1. Korinther 2,9
Andachten
„Das kein Auge gesehen hat, und kein Ohr gehöret hat, und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott bereitet denen, die ihn lieben.“
Welcher Unterschied zwischen dem, was wir auf Erden tun, und dem, was wir für den Himmel hoffen! Die ersten Christen freuten sich ohne Aufhören angesichts ihrer Hoffnung, jeden Augenblick glaubten sie, den Himmel offen zu sehen. Kein Kreuz, keine Schmach, keine Marter, noch grausamer Tod war imstande, sie abwendig zu machen. Sie kannten die unendliche Liebe, welche solche Schmerzen ausgleichen wird; sie glaubten, nie genug leiden zu können; sie waren begeistert vor Freude, wenn sie irgend einer tiefen Demütigung für würdig erachtet wurden. Und wir träge Seelen kennen das Leiden gar nicht, weil wir keine Hoffnung kennen. Durch das geringste Kreuz werden wir niedergeschlagen, und oft sogar durch jenes, das uns aus unserem Stolz, aus unserer Unklugheit und unserer Empfindlichkeit erwächst.
Ps. 125,5: „Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.“ Man muss säen, um zu ernten. Dieses Leben ist bestimmt, um zu säen, im Jenseits sollen wir die Frucht unserer Werke genießen. Der irdische Mensch, feige und uns geduldig, möchte ernten, bevor er gesät hat. Wir möchten, dass Gott uns tröste und uns die Wege ebne, um uns zu Ihm zu führen. Wir möchten Ihm dienen, vorausgesetzt, dass es uns wenig koste. Viel hoffen und nicht eben viel leiden, darauf zielt unsere Eigenliebe ab. Werden wir in unserer Verblendung es niemals einsehen, dass das Himmelreich Gewalt leidet und dass nur diejenigen Seelen, die Gewalt tun und den Mut haben, sich zu überwinden, allein würdig sind, es zu erlangen? Lasst uns also weinen hienieden, denn glückselig die, welche weinen, wehe aber denen, die da lachen! Matth. 11,12. Wehe denen, die ihren Trost an dieser Welt haben; es wird die Zeit kommen, wo jene eitlen Freuden zu Schanden gemacht werden. Die Welt ihrerseits wird dann weinen, aber „Gott wird alle Tränen von unsern Augen abwischen“. Apok. 21,4. (François Fénelon)
Das kein Auge gesehen hat, und kein Ohr gehört hat, und in keines Menschen Herz gekommen ist, das Gott bereitet hat denen, die ihn lieben, uns aber hat es Gott offenbart durch seinen Geist.
Was ist denn doch dieses Unsichtbare und Unhörbare und Unfassbare? es ist die für den natürlichen Menschen heimlich verborgene Gottesweisheit, welche Gott verordnet hat vor der Welt zu unserer Herrlichkeit; dieselbe hat Gott uns offenbart durch Seinen Geist. Diese Weisheit ist ganz beschlossen in Christo Jesu, welcher uns gemacht ist zur Weisheit. - Hat je ein unerleuchtetes Auge zu sehen vermocht das kündlich große Geheimnis: Gott offenbart im Fleisch? Gott aber hat's bereitet Denen, die Ihn lieben, dass sie es sehen in der Krippe Bethlehems; und da stehen sie nun mit großen, verwunderten Augen, wie die Kinder vor der Weihnachtbescherung und sehen's, und können sich nicht satt daran sehen. Hat je ein gewöhnliches Ohr gehört die Holdseligkeit des Jesusworts, als Wort des ewigen Lebens? Gott aber hat's bereitet Denen, die Ihn lieben, dass sie es hören aus der Schrift und aus der gläubigen Predigt, und da horchen sie nun hoch auf und lauschen und können nicht leben ohne dasselbige Wort, denn es ist ja die Stimme des guten Hirten. Hat je ein unbekehrtes Menschenherz in sich aufgenommen die edle, starke Liebesglut, die in dem teuren Blute Christi, vergossen am Kreuze, hinströmt so mildiglich? Gott aber hat's bereitet Denen, die Ihn lieben, und da heißt es nun: „Nichts hat mir's Herz genommen, als bis ich angekommen auf Golgatha, Gott sei gepriesen!“ Welch' eine Offenbarung Gottes durch Seinen Geist! wehe den Augen, die Das nicht sehen, sie sind blind! wehe den Ohren, die Das nicht hören, sie sind taub! - wehe den Herzen, die Das nicht vernehmen, sie sind fühllos! Hier in dieser Erdenwelt gibt's nun freilich all' die bunte Vergänglichkeit zu sehen, und das Gewirr der Töne und Stimmen zu hören, und die Gefühlsschwelgerei mit den Menschen, aber in der Ewigkeit ist statt dessen Grabesstille und Grabesfinsternis, und Grabestälte. Nur Denen, die Gott lieben, ist die heimlich verborgene Weisheit da wie eine Flut von Licht, wie das Rauschen großer Wasser und wie ein warmer Lebensstrom; denn Christus Jesus ist dies Alles in Allem! O frage Dich doch: hat Gott dies Alles auch mir bereitet? - auch mir??? (Nikolaus Fries)
Was kein Auge gesehen, und kein Ohr gehört hat, und in keines Menschen Herz gekommen ist, hat Gott bereitet denen, die Ihn lieben.
