Lukas 5,8
Andachten
Da das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu den Knien und sprach: Herr, gehe von mir hinaus, ich bin ein sündiger Mensch; denn es war ihn ein Schrecken angekommen.
Wenn der Herr uns seine Segensgaben in überreichlichem Maße oder in unerwarteter Weise in den Schoß schüttet, wie er das bei dem wunderbaren Fischzuge des Petrus getan hatte, sei es, dass der Herr uns in geistlicher Beziehung zu Teil werden lässt Friede, Licht, Kraft, Trost, sei es, dass er für das irdische Leben uns beschert Erfolg bei der Arbeit, Errettung aus Gefahr, Geld und Gut, treue Liebe und freundliche Teilnahme unserer Mitmenschen, dann kommt alles darauf an, sich in rechter Weise dankbar der Gottesgaben zu freuen. Ist man im tiefsten Herzensgrunde ein selbstgerechter Pharisäer, so freut man sich mit einer Freude, die das Herz übermütig, stolz, selbstvertrauend, ja, in geistlichem Hochmut verblendet macht, und wenn man mit Worten auch dankt, so klingt in solchem Dank immer jenes „ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin, wie andere Leute“ hindurch. Echte Freude, bleibenden Segen können die Gaben des Herrn nur bringen, wenn sie empfangen werden von einem Herzen, das durch Gottes Wort erkannt hat die eigene Sünde und die unverdiente, unergründliche Barmherzigkeit Gottes. Ein solches zum Empfang der Gottesgaben wohlbereitetes Herz stellt sich uns in den obigen Worten Petri dar; die rechte Freude ist eine Freude mit Zittern, die rechte Dankbarkeit ist eine Dankbarkeit in tiefster Demut; „Herr, gehe hinaus von mir“, das ist der Ausdruck jenes Zitterns: „ich bin ein sündiger Mensch“; das ist das Bekenntnis, welches aus der Demut kommt; und doch liegt in beidem zugleich ein Ausbruch tiefinnigsten Dankes und höchster Freude; wie hätte sonst Petrus alles verlassen und dem Herrn nachfolgen mögen? Aber warum ist solche Freude mit Zittern gerade die echte Freude? Weil diese Freude in der Erkenntnis unserer Sünde uns die Gnade des Herrn in ihrer ganzen Größe und Herrlichkeit schauen lässt, weil diese Freude in dem Bewusstsein des Abstandes zwischen dem heiligen Gott und dem unreinen Sünder keine trügerische Freude, sondern eine Freude in der Wahrheit ist, weil diese Freude in dem Gefühl demütigen Dankes eine fruchtbare Freude ist, die uns treibt, unsere Dankbarkeit in der Nachfolge des Herrn zu beweisen, und endlich weil diese Freude in der Erfahrung des störenden Einflusses, den die Sünde auf sie übt, mit der Furcht vor der Sünde verbunden ist, uns nötigt, gegen die Sünde zu kämpfen und uns dadurch wiederum in der Freude wachsen lässt. Darum ist Freude mit Zittern die echte Freude, weil sie ein Vorbild und eine Weissagung auf die himmlische Freude der sündlosen, vollendeten, in der Wahrheit geheiligten, aus Gnaden erneuerten Menschheit ist und uns dem Ziel entgegenführt, wo unsere Freude vollkommen sein wird. Gott helfe uns Täter des Wortes Psalm 2, 11 zu werden: Dient dem Herrn mit Furcht, freut euch mit Zittern. (Thomas Girgensohn)
Herr, gehe von mir hinaus! ich bin ein sündiger Mensch.
Erfolglosigkeit und Erfolg liegen oft weit auseinander. ES gibt Menschen, die von der Erfolglosigkeit ununterbrochen verfolgt werden, es gelingt ihnen nichts. Das ist bedenklich. Es ist kein Wunder, wenn Gott einem Menschen Dieses und Jenes nicht gelingen lässt, um ihn zu demütigen; aber wenn einem Menschen nichts gelingen will, so frage er sich: ist Gott mit mir? Und wenn Gott nicht mit ihm ist, so steht er nicht richtig zu seinem Gott. Vielleicht fehlt es ihm an Demut und Bescheidenheit? Hat man ein offenes Auge, so kann man oft sehen, wie gründlich verfehlt das Leben einzelner Menschen ist, um ihres Hochmuts willen; sie wollen immer hoch hinaus und Gott lässt ihnen nichts gelingen. Wohl dem Menschen, den Misserfolg demütigt! Wehe aber dem Menschen, den er verbittert! Fast ebenso schlimm als Letzteres ist völlige Mutlosigkeit und Verzagtheit, in die man durch Misserfolg kommen kann. Petrus und seine Mitarbeiter hatten auch erst Erfolglosigkeit; die ganze Nacht hatten sie gearbeitet, aber nichts gefangen. Wir merken nicht, dass diese Erfahrung ihnen geschadet hätte. Paulus sagt in Phil. 4, 12. 13: ich habe gelernt, bei welchen ich bin, mir genügen zu lassen; ich kann niedrig sein und kann hoch sein; ich bin in allen Dingen und bei Allen geschickt, beides, satt sein und hungern, beides, übrig haben und Mangel leiden. Ich vermag Alles durch den, der mich mächtig macht, Christus. Das ist der richtige Stand, wenn man Überfluss und Mangel vom Herrn annimmt, und bei dem Einen wie bei dem andern demütig ist. Erfolg macht ja sehr leicht hochmütig; es ist Gefahr, ihn sich selbst zuzuschreiben. Petrus demütigt sich tief bei dem reichen Fischfang. Herr gehe von mir hinaus! ich bin ein sündiger Mensch, ruft er aus. Er fühlt sich des Segens, der vor ihm liegt, unwürdig und sieht in dem großen Fischfang die Majestät der Macht und Liebe des Herrn, dem er sich zu Füßen wirft. Demut im Glück ist nicht Jedermanns Ding; Viele können das Glück leider nicht ertragen. Aus den Menschen, die Gottes Güte beugt, kann Gott etwas Großes machen, weil sie ihm die Ehre geben. Das erfüllte sich auch bei Petrus: der Herr machte ihn zum Menschenfischer, gab ihm den höchsten Beruf.
