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Lukas 2,48

Lukas 2,48

Andachten

Und da sie ihn sahen, entsetzten sie sich. Und seine Mutter sprach zu ihm: Mein Sohn, warum hast du uns das getan? Siehe, dein Vater und ich haben dich mit Schmerzen gesucht.
„Die Eltern entsetzten sich;“ das glaube ich wohl. Ihr Kind, das bis dahin immer nur unter geringen, ungebildeten Leuten verkehrt hatte, sitzt ganz gemütlich mitten unter den berühmten Theologen, an die sie selbst sich niemals gewagt hätten, und es redet mit ihnen so unbefangen, so natürlich, als wären sie seine Väter! Und weiter, sie sind so aufgeregt, innerlich aufgewühlt, und das Kind so friedereich und still, als wäre nichts; sie sind so angstvoll und das Kind so froh und glücklich! Das macht sie ganz erstarrt.

Maria aber, da sie nun ihren verlorenen Liebling in die Arme schließt, kann nicht umhin, ihm einen Vorwurf zu machen. Und scheint es nicht, als ob der mütterliche Tadel durchaus berechtigt war? Es scheint freilich so und zur äußerlichen Nachahmung lässt sich diese Handlungsweise Jesu unseren Kindern auch nicht empfehlen. Dennoch ist der Vorwurf nicht am Platz, denn man darf Jesum nicht überall mit dem gewöhnlichen Maßstab messen. Wir finden schon an genialen Menschen gar Manches groß und löblich, was für Leute des durchgängigen Schlages durchaus tadelnswert ist. Wenn zum Beispiel Sokrates auf einem Kriegsmarsch nach Theben, durch den Anblick der untergehenden Sonne zu großartigen Gedanken angeregt, plötzlich stehen bleibt, und zwar 24 Stunden, wie angewurzelt auf demselben Fleck in seine Gedanken versunken stehen bleibt, so ist das zwar im Interesse der militärischen Disziplin mit Nichten zu empfehlen, dennoch hat der atheniensische Offizier, der ihn ruhig stehen ließ und nicht vorwärts kommandierte, den Dank der Nachwelt verdient. - Oder wenn jenes sechsjährige Kind, in dem ein gewaltiger Künstlergenius steckt, stundenlang auf ein Ölgemälde hinstaunte und darüber Mittagessen, Schule und die ganze Welt vergaß, so haben die Eltern das keineswegs ihren andern Kindern empfohlen und doch etwas Großes und Hoffnungsreiches darin gefunden.

In ungleich höherem Sinn lässt sich das Alles auf den Jesusknaben anwenden, denn hier ist göttlich-heilige Genialität. Aus einer Übergewalt hoher himmlischer Ideen, gleichsam aus göttlicher Inspiration, ist es zu erklären, dass Jesus, angezogen durch die Dinge in seines Vaters Haus, zurückgeblieben war. In vollkommener Unschuld, Einfalt und Herzensreinheit hat er so gehandelt, wie er gehandelt hat.

So hätte denn auch Maria, - wenn überhaupt einmal Vorwürfe sollten gemacht werden, - klüglicher getan, sich selbst statt ihrem Sohne einen Tadel zu erteilen. Aber so sind wir Menschen ja. Ist irgend im Hause ein Unglück passiert, hat zum Beispiel der Sturm ein Fenster zerschlagen oder ist eins der Kinder vom Stuhl gefallen und hat Schaden erlitten, so sind wir flink darüber aus, die Schuld Anderen aufzupacken. Vernünftigerweise sollten wir erst unseren Anteil daran aufsuchen, so würden wir dann sänftiglicher und lehrreicher von der Sache reden. Nun aber fügen wir dem ersten Übel durch unsere Ungerechtigkeit ein zweites hinzu. Ach, dass wir doch im Kleinen und Großen immer redlicher darüber studierten, uns selbst zu richten und zu strafen, wie viel sonniger und fruchtbarer würde sich dann unser Leben gestalten!

Gib uns, Herr,
Immer mehr,
Dass wir uns ergründen
Und in dir uns finden! (Otto Funcke)

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