Johannes 8,28
Andachten
„Wenn ihr des Menschen Sohn erhöhen werdet, dann werdet ihr erkennen, dass ich es sei und nichts von mir selber tue. Und der mich gesandt hat, ist mit mir. Der Vater lässt mich nicht allein; denn ich tue allezeit, was ihm gefällt.“
Und nichts von mir selber tue: Jesus unterfängt sich also nichts zu tun ohne besonderen Auftrag des Vaters. Um das mit einem Beispiel zu belegen, sagt er, er rede nur, was ihn der Vater gelehrt habe. Es sei zu dieser Stelle an das erinnert, was ich schon mehrfach hervorheben musste: wenn Jesus all das Göttliche, das er besitzt, nicht sein eigen nennt, so lässt er sich damit zu der Fassungskraft seiner Hörer herab. Er will damit nur darauf den Finger legen: Haltet meine Worte nicht für Menschenworte; es sind Worte Gottes!
Wohl zu beachten ist hier der Grund, auf welchen Jesus die Tatsache stützt, dass Gott ihm zur Seite steht und ihm seine Hilfe allezeit zuteil werden lässt: denn ich tue allezeit, was ihm gefällt. „Allezeit“, das besagt, dass er nicht bloß bis zu einem gewissen Grade und Maße Gott gehorsam ist, sondern, dass er völlig und ausnahmslos sich dem Gehorsam gegen ihn geweiht hat. Wünschen wir die nämliche Gegenwart Gottes zu erfahren, so haben wir nur unser ganzes Sinnen und Denken auf seine Befehle zu richten. Wollen wir uns nur teilweise auf seinen königlichen Willen einlassen, so wird der Segen Gottes ausbleiben, und alle unsere Bemühungen sind für nichts; und scheint es auch eine Zeit lang, als lächle uns günstiger Erfolg, so wird der Ausgang doch unglücklicher Art sein. Wenn Jesus sagt: der Vater lässt mich nicht allein, so erhebt er damit Klage über die Treulosigkeit seines Volkes, in dem er fast niemanden fand, der ihm die Hand reichte.
Auch zeigt er damit, dass es ihm genug und übergenug ist, wenn er Gott auf seiner Seite hat. Nun, so dürfen auch wir guten Mutes sein: Wir sind nicht allein, und wären wir noch so wenige! Wer dagegen Gott nicht auf seiner Seite hat, der wird vergeblich mit ganzen Menschenmassen prahlen, die zu ihm halten. (Jean Calvin)
„Ich tue allezeit, was Ihm gefällt.“
ch lebe für Gott!“ welch' ein herrlicher Wahlspruch ist das für einen Menschen! Das ist der wahre Sinn der Religion. Der Engel Seligkeit besteht darin, sowie der Beweggrund ihrer Handlungen: „Seine Diener, die ihr Seinen Willen tut.“ Der Herr der Engel kannte keinen andern Beweggrund. Dieser war während Seines Lebens auf Erden der Leitstern Seines täglichen Wandels. Er unterstützte Ihn unter den niederdrückenden Leiden Seines Schmerzensweges. Er wurde dadurch im Garten Gethsemane und an dem Kreuze aufrecht erhalten. Die er liegende menschliche Natur brach einen Augenblick unter der Bürde, die Seiner Gottheit auferlegt war, zusammen; doch der Gedanke, „Gott zu gefallen,“ stärkte und erquickte Ihn. „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“
Nur wo die Liebe Gottes das Herz erfüllt, kann das Verlangen, „Ihm zu gefallen,“ bestehen. In dem heiligen Herzen Jesu allein thronte diese Liebe unumschränkt, und ließ keinen Nebenbuhler, keine anderen Neigungen ein. Derselbe Beweggrund, wenn auch in weit geringerem Grade, ist es, der für die Seinen die reinste Freude mit Seinem Dienste verbindet, und ein Ihm geweihtes Herz und Leben sich selbst zum schönsten Lohne macht. In der moralischen wie in der physischen Welt gibt es ein „Gesetz der Schwere,“ sagt Einer, dessen Leben der heilige Wiederhall Seiner Worte war. Wo die Liebe zu Gott den größten Einfluss hat und die Stelle der Willenskraft einnimmt, da sammelt sie alle anderen Neigungen des Herzens gleich Trabanten um sich, und zieht sie mit sich auf ihrem Kreislauf um den großen Mittelpunkt.“ Darum, bis das Herz erneuert ist, kann der Gläubige nicht dies Zeugnis haben, dass er Gott gefalle.“ Die Welt, das eigene Ich, die Sünde, das sind die Götter der unwiedergeborenen Seele. Und selbst, wenn wir wiedergeboren sind, ach, dass es in dem Strome unserer Hingebung so viel Ebbe und. Flut geben muss! Jesus konnte sagen, „Ich tue allezeit, was meinem Vater gefällt.“ Die Ehre Gottes brannte wie ein lebendiges Feuer in Seiner Brust. Viele Wasser konnten sie nicht auslöschen.“ Er kannte keine wechselnden und unbeständigen Gefühle und Zustände, - Sein heiliges Leben richtete sich nur nach dem Einen Ziele, von welchem es nie abwich.
Lasst es, wenn auch in bescheidenem Maße, bei uns also sein! Der Dienst Gottes sei uns nicht wie ein Feiertagskleid, das uns zu bestimmten Zeiten angelegt wird; sondern lasst uns wie das Glas köstlicher Salbe einen steten Wohlgeruch der Heiligkeit um uns her verbreiten! Selbst wenn der dunkle Schatten der Prüfung auf uns fällt, so lasst uns, auf diesen Beweggrund gestützt, durch, die Wolke“ hindurchgehen, „Mein alleiniger Wunsch ist, o Herr, dir zu gefallen und dich zu verherrlichen! Sei es durch Geben oder durch Nehmen, - durch Schlagen oder durch Heilen, durch den süßen oder den bitteren Kelch.“ - „Vater, verkläre deinen Namen!“ „Ich will des Weges Gottes mit mir nicht müde werden,“ sagte ein Frommer auf dem Sterbebette, „ich möchte Jesum in Seinen Führungen verherrlichen und Ihn immer köstlicher finden.“ Erschrecke ich vor Prüfungen, vor Pflichten, vor dem Kreuze, weil sie Ungemach und Selbstverleugnung mit sich führen, oder weil die Welt ihnen abhold ist: der Gedanke an das freundliche Angesicht meines Gottes fei mir genug. Ich brauche keinen Tadel zu fürchten, wenn ich das Bewusstsein habe, nach Seinem Willen zu handeln. Das ermahnende Wort des Apostels gebe mir die Entscheidung auf manchem verwirrenden Pfade: „Wenn ich den Menschen noch gefällig wäre, so wäre ich Christi Knecht nicht.“ (John Ross MacDuff)