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Johannes 4,34

Johannes 4,34

Andachten

“Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk!“
Welch einen Blick eröffnet uns dieses Wort in das Verhältnis des Sohnes zum Vater! Es ist zweierlei in dem Worte des Herrn zu unterscheiden. Zunächst redet er von dem Tun des Willens Gottes in jedem Augenblick, in jedem einzelnen Fall, und als Krone dieses fortgesetzten Gehorsams blickt er schon in der Mitte seines Lehramts hinaus auf die Vollendung des großen Erlösungswerks, wo er gehorsam ward bis zum Tode, ja, bis zum Tode am Kreuz. Und zugleich sagt uns dieses Wort, dass dieser fortgesetzte Gehorsam, dieses Tun des Willens Gottes ein so vollkommen freiwilliges ist, dass es sein eigentliches Lebenselement, ja seine Daseinsbedingung ist.

Kann doch kein Menschenkind leben ohne Speise. Dies Wort schließt sich an jenes Wort im Hebräerbrief aus Psalm 40: „Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz ist in meinem Herzen.“ Und wenn wir nun mit diesem Wort hineinleuchten in das Leben des Herrn Jesu, finden wir es bestätigt? Ist nicht sein ganzes Leben eine fortdauernde Verherrlichung des Vaters, eine Kundmachung seines Namens? Und ist nicht anderseits ein fortgesetztes Rettungswerk? Sei's, dass er dem leiblichen Elend aufhilft, oder dass er die Seelen aus den Banden der Finsternis erlöst und mit seinem Worte hineinleuchtet in die Finsternis verhärteter Herzen, oder zerschlagene und bekümmerte Herzen tröstet. In seinem ganzen Leben ist keine Lücke, kein müßiger Augenblick; vielmehr ist es ein ungehemmter Licht, Lebens und Liebesstrom, der, von dem Thron der Herrlichkeit ausgehend, der Welt die Gnade und Wahrheit in dem Eingeborenen kundtut. Und doch ist zugleich dieses Leben des Herrn das eigenste Opfer seines Willens, indem er in jedem Augenblick voll und ganz eingeht in den Willen des Vaters, indem er in jedem Augenblick voll und ganz eingeht in den Willen des Vaters; weil „der Sohn nichts von ihm selber tut, sondern nur das tut, was er den Vater tun sieht“. Und wie tritt uns das in seinem eigentlichen Leiden und Sterben entgegen! Mit welch heiligem Gehorsam, mit welch unwandelbarer Liebe zu den Verlorenen geht er hinein in die Stunde der Finsternis! Er weicht nicht zurück vor dem furchtbaren Kampf mit den Mächten der Sünde und der Hölle, sondern bricht hindurch, als der Löwe aus dem Stamme Juda, die er als Sieger rufen kann von dem Fluchholz herab: „Es ist vollbracht!“ Nicht wahr, ein Blick auf das Leben und Sterben des Herrn Jesu lässt uns erst das Wort im wunderbaren Lichte erscheinen, das wir hier lesen: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen des, der mich gesandt hat, und vollende sein Werk.“

Wer als verlorener Sünder sich dem Heiland hat übergeben müssen und nun Frieden und Vergebung der Sünden gefunden hat, dem wird nun das Gesetz Gottes ins Herz geschrieben, und er empfängt das selige Vorrecht, den Willen Gottes tun zu können, und zwar nicht nur gezwungen, sondern mit Lust. Ja, dem Kinde Gottes wird es auch eine Speise, zu tun den Willen Gottes. Freilich mit dem großen Unterschied von dem Tun des Willens Gottes seitens des Herrn Jesu, dass es bei uns immer durch einen Kampf geht mit der alten Natur, die teils durch gesetzliche Neigungen, teils durch falsche Freiheit sich dem Tun des Willens Gottes in den Gläubigen entgegenstellt. Deswegen ist's ein Abweg, wenn man meinen wollte, nur das sei evangelisch, was man gewissermaßen ohne Kampf von innen heraus für den Herrn tun könnte. Die Ausdrücke, die der Apostel Paulus von seinem Gebetskampf und von seinen Kämpfen wider Fleisch und Blut gebraucht, wo er unter andrem sagt: „Ich betäube meinen Leib und bezähme ihn,“ oder wenn er von einem „Töten der Geschäfte des Fleisches durch den Geist“ redet – diese scharfen Ausdrücke bezeugen genugsam, dass das durchaus nicht die richtige Auffassung wäre.