Paulus führt hier Worte an, worin Jesaias von der zukünftigen Gnade, die dem Volk Gottes widerfahren werde, geweissagt hat, s. Jes. 64,4. Weil nun Paulus die gnadenreiche Zeit des Neuen Testaments wirklich erlebt hatte, so deutete er die Weissagung Jesaiä auf die in Christo Jesu erschienene heilsame Gnade, deren ein Christ bei Leibesleben durch den Glauben teilhaftig werden kann, deren völliger Genuss aber auf die selige Ewigkeit aufgespart ist. Er sagt von derselben, Gott habe sie denen bereitet, die Ihn lieben. Es habe sie aber kein Auge gesehen, und kein Ohr gehört, und sie sei in keines Menschen Herz gekommen, das ist, es habe Niemand einen Gedanken oder eine Vorstellung davon bekommen. Uns aber, setzt er hinzu, hat es Gott geoffenbart durch Seinen Geist, V. 10. Ob er also gleich dasjenige, was Gott bereitet hat, als etwas Verborgenes beschreibt: so bezeugt er doch, dass es von Gott geoffenbart worden sei. Es ist den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber geoffenbart, Matth. 11,25. Es ist zu der Zeit, da Paulus lebte, vielen Juden und Griechen, und auch den Klugen, Schriftgelehrten, Weltweisen und Obersten unter ihnen verborgen geblieben, den Aposteln aber, und durch sie den Berufenen durch den Geist geoffenbart worden, 1 Kor. 20. 2,8. 1,24. Es ist endlich allen natürlichen Menschen verborgen, und was man davon redet, dünkt sie eine Torheit zu sein; den geistlichen Menschen aber ist es entdeckt, und wird von ihnen als eine göttliche Kraft und als eine göttliche Weisheit erkannt, 1 Kor. 2,14. Paulus deutet bei dieser ganzen Lehre auf den gekreuzigten Heiland, welcher den Berufenen göttliche Kraft und göttliche Weisheit ist, oder welcher ihnen von Gott zur Weisheit, und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung, und zur Erlösung gemacht ist. Kein natürliches Auge hat Ihn als den einigen Weg zum Vater entdeckt, kein Ohr hat von den Weisen dieser Welt gehört, was für eine Gnade den Menschen in Christo Jesu bereitet sei, auch hat sich kein natürlicher Mensch jemals davon eine Vorstellung in seiner Seele machen können. Man bemerke aber, dass Paulus nicht nur von der Erlösung Jesu Christi rede, insofern sie außer uns durch die Aufopferung Seiner selbst am Kreuz geschehen ist, sondern, dass er zugleich auch auf die Kraft und Wirkung derselben deute, die ein Gläubiger auf Erden in seinem Herzen erfährt, und in jener Welt ewiglich erfahren wird.
Das wahre Christentum oder das geistliche Leben ist also, ob es schon durch Werke sich offenbart, nach einer andern und innerlichen Seite etwas Geheimes, Verborgenes und der Welt Unbegreifliches. Die Welt fährt, wenn sie von geistlichen Empfindungen und Erfahrungen reden hört, schnell zu, und nennt Alles Einbildung, fanatisches Wesen und Torheit. Allein so urteilt ein Blinder von der Farbe. Kein Weltmensch, er sei so klug oder gelehrt als er wolle, kann sich vorstellen, was in den Herzen derer vorgehe, die den HErrn Jesum lieben, und Seine Gnade genießen. Die äußerlichen Sinnen des Weltmenschen haben noch nichts davon entdeckt, und in sein Herz ist noch kein richtiger Gedanke und keine Empfindung davon gekommen. . (Magnus Friedrich Roos)