1. Korinther14,1
Andachten
Strebt nach den geistlichen Gaben, am meisten aber, dass ihr weissagen möget.
Strebt danach, dass ihr weissagt, sagte Paulus seinen Gemeinden. Es gibt unserem Handeln Stärke und Glanz, wenn wir bei unseren Entschlüssen von einer prophetischen Gewissheit getragen sind, dass eben dies, was wir jetzt tun, Gottes Wille sei. Ich darf aber, wenn ich den Wunsch nach einer deutlich vernommenen Leitung in mir trage, nie vergessen, dass ich damit nach Gaben strebe, und bei Gaben hat die Begehrlichkeit und Eigenmächtigkeit keinen Raum. Ich darf nie versuchen, das Grundverhältnis, in dem wir alle zu Gott stehen, anzutasten, und dieses ist der Glaube. Die prophetischen Erlebnisse werden missbraucht, wenn wir mit ihnen das Glauben herabsetzen und verdächtigen. Wenn ich im Glauben handle, ist mit der Gewissheit immer auch eine Ungewissheit verbunden. Dass ich in Gottes Gegenwart und in seiner Gnade handle, das ist die Gewissheit des Glaubens. Dagegen bleibt mir der Erfolg und Ausgang meines Handelns verhüllt. Auf das, was kommt, muss ich noch warten und ich kann ruhig darauf warten, weil alles mir zum Guten mitwirkt. Alles, was sich als prophetische Gewissheit darüber erhebt, wird der Christenheit nicht dazu gegeben, um den Glauben zu ersetzen, sondern um ihn zu befestigen. Wollte ich sagen: ohne völlige Sicherheit, bloß mit wagendem Glauben handle ich nicht, so hätte ich mich der Leitung des Geistes entzogen; denn der begehrliche Eigensinn stammt aus dem Fleisch. Damit verlöre ich auch die Gemeinschaft mit den anderen und ginge einen völlig einsamen Weg und auch dies wäre ein sicheres Kennzeichen, dass ich nicht dem Geist gehorche. Denn der Geist ist nicht einzig mir, sondern der Christenheit gegeben. Darum gibt es keine Gewissheit, und sei sie noch so prophetisch, die sich der Beurteilung durch die anderen entziehen dürfte, weil der Geist nicht nur zu mir, sondern auch zu den anderen spricht.
Du hast, gnädiger und herrlicher Gott, mancherlei Weise, um mir Deine Wege zu zeigen. Von außen und von innen umfasst mich Deine Hand. Meine Lage zeigt mir, was ich soll. Dein Wort beschreibt mir Deinen Willen. Dein Geist leitet mich auf ebener Bahn. So bleibt es Tag für Tag dabei: Deine Wege sind gerade und Du bist denen gut, die reines Herzens sind. Amen. (Adolf Schlatter)
Strebt nach der Liebe.
Paulus hatte 1 Kor. 12. von der Verschiedenheit der Gaben, welche sich in der christlichen Kirche zeige, gehandelt, und unter Anderem V. 8 gesagt: Einem wird gegeben, durch den Geist zu reden von der Weisheit, dem Anderen wird gegeben, zu reden von Erkenntnis nach demselben Geist usw. Er beschließt aber V. 31. seine Abhandlung damit, dass er sagt: strebt nach den besten Gaben, und ich will euch noch einen köstlichen Weg zeigen. Hernach handelt er Kap. 13. von der Liebe, welche dieser köstliche Weg ist, sagt aber alsdann nicht: Einem wird gegeben die Liebe, einem Anderen etwas Anderes, sondern preiset die Liebe als etwas allen Christen Unentbehrliches, ja, als etwas, das auch in der Ewigkeit fortwähren werde, an. Endlich beschließt er mit der Ermahnung: strebt nach der Liebe, jagt der Liebe nach.
Ach, liebe Mitchristen, lasst uns dafür halten, Paulus rufe uns Allen zu: strebt nach der Liebe. Wir sollen nach der Liebe streben, weil die Welt voll Hass, Neid, Bitterkeit, Zwietracht und Falschheit ist, und wir uns also durch nichts von ihr besser unterscheiden können, als durch die Liebe. Lasst uns nach der Liebe streben, weil Gott die Liebe ist, folglich die Liebe Sein Bild in dem Menschen ist. Nach der Liebe sollen wir streben, weil sie des Gesetzes Erfüllung und das Band der Vollkommenheit ist, das ist, weil sie alle Tugenden, welche das Gesetz erfordert, ohne Ausnahme in sich fasst, und des Menschen Vollkommenheit in der Vollkommenheit der Liebe besteht. Lasst uns nach der Liebe streben, weil sie das Halten der Gebote Gottes leicht, und den Menschen zur Erfüllung seiner Pflichten mutig und lustig macht. Lasst uns auch deswegen nach der Liebe streben, weil sie auch im Himmel und im neuen Jerusalem fortwähren wird: denn was wird man da tun? Man wird lieben. Die Seligen werden Gott aufs Höchste und sich untereinander aufs Brünstigste lieben. Wer also keine Liebe im Herzen hat, taugt nicht in die Gesellschaft der Seligen. Fragst du: wen soll ich lieben? so antwortet dir die Heilige Schrift und dein Gewissen: du sollest Gott über Alle lieben, und deinen Nächsten als dich selbst. Sprichst du: ich habe und fühle Liebe in mir: wohlan, wenn es wahr ist, so strebe doch noch nach der Liebe, denn mit wenig Liebe kommt man bis ans Ende seines Lebens nicht aus. Die Gebote Gottes erfordern oft, dass man Seinen Willen in schweren Fällen tue, und dass man sich Seine Wege auch in empfindlichen und langwierigen Leiden gefallen lasse. Soll ich nun diese Gebote halten, so muss die Liebe zu einem genugsamen Grad aufsteigen. Und viele Fälle gibt es, da die Liebe gegen den Nächsten, die man hat, bei seinem feindseligen Sinn, oder bei den unvorsätzlichen Gebrechen, die er an sich hat, kaum, oder gar nicht mehr zureichend sein will. Strebt also nach der Liebe, damit ihr euch immer so beweisen könnt, wie Paulus 1 Kor. 13,4.5.6.7. fordert, oder damit ihr vor Gott immer heilig und unsträflich seid in der Liebe (Eph. 1,4.). Wie sollen wir aber nach der Liebe streben, und woher sollen wir sie erlangen? Johannes sagt 1 Joh. 4,7.: die Liebe ist von Gott. Lasst uns also Gott um den Geist der Kraft und der Liebe und der Zucht bitten, lasst uns dabei Bestrafungen annehmen, wenn sich Zorn und Hass bei uns regt, und die Schuld nicht bei unsrem Nächsten allein, sondern auch bei uns suchen. Lasst uns der Heiligung nachjagen; denn wer dieser nachjagt, jagt auch der Liebe nach. (Magnus Friedrich Roos)