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Römer 3,12

Römer 3,12

Andachten

Sie sind Alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden; da ist nicht, der Gutes tue, auch nicht Einer.
Es hat gar mancher Christ, der jetzt im Glauben steht, lange Zeit suchen müssen, ehe er ihn zu finden vermochte. Er schaute nach einem Lichte aus, in dessen warmen und belebenden Strahlen sich die besten Kräfte seiner Natur zu entfalten vermöchten. Das Leben dünkte ihn ohne Reiz, denn die höchsten Aufgaben desselben waren ihm verborgen, und seine eigenen Kräfte verzehrten sich in Nichtigkeiten. Er war wie das schwankende Rohr, das der Wind hin und her treibt, von widersprechenden Einwirkungen hin- und hergezogen, und wusste nicht, was er wollte und sollte. Er begehrte nach einem festen Halt, an den er sich anlehnen könnte; er schaute aus nach einem Wesen, dem er vertrauen, das er lieben könnte von Herzensgrund, in welchem alles Gute für ihn beschlossen wäre; diesem hätte er die Geschicke seines Lebens anvertrauen mögen, ihm alles Wehe und Sehnen seines Herzens ausschütten; seinen Worten hätte er lauschen mögen und von seinen Händen sich leiten lassen, wie ein Kind von Mutterhänden. Aber er fand keinen unter den Menschenkindern, wohl aber fand er das strenge Wort des Propheten bestätigt: „Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt, und hält Fleisch für seinen Arm.“ (Jer. 17, 5.) Die große Menge war dem Trachten nach den Eitelkeiten der Welt hingegeben; über die höchsten Aufgaben des Lebens fand er sie unwissend, der Genuss des Augenblicks, das Vergessen des letzten Ausganges, das Übertäuben des inneren Richters war die Lebenskunst, der sie nachtrachteten, um das Glück an ihre Fersen zu bannen. Er konnte es nun begreifen, wie es kommt, dass Männer, die auf einer hohen Stufe des Lebens standen, und vielfach Gelegenheit hatten, mit Menschen aus allen Verhältnissen zu verkehren, eine so tiefe Verachtung des ganzen Menschengeschlechts in sich trugen; sie hatten überall so viel Sünde und Selbstsucht geschaut, dass sie überhaupt an eine Tugend nicht mehr glaubten, und doch ließ sich auch diese Gesinnung nicht rechtfertigen, weil die, die sie hegten, für ihre eigene Person dem Vorwurf unterlagen, den sie gegen Andere erhoben, so dass es fast scheinen wollte, als hätte die Bitterkeit ihres Urteils nur das beschämende und peinigende Gefühl verdecken sollen: Wir selber sind nicht besser als die Menge, die wir verurteilen. „Sie sind alle abgewichen.“ Das musste er aber auch auf diejenigen anwenden, welche die Welt mit dem Glanze der Größe und des Ruhms umkleidet; wie sehr hatte er sie bewundert, diese großen Geister der Menschheit; an ihren hohen Gedanken, an ihren weltbewegenden Taten hatte sich seine Seele erhoben; er hatte gewähnt, es müsse alles Große und Gute in ihnen verkörpert sein; aber als er ihnen näher trat, da erbleichte der Strahlenkranz, in welchem er sie bis jetzt geschaut hatte; sie waren nicht frei von den Schwächen und Gebrechen der übrigen Menschenkinder, und oft waren es tiefe, tiefe Schatten der Sünde, die ihr schönes und ihm so heilig gewesenes Bild überschatteten. Oft war eine von der Welt gepriesene Größe nicht ausreichend, den alltäglichsten Bedürfnissen der nächsten Umgebungen gerecht zu werden. Tiefe Denker, die ihre Weisheit als untrüglich anpriesen, waren nicht fähig, ihr eigen Haus zum Glücke zu leiten, und ihre Kinder für das wirkliche Leben wohl zu beraten; Andere, die weltbeglückende Plane für die Menschheit aufgestellt hatten, zeigten sich ratlos und verwirrt, wenn ein Hindernis ihrem eigenen Glücke in den Weg trat, wenn eine ernste Trübsal ihren inneren Wert und Gehalt auf die Probe stellte. - Wohl hat der redliche Sucher der Wahrheit auch an wesentliche Tugend glauben gelernt, und ist in seinem Leben auch Solchen begegnet, die selbst bei genauester Beobachtung die Probe aushielten und in ihm das sehnende Verlangen weckten: ich möchte sein, wie sie sind! Aber wenn er sie selber fragte um ihren Wert, dann wussten sie nur von eigener Sünde zu reden; ihr Bestes wollten sie sich nicht selber zuschreiben, sondern der Kraft eines Höheren und gerade aus ihrem Munde und aus ihrer an sich selber gemachten Erfahrung konnte er das ernste Schriftwort bestätigt hören: „Sie sind Alle abgewichen und untüchtig geworden; da ist Keiner, der Gutes tue, auch nicht Einer!“ (Julius Müllensiefen)

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nt/45/roemer_3_12.txt · Zuletzt geändert: von aj
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