Aber es gibt ein Wachsen in der Freudigkeit, den Willen Gottes zu tun. Und von demselben Apostel bekommen wir den Eindruck, wie er eigentlich sein Lebensglück darin findet, dem Willen Gottes zu dienen, seinen Gott zu verherrlichen. Wie liegt das in dem herrlichen Wort: „Denn die Liebe Gottes dringet uns also, sintemal wir dafür halten, dass so einer für alle gestorben ist, so sind sie alle gestorben; und er ist darum für alle gestorben, auf dass die, so da leben, hinfort nicht sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferstanden ist.“ Oder in dem andern: „Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir“ usw. Oder in dem: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn; darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.“

Und doch, meine Lieben, hat diese Frage auch bei den Kindern Gottes ihre Berechtigung: „Ist's auch deine Speise, den Willen Gottes zu tun?“ Gibt es denn nicht Abwege im Glaubensleben? Macht denn unser aller Leben den Eindruck, dass wir unentwegt dem einen Ziel nachjagen, unsern Herrn zu verherrlichen? Der eine Abweg ist der des Gesetzes. Wir können von der Einfalt des Glaubens abkommen, und dadurch kann uns das sanfte Joch des Herrn Jesu wieder drückend erscheinen. Es kann uns dann das ganze christliche Leben wieder mehr unter die Gestalt der Mühe und Last treten. Wie leicht können wir von der Gnade abkommen, vom Glauben uns verirren! Wie nötig ist's darum, uns nahe bei dem Kreuz zu halten?

Noch eins liegt ebenfalls in unserm Text. Der Herr hat ja in einziger Weise das Werk auszurichten, das ihm der Vater gegeben hatte. Aber hat nicht jedes Kind Gottes auch sein besonderes Werk auszurichten? Die Stelle Eph. 2,10 lässt uns nicht in Zweifel darüber: „Denn wir sind sein Werk, geschaffen in Christo Jesu zu guten Werken, zu welchen Gott uns (alles) zuvorbereitet hat, dass wir darin wandeln sollen.“ Ja, jedes Kind Gottes hat seine Aufgabe, sein besonderes Werk. Willst du denn wissen, wozu der Herr dich berufen, so bitte ihn um seinen Geist! Suche es vor allem nicht weit, sondern suche es ganz nahe! Es liegt oft in der einfachsten Aufgabe, in der du deine Treue beweisen sollst, damit der Herr dir mehr anvertrauen darf. Es ist ein köstlicher Anblick, wenn wir ein Menschenleben sehen, das dem Willen Gottes gedient hat. Wir haben solche Lebensbilder in der Heiligen Schrift. Lasst mich einzelne nennen: Abraham, Joseph, Moses, Josua, Samuel, David, Daniel, Hiob, Nehemia. Und wenn wir sie nach der Reihe ansehen, in jedem Leben ist etwas Eigentümliches. Paulus, Petrus, Johannes, Jakobus, sie alle haben das Werk vollendet, das der Herr ihnen gegeben, für das er sie bestimmt. So hat auch jeder von uns sein Werk.

Wir können die Reihe weiter fortführen. Die herrlichen Gestalten im Reiche Gottes, ein Justin, der Märtyrer, ein Origenes, Augustin, Joh. Chrysostomus in früherer Zeit – ein Luther, Spener, Francke, Zinzendorf in späterer Zeit – sie alle haben ein Werk gehabt, das sie nach dem Willen Gottes ausführen sollten. Das ist auch das rechte Mittel, nicht müde und verdrossen zu werden auf dem Wege. Solange dich der Herr hier lässt, hast du auch etwas zu tun. Und sollte dich der Herr zum Leiden berufen haben, so kannst du auch darin ein Werk auszurichten haben, indem du durch Gottes Gnade zeigen kannst, dass der Heiland eine Gnade hat, die über alles ist, und dass er ein Licht hat, das auch im dunklen Tal leuchtet.

