmächtiger Gott, den die Cherubinen ewiglich loben, lass Dich herab zu einem armen, unwürdigen Sünder, der an diesem Morgen dem Schemel Deines Thrones zu nahen wagt. Verleihe mir Deinen heiligen Geist, dass Er mich stärke in meiner Schwachheit Du hast ja verheißen, dass, die auf den Herrn harren, neue Kräfte kriegen sollen. Ich verlasse mich ganz auf Dein Wort und Deine Verheißung, meine Armseligkeit treibt mich zu Deiner Allgenugsamkeit. Lass mich in dem tiefen Gefühl meiner Nichtigkeit und Schwäche mich nicht nach irdischer Zuflucht und Stütze umsehen, sondern gerade aus zu Dir gehen, um unter dem Schirm des Höchsten und dem Schatten des Allmächtigen zu bleiben.

Herr, ich bekenne mit Scham und Reue meine vielfachen Übertretungen, die Lauheit meines Glaubens, das Misstrauen gegen Deine Führung, die Unempfindlichkeit gegen Deine Liebe, das Widerstehen gegen Deine Gnade, das Liebäugeln mit der Sünde. Wie oft hat der Wind der Versuchung mich hin- und hergeweht gleich einem Rohr, und meine besten Vorsätze waren wie der Tau, der frühe vergeht. Dennoch, barmherziger Vater, hast Du das schwache Rohr nicht zerbrochen und das glimmende Docht nicht ausgelöscht. Hier bin ich heute noch, mir selbst zum Wunder, dass Du mich bis hierher verschont hast. Deine Wege sind nicht unsere Wege wären sie es, Du wärst längst schon meiner müde geworden. Aber es ist ja das hohe Vorrecht des ewigen Gottes, dass er niemals müde, noch matt wird - Du gibst mir immer aufs neue Beweise Deiner Gnade und unverdienten Liebe, ja ich empfange zwiefältiges aus Deiner Hand, trotz aller meiner Sünde.

Wie gnädig hast Du versprochen, mein treuer Heiland, dass Du die Mühseligen erquicken willst - so weiß ich auch, dass Du mich keine rauere Straße führst, als es mir nötig ist. Regiere Du denn alles und gib, dass ich heute meine Pilgerreise mit kindlichem Glauben und im Aufsehen auf Dich, den Anfänger und Vollender, fortsetze. Gib Du ein neues Lied in meinen Mund, Lass mich fröhlich singen können von dem Herrn, der mein Fels und meine Burg und mein Erretter ist, meine Stärke, mein Gott, auf den ich traue. Und mitten in meiner Schwachheit wollest Du mir zusprechen: fürchte dich nicht, du Würmlein Jacob. Behüte mich heute vor Sünden, lass keine böse Gedanken, kein eitles Verlangen meinen Blick von Dir abwenden Lass mich immer eingedenk bleiben meiner Schwachheit, damit ich mich an Dein Versöhnungsopfer halte. Liebster Jesu, ich ergreife die Hörner des Altars, meine hilflose Seele hängt sich an Dein Erbarmen.

Blicke auch in Gnaden herunter auf alle meine Lieben, segne jedes Herz und jedes Haus, welches mir teuer ist. Hilf, dass sie alle auf der Straße gen Zion wandeln, und lehre sie dem Irdischen entsagen und droben ihre Heimat suchen. Und wenn wir auch von einander getrennt, verschiedene Wege gehen, so lass uns Alle doch zu dem einen gesegneten Ende und Ziel unsrer Wallfahrt gelangen, auf dass wir in der Ewigkeit mit Dir vereint, uns zusammenfinden. Erhöre mich um Deines Leidens und Sterbens willen. Amen. (John Ross MacDuff)


