Johannes 13,4
Andachten
Jesus stand vom Abendmahl auf, legte seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Darnach goss er Wasser in ein Becken, hob an den Jüngern die Füße zu waschen und trocknete sie mit dem Schurz, damit er umgürtet war. Da kam er zu Simon Petro, und derselbige sprach zu ihm: Herr, solltest du mir meine Füße waschen? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das weißt du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen. Jesus antwortete ihm: Werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Teil mit mir. Spricht zu ihm Simon Petrus: Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, der darf nicht, denn die Füße waschen, sondern er ist ganz rein. Und ihr seid rein; aber nicht alle. Denn er wusste seinen Verräter wohl, darum sprach er: Ihr seid nicht alle rein.
Joh. 13, 4-11.
Ganz rein ist Jesu treuer, gläubiger Jünger, der ist im Bade der Erstlingsbuße und Bekehrung über und über gewaschen. Nun aber geschieht es der reingewordenen Seele wie dem Leibe. An des Leibes frischgewaschene Füße hängt sich Staub; so hängt sich an die reingewordene Seele beim täglichen Wandel die tägliche Sünde, die Sünde der Schwachheit und unvollkommener Liebe. Und wie drum die Füße des Reinen dennoch immer wieder gebadet werden müssen, so bedarf die reine Jüngerseele eine Reinigung und Entledigung von täglicher Sünde. Und diese Reinigung von der täglichen, im armen Leben wegen unserer Schwachheit unvermeidlichen Sünde ist es, welche Jesus beim Fußwaschen im Sinne hat, von welcher die Fußwaschung ein Abbild ist. Wenn Petrus sich die Füße nicht waschen lässt, hat er keinen Teil an Jesu; denn wer die tägliche Sünde nicht los haben will, wer etwa gar, weil es der Würde des Erlösers zu nahe treten soll, täglich, alle Tage reichlich, Sünde zu vergeben bei der falschen Lehre bleiben wollte, dass nach der allgemeinen Waschung im Bade der Taufe keine Vergebung der täglichen Sünde durch Christum verdient sei: der hat keinen Teil an Jesu. Seiner Füße Schmutz würde am Ende die Reinigung des Leibes verhöhnen und vernichten.
Ferner, wenn Petrus statt der Füße allein Haupt und Hände gewaschen haben will, vergisst er die Reinigung in der Taufe, vergisst er, dass er ja schon Jesu Eigentum und rein ist; er tritt seiner Taufe zu nahe und verwechselt die tägliche Reinigung mit der anfänglichen, die Heiligung mit der Wiedergeburt und das ist gefehlt. Denn nachdem der Herr Petrum schon erwählt hat, nachdem er schon erneut ist in der Taufe, bleibt ihm eins nötig: die Versicherung, dass seine tägliche Schwachheitssünde ihn nicht von Jesu reißen soll. Diese ist es, welche der Herr den Seinen zur Lette gibt und damit wird sein Beispiel der Demut erst recht vollkommen, und seine Jünger werden aber damit erst recht zur Nachfolge seiner Demut vermahnt. Oder ist der Herr nicht demütiger, wenn er die täglichen Sünden seiner Schüler trägt und abwäscht, als wenn er einmal ihre staubigen Füße wäscht? Ist das nicht ein demütiger Gott und Heiland, der, voraussehend, dass wir täglich sündigen, auch mitten im Scheine seiner sonnenhellen Gnade eine tägliche Arznei bereitet und sie mit beständiger Geduld uns reicht bis ans Ende? Und muss nicht uns gerade das am allermeisten zur Nachfolge reizen? Was drückt am allerschwersten, wenn wir sein sind? Die tägliche Unvollkommenheit. Und nach der eigenen, was dann? Die tägliche Unvollkommenheit der Brüder. Nun haben wir Vergebung für unsere tägliche Sünde von dem demütigen Heilande und das sollte uns nicht reizen, des Herrn Gebot von der Demut zu erfüllen und unsern Brüdern dennoch zu dienen, obschon uns ihre tägliche Sünde belästigt? Wir werden so geduldig getragen, so demütig mit Vergebung bedient: und wir sollten nicht geduldig und demütig tragen nicht auch gern bis ans Ende jedes Bruders Füße waschen?
Was wollen wir antworten? was können wir antworten, als ein tiefbeschämtes: Ja!? (Wilhelm Löhe.)