Noch ein Gedanke: Die leibliche Speise dient zur Ernährung des Leibes. Die rechte Ernährung bewirkt das Wohlbefinden und die Wohlgestalt des Leibes. Ähnlich ist es mit der geistlichen Ernährung. Sie bringt die Statur Christi hervor. Wie finden wir das Bild Christi wieder in den Männern, die dem Willen Gottes gedient haben! Wie der Gehorsam den natürlichen Charakter bildet, so der Gehorsam im höchsten Sinn den christlichen Charakter. Die Verleugnung des eigenen Willens, die Hingabe an den Herrn, ist das Mittel, ein christlicher Charakter zu werden.

Möge der Herr es allen seinen Kindern immer mehr geben, dass es ihre Speise werde, zu tun den Willen dessen, der sie berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht! (Heinrich Neviandt)


Jesus spricht zu ihnen: „Meine Speise ist die, dass ich tue den Willen dessen, der mich gesandt hat, und vollende Sein Werk.“
Was Jesus der samaritischen Frau getan hat, hieß jeder Zuschauer bedeutungslos. Was ändert ein Gespräch mit einer Frau aus der untersten Schicht des kleinen und verachteten samaritischen Völkleins am Lauf der Weltgeschichte? Auch die Jünger begriffen nicht, dass er sich mit ihr einlassen mochte. Jesus nannte dagegen das, was geschehen war, seine Speise. Daraus strömt ihm Kraft zu, die die Müdigkeit von ihm nimmt und ihn inwendig stärkt. Denn er hat jetzt den Willen des Vaters getan, und das ist sein Lebensmittel, die unentbehrliche Bedingung und wirksame Gewährung des Lebens. Gottes Wille war es, dass die dürstende Frau das belebende Wasser empfange, und Gottes Wille war es, dass der boshafte Zank zwischen den Juden und den Samaritern, aus dem in nie endender Flut immer neue Versündigung entstand, ein Ende finde und die neue Gemeinde entstehe, die in der Anbetung Gottes im Geist und in der Wahrheit geeinigt ist. Jesus sprach aber nicht nur vom Willen, sondern auch vom Werk Gottes. Der Vater gibt ihm nicht nur das Gebot, das der Sohn durch seinen Gehorsam zum eigenen Willen macht, sondern er ist der für Jesus Wirkende, wodurch es zum Beruf Jesu wird, das Werk des Vaters fertig zu machen und zum Ziel zu bringen. Gottes Wirken bereitet ihm den Raum, in den er sein eigenes Werk hineinstellt, und darum, weil er es auf das Werk des Vaters aufbaut, hat es Kraft und trägt es Frucht. Um in der samaritischen Frau Gottes Werk wahrzunehmen, war freilich der Blick Jesu nötig. Er aber sah die Hand des Vaters nicht nur darin, dass sie gerade jetzt zum Brunnen Jakobs kam, sondern darin, dass sie auf sein Wort aufmerkte, ihm standhielt und sich von Jesus dahin leiten ließ, dass er ihr seine königliche Salbung sagen konnte. Sie war eine zertretene Frau mit ihrer wilden Geschichte. Damit war aber für den Blick Jesu nicht verhüllt, was ihr der Vater gegeben hat, und dass er nun das, was der Vater vorbereitet und begonnen hatte, vollenden konnte, das hieß Jesus die Quelle seiner Kraft.
Ich bedarf der natürlichen Nahrung, Herr, Gott, nach Deiner Schöpferordnung; aber ich lebe nicht vom Brot allein, sondern durch Dein Wort und dieses wird meine Nahrung, wenn es mir Deinen Willen zeigt und ich ihn zu tun vermag. Dieses wahrhafte Brot, das mir das wahrhafte Leben gibt, suche ich bittend bei Dir. Amen. (Adolf Schlatter)

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