Herr, hilf mir Alles, was mir begegnet, aus Deiner Hand annehmen, damit ich in Demut stets Deinen Namen preisen könne. Amen. (Elias Schrenk)
„Ich bin ein sündiger Mensch.\\“ Es dauert geraume Zeit, ehe ein Mensch über dem Suchen nach einem festen Halt für seine Seele bei dieser Wahrheit anlangt. Er hat sie wohl schon lange geahnt, aber er hat sich gescheut, ihr zu begegnen; so lange er konnte, ist er ihr ausgewichen, und zog sich zurück in sich selber. So lange sein Herz sich an die Dinge der Welt hing, wusste er nicht, was inneres Leben war; jetzt seitdem ein Hungern und Dürsten nach dem höchsten Gute ihn verzehrte, jetzt ward er inne, dass das innere Leben des Menschen sein eigenstes, sein wahrhaftigstes Leben ist; hier ist der Quell aller Schmerzen zu suchen, die ihn ängstigen, hier, wähnte er, müsse also auch der Born fließen, aus dem ihm das ersehnte Heil und das in der Welt nicht gefundene Lebensglück zuströmen könne. Darum fing er nun an, sich mit seinem Innern zu beschäftigen; er war bemüht, der Außenwelt, die ihn so arm und unbefriedigt gelassen, eine innere Welt entgegenzusetzen, in die er sich zurückziehen, in der er reichlich finden könnte, was ihm nach außen versagt war. Wie ein kluger Baumeister sein Haus gegen jeden Einfluss der Witterung sichert und verwahrt, und der Wetterseite einen doppelten Schutz entgegenstellt, so suchte er sich von dem Wechsel der Außendinge frei zu erhalten; was ihm auch das Leben schon genommen hatte, er wollte es männlich tragen und tapfer verschweigen; das Leid und der Schmerz, sie sollten ausgeschlossen bleiben von seinem Innersten; durch die Kraft seines Willens wollte er sie ferne halten. In sich selber und an sich selber wollte er ein Genüge finden; dem gemeinen Weltsinn wollte er die eigenen hohen Gedanken entgegensetzen, und den Sünden und Lastern der Weltkinder gegenüber die Tugend eines reinen Herzens zur Darstellung bringen. Er war es inne geworden, dass nur das Gute den Menschen beglückt, und dass so lange er im Guten steht, auch die Trübsal, die von außen kommt, seinen inneren Frieden nicht aufheben, das Gleichgewicht seiner Seele nicht erschüttern kann; und er wollte gut sein. Es war sein Wille, sein Stolz, aber auch seine ganze Arbeit; und weil er wusste, dass die Sünde nicht mit der Tat, sondern mit der bösen Lust, mit dem sündigen Gedanken beginnt, darum waren alle Sinne seines Geistes beobachtend und prüfend nach innen gerichtet. Er behütete seine Worte; er belauschte seine innersten Gedanken; über die kleinste Sünde, die er traf, ward das strengste Gericht gehalten: in der kleinen Welt seines inneren Lebens sollten nur reine Geister wohnen, nur himmlische Mächte walten können; darum musste Alles, was mit Sünde gekennzeichnet war, als ein unberufener Eindringling, als ein Störenfried seines Glückes ausgewiesen werden. - Ach, das war eine große und bittere Täuschung, die ihm jetzt bereitet wurde! Wie unendlich viel Sünde und Elend konnte er jetzt erst gewahren, als er mit geschärftem Geistesblick die Tiefen seiner Seele zu durchforschen begann! Ach, es war nicht bloß Schwachheit, die er an sich gewahrte; die Wurzel aller Sünde, die Selbstsucht, sie hatte mit tausend und aber tausend Fasern den Boden seines inneren Lebens, sein Denken, Fühlen, Wollen und Empfinden durchzogen; die niedrigste Gesinnung des Neides, der Missgunst, sie war ihm nicht ferne; es gab Stunden, wo das kleinste Missgeschick ihn tief verbittern konnte, und andere, wo die Liebe völlig erkaltet und erstorben schien. Die Taube Noahs, seine nach einem festen Halt begehrende Seele, hatte in der eigenen Gerechtigkeit als in einer rettenden Arche Schutz gesucht, aber diese Arche wollte sie nicht länger über den wogenden Wassern der Sündflut emporhalten; sie war nicht dicht genug; er sah durch tausend geöffnete Fugen die Strömung hineindringen; die Arche begann zu sinken; der Außenfeind, vor dem er sich in die wohlverwahrte Feste zurückgezogen hatte, siehe, er war mitten in der belagerten Burg; die feste Wandung des eigenen sittlichen Wollens hatte ihn nicht abgehalten; Schloss und Riegel der guten Vorsätze hatten ihn nicht auszuschließen vermocht; die Außenwelt hatte ihm einen Widersacher gezeigt, den er verachten musste: in der Tiefe seines Herzens aber gewahrte er den Feind, der ihn zittern machte! (Julius Müllensiefen)