Da stand Er vom Abendmahl auf und legte Seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete Sich. Danach goss Er Wasser in ein Becken und hub an den Jüngern die Füße zu waschen.
Demut. Welch ein unvergleichliches Bild der Demut! In demselben Augenblicke, wo Er den Thron vor Augen hat, Engelchöre Seinem Ohr ertönen; da die Stunde gekommen war, dass Er aus dieser Welt ginge; in dem erhabenen Bewusstsein Seiner unvergleichlichen Würde, und dass Er von Gott gekommen war und zu Gott ging; da nahm Jesus einen Schurz und umgürtete Sich, und hub an, den Jüngern die Füße zu waschen! Die himmlischen Heerscharen waren in jenem Augenblick bereit, ihre vereinten Kronen vor Seinen Füßen niederzuwerfen. Doch der Hohe und Erhabene, der die Ewigkeit bewohnt, ist auf Erden als ein Dienender!
Jene unendliche Herablassung! sagt ein Frommer, sie versenkt alle menschliche Demut in Nichts, und macht es für den Menschen unmöglich, sich zu demütigen.
Die Demut folgt Ihm von Seiner Geburtsstätte im Stalle bis zu Seinem geborgten Grabe. Sie umgibt alle Seine Handlungen mit einem sanften Glanze. Den geistlich Armen, den Leidtragenden, den Sanftmütigen, gelten Seine ersten Seligsprechungen. Nur gegen eine Klasse war Er strenge, gegen die, welche auf Andere herabsahen. Wie Er auch beschäftigt sein mag: ob Er Seine Wundertaten verrichtet, oder von Engeln besucht wird, oder kleine Kinder in Seine Arme nimmt, so steht Er vor uns an getan mit der Demut. Ja, es wird Seine Demut desto auffallender, je mehr Er Sich der Herrlichkeit nähert. Vor Seinem Tode nennt Er Seine Jünger Freunde; später, Brüder, Kinder. Wie traurig ist der Unterschied zwischen dem Meister und Seinen Jüngern! Kaum waren zwei Stunden vergangen, seit Er ihnen die Füße gewaschen, da erhob sich ein Zank unter ihnen, welcher unter ihnen sollte für den Größten gehalten werden! Möge dieses geistige Bild unseres demütigen Erlösers stets vor unseren Augen sein! Sein Beispiel redet zu uns, mit stummer Beredsamkeit, und zieht uns von unserer stolzen Selbsterhöhung herab. Es kann gewiss für uns kein zu demütigendes Liebeswerk geben, da Er Sich so herabließ. Wir wollen es zufrieden. sein, die niedrigste Stelle einzunehmen; das Glück und die Erhebung eines Anderen nicht beneiden; nicht wie Diotrephes, welcher wollte hochgehalten sein, sondern gerne bereit, gering gehalten zu werden; mit dem Täufer, den Blick auf den Herrn gerichtet, sprechen: Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen!
Wie große Ursache haben wir, demütig zu sein! Die fortwährende Befleckung unserer Seelen, und selbst das, was teilweise gut an uns ist, wie vermischt ist es mit Unvollkommenheit, Eigennutz, Anmaßung und Ruhmredigkeit! Ein stolzer Christ ist ein Widerspruch. Der Seraph (Vorbild der christlichen Kirche und der Gläubigen) hatte sechs Flügel, zwei für Botschaften der Liebe, aber mit vieren deckte er sich! Es ist sehr schön gesagt worden: Du bist dem Strome des lebendigen Wassers am nächsten, wenn du dich beugen musst; du kannst nicht trinken, ohne dich zu bücken. Das Korn auf dem Felde beugt das Haupt, indem es reift; also, indem er zum göttlichen Leben reift, beugt sich der Christ in dieser demütigen Tugend. Christus nennt die Seinen (im Hohen Liede) Rosen, - doch es sind Rosen im Tale, (Hoh. Lied 2,1.) sie können nur im Verborgenen gedeihen!
So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes. Segelt, sagt Rutherford, mit niederem Segel. Die Demut ist das Ordenszeichen deines teuren Herrn; das Kennzeichen Seiner Familie und ihre Ähnlichkeit mit Ihm. Ich wohne bei denen, so demütiges Geistes sind. Ja, das in Demut geheiligte Herz ist ein zweiter Himmel! (John Ross MacDuff)