Johannes 19,1
Andachten
Da nahm Pilatus Jesum und geißelte Ihn.
Weil der Landpfleger Pilatus nur etliche matte Versuche machte, Jesum, dessen Unschuld er erkannte, loszulassen, und bei der ganzen Sache wankelmütig war, so ist es bei dem Gericht, das er über Jesum hielt, unordentlich hergegangen. Er sagte von Jesu: ich finde keine Ursache des Todes an ihm, darum will ich ihn züchtigen und loslassen. Worin diese Züchtigung hätte bestehen sollen, wissen wir nicht, vielleicht in harten Schlägen. Weil aber dieser Vorschlag von den Juden verworfen wurde, so gab er auf ihr ungestümes Begehren Barrabam los, aber Jesum übergab er ihrem Willen, Luk. 23,25. Er übergab Jesum den Juden, dass Er gegeißelt und gekreuzigt würde. Die Geißelung auf den bloßen rücken ging nämlich gewöhnlicher Weise vor der Kreuzigung her, und geschah entweder unterwegs, alldieweil der Verurteilte zu dem Richtplatz hinausgeführt wurde, oder auch vorher. Weil also Pilatus beschlossen hatte, Jesum kreuzigen zu lassen, so nahm er Ihn, und geißelte Ihn, oder ließ Ihn durch seine Gerichtsdiener geißeln, alldieweil Er, wie die alten Schriftsteller sagen, an eine Säule angebunden war. Hierauf trieben die Soldaten ihren Mutwillen mit Jesu als einem zur Hinrichtung bestimmten Menschen. Sie legten Ihm einen Purpurmantel an, setzten eine Krone von Dornen auf Sein Haupt, gaben Ihm ein Rohr in die Hand usw. Nach diesem Allem kam den Pilatus wieder eine Reue an, dass er den letzten Versuch machte, die Juden zu bewegen, dass sie in die Loslassung Jesu, den Er ihnen in Seiner erbärmlichen Gestalt zeigte, einwilligen möchten, ja er trachtete Jesum, nachdem er Ihn wieder ins Richthaus hineinführen lassen, auch wider der Juden Willen loszulassen und hätte solches desto füglicher tun können, weil er zwar die Geißelung befohlen, übrigens aber das Todesurteil noch nicht förmlich auf dem Richtstuhl über Jesum ausgesprochen hatte. Er wurde aber durch die drohende Rede der Juden, die sein Vorhaben merkten, davon abgeschreckt und verdammte hernach den gegeißelten Jesum wirklich zum Kreuzestod, Joh. 19,4-16.
Der HErr Jesus ist also vor der Kreuzigung nach der Weise der Römer gegeißelt worden. Man band Ihn an eine Säule: man entblößte Seinen heiligen Rücken, man geißelte Ihn so, dass Sein Rücken dadurch wund wurde. Das römische Bürgerrecht schütze den Paulus wider das Geißeln, Ap. Gesch. 22,25., aber Jesus hatte kein solches Bürgerrecht auf Erden; und Sein Recht, welches Er als der heilige und eingeborne Sohn Gottes hatte, wurde von den Menschen nicht erkannt. Menschen haben ihren Gott und Erlöser gegeißelt, da Er als ein Mensch unter ihnen war, und Er hat’s geschehen lassen, um auch durch die geduldige Übernahme der damit verbundenen Schmach und Schmerzen unsere Versühnung und Gerechtigkeit zu sein. Dank sei Ihm für dieses Leiden. Der Heilige Geist mache es uns zu einer Trostquelle, aber auch zu einer Arznei wider den Stolz, wider die Wollust, und wider die Ungeduld, welche oft durch die Vorstellung eines Rechts, das wir zu haben meinen, unterstützt wird. (Magnus Friedrich Roos)
Da nahm Pilatus Jesum und geißelte ihn.
Das von Geißelhieben zerrissene Fleisch Christi zeigt uns den Sold der Fleischeslust. An der Furchtbarkeit der Schmerzen siehe die Furchtbarkeit der Sünde. Christus, als unser Stellvertreter, ist in seiner Passion durch alle zehn Gebote hindurchgegangen, und hat es hier mit dem siebenten zu tun. Wie viele Sünden hängen an diesem Gebot von Adam an! Hätte Jesus nur die Versündigungen an diesem einen Gebot zu büßen gehabt, es wäre wahrlich sein Versöhnungswerk schon ein Riesenwerk gewesen. Wenn einst Alles offenbar wird, und Jeder auch den verstohlensten Blick eingeschrieben finden wird in dem Schuldbuch Gottes, dann erst wird er danken können für die Geißelung Christi. Unter die, welche in jener Welt am meisten Pein leiden werden, gehören (2 Petr. 2,10) allermeist die, so da wandeln nach dem Fleisch, in der unreinen Lust. Die Strafe, die Christus vor dem ungerechten Richter in dieser Welt gelitten hat, findet sich wieder vor dem gerechten Richter in jener Welt, so. lang nicht das Fleisch gekreuzigt worden ist mit seinen Lüsten und Begierden. Wer kann das aber? Jeder, der empfunden hat, fleischlich gesinnt sein ist der Tod, aber geistlich gesinnt sein ist Leben und Friede. Die bis ans Ende ausgehaltene Büßung Christi hat uns auch eine Kraft errungen, die in seiner Gemeinschaft uns stärker macht als alle Lüste und Begierden. Schwinge jene Geißel auf dich selber, und du wirst die Sünde nicht herrschen lassen in deinem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in seinen Lüsten. Dieselben Glieder, die früher als Waffen der Sünde gedient hatten, begibt man dann Gott, als ein aus den Toten lebendig Gewordener, und so werden sie Glieder Christi und Waffen der Gerechtigkeit. (Friedrich Lobstein)