Er hat zu mir gesagt: lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.
Was der Herr in diesen Worten dem Apostel gesagt hat, das lässt er allein seinen Jüngern in der Predigt von seiner Gnade verkündigen; wo nur immer das Evangelium von dem Einen, was not tut, an die Menschen ergeht, da klingt's immer auch mit: lass dir an meiner Gnade genügen. In diesem Worte wird uns das höchste Ziel, das wir auf unserer Erdenwallfahrt erreichen können, dargestellt, denn in solcher Genügsamkeit sind wir bereit einzugehen in die himmlische Welt, hinzugeben alles, was wir haben, zu sterben in der Gewissheit: wenn mir gleich Leib und Seele verschmachten, so bist du doch, Gott, meines Herzens Trost und mein Teil. Aus solcher Genügsamkeit fließt auch die Kraft, sich genügen lassen an dem, was das irdische Leben uns bietet, ganz zufrieden zu sein mit dem, was Gott fügt. Ohne den Besitz der Gnade, an der man sich genügen lässt, kann es nur geben eine nie zur Ruhe kommende Ungenügsamkeit, weil nichts das Dürsten der Seele zu stillen vermag, oder eine falsche, stumpfsinnige Genügsamkeit, die mit dem Wahlspruch vorlieb nimmt: lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot. Haben wir nun aber die wahre Genügsamkeit, oder müssen wir immer wieder sprechen: meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben? Suchen wir in dem Angesichte Jesu Christi, wie es uns in der Schrift erscheint, die Gnade in ihrer Größe und Herrlichkeit zu erkennen, nehmen wir mit treuem anhaltendem Gebet aus der Fülle Christi Gnade um Gnade, um in ihr zu ruhen, um uns an ihr genügen zu lassen? Fragen wir in der Freude und im Glück nach der Quelle des Segens, der Gnade, und sind wir zufrieden mit dem, was Gott uns beschert, in der dankbaren Erkenntnis: Deine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu? (Klagel. Jer. 3, 17.) Halten wir uns in des Lebens Mangel und Widerwärtigkeit an die Gnade in der Zuversicht: Deine Gnade müsse mein Trost sein, die du deinem Knechte zugesagt hast? (Psalm 119, 76.) Fliehen wir in Kampf und Anfechtung zu der Gnade, weil wir gewiss sind, dass sie allein zum Siege führen kann, und dass im Besitz der Gnade alles Andrängen der Mächte der Finsternis von außen und alle Regungen der Sünde im Innern uns nicht zu schaden vermögen? Schöpfen wir die Kraft zur Erfüllung unserer Lebensaufgaben aus der Gnade und stillen wir unser Herz bei aller Missstimmung der Arbeit gegenüber, bei allen Missgriffen und Misserfolgen mit der Hoffnung: wenn nur die Gnade mit uns ist, so kann unser Wirken nicht vergeblich sein? Wenn wir nach diesen Fragen unser Wesen und Wandeln aufrichtig prüfen, so werden wir es erkennen und empfinden, dass solche wahre Genügsamkeit das höchste Ziel ist, über das wir in dem Leibe der Sünde und des Todes nicht hinauskommen, und dass wir noch weit von diesem Ziele entfernt sind. Wir werden es mit unserer Kraft auch nicht erreichen, sondern, damit wir es erreichen, müssen wir gerade schwach werden; der Apostel Paulus befand sich in großer Bedrängnis und Anfechtung, als der Herr zu ihm sagte: jetzt gerade lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. Darum führt der Herr auch uns in die Leidensschule, auf dass wir schwach würden, die Gnade aber mächtig würde. So lässt er uns erfahren viele und große Angst über vergangene Sünden und über die Sündenmacht, die noch gegenwärtig von innen und außen uns bedrängt, so hat jeder von uns sein besonderes Kreuz, das ihn drückt, seinen Pfahl im Fleisch, der ihn niederbeugt, ihn seine Schwachheit und Ohnmacht fühlen lässt. So nimmt uns Gott, was uns teuer und lieb ist, und macht uns arm und bedürftig; so lässt er uns wandern im finsteren Tale, dass wir die Fügungen des Lebens nicht verstehen, dass wir uns blind und ratlos erscheinen. Aber das alles geschieht, damit wir erkennen und fühlen, dass wir elend und jämmerlich, arm, blind und bloß sind, und in der Zeit der Heimsuchung gedächten, was zu unserem Frieden dienet, suchen und ergreifen möchten die Gnade und es erlernten, an ihr uns genügen zu lassen, um dann zuletzt, wenn alles dahinsinkt, freudig bekennen zu dürfen: Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn du allein, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne (Ps. 4, 9). (Thomas Girgensohn)

Predigten

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