Lukas 9,28
Andachten
Und es begab sich nach diesen Reden bei acht Tagen, dass er zu sich nahm Petrum, Johannem und Jakobum, und ging auf einen Berg, zu beten.
Es lohnt sich wohl darauf zu achten, dass die meisten großen Taten Gottes auf Bergeshöhen geschehen sind. Auf dem Ararat landete nach den grauenvollen Tagen der Sündflut die rettende Arche und von diesem herrlichen Bergaltar stieg die Familie Noahs in die Ebene hinab, um ein neues Menschenleben zu beginnen. Auf dem Berge Morija hat Abraham, der Vater der Gläubigen, seine größte Glaubenstat vollbracht, da er seinen Sohn Isaak opferte. Auf der Höhe des Sinai wurde Moses berufen, Israels Erretter zu sein, ebendaselbst schaute er später Gottes Herrlichkeit, da er 40 Tage und 40 Nächte mit Gott allein war; die Höhe des Sinai wurde auch zum Thron der Majestät Jehovas, wo er unter rollendem Donner den ewigen Bund schloss mit dem zitternden Israel, und 700 Jahre später schaute auf diesem Berg der Prophet Elias ein Gesicht, darüber sein Antlitz in den Staub gebeugt wurde. Auf einem Berge, dem Nebo, legte Moses sein müdes Haupt zum Tod nieder, nachdem er vorher Kanaans Herrlichkeit von Ferne geschaut. Auf den Bergen Ebal und Garizim wurde in dem soeben eroberten Kanaan Fluch und Segen des Gesetzes verlesen. Und was sollen wir sagen von dem Zion, wo Davids Burg stand, und von dem Morija, wo im Allerheiligsten Jehova wohnte, über goldenen Cherubim; - von diesen Bergen, die durch ein Jahrtausend umtönt waren von den Lobgesängen Israels? Was sollen wir sagen von dem herrlichen Bergaltar des Karmel, hoch über dem brandenden Ozean, wo Elias unter wunderbaren Offenbarungen Jehovas der Reformator des abgefallenen Israels wurde?
Am wichtigsten aber muss uns sein, dass unser Heiland die Berge so liebte. Auf eine prächtige Bergeshöhe führte ihn der Teufel, da er ihn versuchen wollte, auf die Berge ging er, wenn er beten wollte, auf einem Berg hielt er die Predigt, daran nun alle Prediger der Welt das Predigen lernen müssen, bis ans Ende der Tage; auf dem Ölberge rang er mit dem Tod, auf der Höhe Golgathas brachte er selbst sein heiliges Leben dar, als ein Sühnopfer der Welt; und von demselben Ölberg aus, wo er des Todes Bitterkeit schmeckte wie nie ein Mensch, ging er verklärt ein in die Herrlichkeit des Vaters.
Die Berge sind gleichsam Altäre des ewigen Gottes. Hier, hoch über dem Gebrause und Getreibe der Welt, wird es den Herzen leichter, Stille und Sammlung zu finden; hier ist man den strahlenden Lichtern des Himmels so viel näher; ja man meint, Gott selbst näher zu sein; hier, wo so reine, frische Gottesluft weht, wo die Stimmen der Menschen schweigen, wo die Erde noch jungfräulich rein, noch nicht gedüngt ist von so viel Blut und Tränen der sündigen Menschenkinder, hier, wo man mit weitem Blick und lichtem Auge Gottes herrliche Werke schaut, den ganzen Himmel und weite Lande überblickend und doch von Niemandem gesehen, hier scheint es leichter, die Stimme des Ewigen zu hören. Darum, wer selbst viel auf Bergen gestanden hat, der versteht die Sehnsucht und das bittere Heimweh der Bergbewohner, die in die Ebenen verschlagen sind.
Vor allen Dingen aber verstehen wir, wie dies geheimnisvolle, wunderbar-herrliche Ereignis der Verklärung Christi eine stille, weitausschauende Bergeshöhe fast erforderte. Es würde von der heiligen Poesie dieser Geschichte unendlich viel verloren gehen, wenn sie sich, statt auf einem hohen Berg, in einem Privathaus oder etwa in einem Maisfeld ereignet hätte. Und nun denke man sich gar diesen Tabor, wo nach uralter Überlieferung dieses Wunder geschehen ist! 2000 Fuß hoch ragt er über den Spiegel des See Genezareth, von unten bis oben in einen herrlichen Mantel immergrünen Waldes gehüllt. Wie ein König steht er da, alle die niederen Höhen des weiten galiläischen Berglandes wie kniend und anbetend vor ihm. Und welch ein Anblick bot sich den Wandersleuten, Jesus und seinen drei Jüngern, als sie auf der grünen glatten Fläche dieses Bergaltares ankamen! Im Norden die syrischen Alpen, der Libanon, mit seinen leuchtenden Firnen, von ewigem Schnee bedeckt; im Westen der stolze Karmel und dahinter wie Silber leuchtend das Mittelmeer; und rings zu ihren Füßen das schöne Galiläa, ein großer, lachender Gottesgarten, besät mit Städten und Dörfern. Ja, wahrlich, das war ein Platz, wo Erde und Himmel dem Schönsten unter den Menschenkindern zujauchzten, ein Platz wie geschaffen zur Verklärung des Eingeborenen vom Vater.
Nun, wir können nicht dahin gehen; manche der Leser haben vielleicht noch gar keinen Berg bestiegen, andere haben über dem, was gesagt wurde, Heimweh nach ihren Heimatsbergen bekommen, denen sie nun so ferne gerückt sind.
Aber nur stille! Wir Alle, gleichviel ob Berg- oder Talbewohner, sind schließlich hier auf Erden doch alle in der Tiefe, wenn wir an die Berge denken, da Gott wohnt und von denen unsere Hilfe kommt. Ach, dass wir's Alle nur recht lernten, Augen dahin aufheben und immer wieder aufheben. Möchten wir's Alle nur im kindlichen Glauben recht lernen und üben, die Himmelsleiter zu steigen, die Jesus Christus heißt: und die auch aus den finstersten Abgründen der Erde zu den Wohnungen Gottes, zu den Bergen, da Jehovas Thron steht, hinaufführt. Da wird dann auch unsere Hütte stehen und auf diesem „Berg“ wird Gott dann abtun alle Hüllen, womit wir noch umhüllt sind, wird die Tränen von unseren Angesichtern wischen und den Tod verschlingen ewiglich. (Jes. 25,6-9.)
Himmelan! Mein Glaube zeigt
Mir das schöne Los von Ferne,
Dass Herz schon aufwärts steigt
Über Sonne, Mond und Sterne.
Denn ihr Licht ist viel zu klein
Gegen jenen Glanz und Schein. (Otto Funcke)