Lukas 23,51
Andachten
Und Joseph nahm den Leib, und wickelte ihn in eine reine Leinwand, und legte ihn in sein eigenes neues Grab, welches er hatte lassen in einen Fels hauen; und wälzte einen großen Stein vor die Tür des Grabes, und ging davon. Es war aber allda Maria Magdalena, und die andere Maria, die legten sich gegen das Grab. Und es war der Rüsttag, und der Sabbat brach an.
Als man in Rom vor etlichen Jahren die Trümmer einer alten Kaiserburg bloßlegte, hat man eine interessante Entdeckung gemacht. An der Wand des Pagenzimmers nämlich war mit rohem Instrument ein Bild eingekritzelt, ohne Zweifel ein Werk der kaiserlichen Bedienten, die hier ihre Behausung hatten. Das Bild stellte einen Gekreuzigten dar, der gekreuzigte Mann aber hatte statt eines menschlichen Hauptes einen Eselskopf. Unter diesem Kreuz nun kniete ein Page und daneben stand mit kurzem Wort: „Cajus betet seinen Gott an“. Ohne Zweifel war dieser Cajus ein christgläubiger kaiserlicher Diener, der hier seines Glaubens wegen verspottet wird. Zugleich wird durch den Eselskopf der Gekreuzigte selbst verspottet als der größte Narr. „Ein Narr war der Gründer des Christentums und Narren sind es, die Ihn anbeten;“ - das ist der Sinn des Bildes. Das kleine Bild aber lässt uns in die großen Leiden eines stillen Christus-Jüngers am alten Kaiserhofe hineinschauen. Der Glaube an einen gekreuzigten Gottessohn und Heiland dient den stolzen Heiden zum hauptsächlichsten Anstoß. Hier fand ihr Witz, ihr Hohn, ihr Hass den glänzendsten Stoff. An dieser göttlichen Torheit spitzten die Leute in der Bedientenstube und die Männer auf dem Katheder ihre giftigsten Pfeile. Und nicht nur die Heiden vergangener Tage. Nein, man braucht nur die bitteren und grimmigen Spöttereien vieler moderner Dichter und anderer Schriftsteller zu lesen und man erkennt, dass der Widerwillen gegen Christi Kreuz im Lauf der Jahrhunderte nicht abgenommen hat.
Unterdessen, wie man auch immer darüber spotten mag, „dass die Welt zu ihres Glaubens Symbolum sich einen Galgen hat erwählt,“ - das werden dennoch selbst die ehrlichen Feinde nicht leugnen können, dass seit dem Tage von Golgatha auf Erden gar Vieles anders geworden ist und wahrlich nicht zum Schaden der Welt. Eine neue Liebe und eine neue Hoffnung sind wie zwei starke volle Lebensströme von der Schädelstätte aus in die Welt der Selbstsucht und des Todes hineingeflossen, und wo sie hinkamen, da blühten Himmelsblumen auf. Und trotz allen Gespöttes wird doch kein denkender Mensch die Stimme des Evangeliums hören, ohne dass ihm das „Vollbracht!“ Jesu manchmal in stiller Stunde das Herz erschütterte. Die wahren Jünger Jesu verstehen es mit Frohlocken, was es heißt, wenn Lukas über das Felsengrab Christi mit stillem Triumph die majestätischen Worte schreibt: und der Sabbat brach an.
Sämtliche Evangelisten berichten, dass Jesus ins Grab gelegt sei. Aber sie Alle machen auch aufmerksam darauf, wie dem schmerzensreichen, schmachvollen Kreuzesleiden eine so unerwartet feierliche, fast vornehme Bestattung gefolgt sei. Es waltet und webt etwas Unaussprechliches, Wunderbares von heiligem Licht und lebensvollem Gottesfrieden um die stille Grabesgruft in Josephs Garten. Die Hoffnung ist nicht mit Jesu gestorben; ahnungsvoll, in Gestalt treuer Jüngerinnen, sitzt sie am Grabstein und die Furcht der Feinde Jesu kauert daneben; sie ist mächtiger erwacht, trotzdem sie ihren bösen Willen durchgesetzt hatten. (Matthäus 27,62 ff.) Wir aber wissen es jetzt, dass Christi Tod unserem Tod den Stachel, dass sein Grab die Finsternisse unseres Grabes hinweggenommen hat. Die Gräber der Menschheit, die bis dahin die Stätten des höchsten Grauens und der trostlosesten Tränen waren, sind seit dem Tag, da Christus im Grab lag, von dem Lichte seliger Hoffnung umglänzt. Ja, der Sabbat fing an, da Jesus einging in die Grabesruhe. Sabbatsstille, Sabbatsfreude, Vorschmack ewiger Sabbatsfeier sind fortan in den Herzen, die Jesu Kreuz und Grab verstanden haben.
Das wollen wir ja nicht leugnen: Auch uns Christen will's oft noch grauen vor dem Todeskampf. Es graut uns vor dem geheimnisvollen Augenblick, da der Faden unseres zeitlichen Lebens zerreißt, da wir dann nicht mehr atmen werden in dieser Welt.
„Was bleibt dann noch?“ diese Frage kann zuweilen mit unendlicher Angst auch ein Christenherz erfüllen. Und nun gar das Grab, mit seinen Schrecken, mit seinem Modergeruch!
Wer möchte sich da hineindenken? Aber nicht wahr, es scheint uns oft so unmöglich, dass wir überhaupt noch sein werden, wenn unser Leib so kläglich verdirbt? Wer kann sich ein Leben denken ohne in einem Leib?
Wenn's aber so in dir stürmt, so setze dich zu den beiden Marien an das Grab deines Heilandes hin, auf dass es stille in dir werde. Sage dir: Er ging in sein Grab und Er geht auch mit mir in das meine; Er ging heraus, Er lässt auch mich nicht darin. Auch ins Grab hinein geht seine Verheißung mit: Siehe, ich bin bei dir! Darum fürchte dich nicht, glaube nur! Ja, glaube! glaube, allem Schauen zum Trotz, dass Jesus der Fürst des Lebens und dein Heiland ist. (Otto Funcke)