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Lukas 23,49

Lukas 23,49

Andachten

Es standen aber alle seine Verwandten von ferne, und die Weiber, die ihm aus Galiläa waren nachgefolgt, und sahen das alles.
Sie, die seine Liebe am häufigsten erfahren, sie, vor deren Augen er seine Herrlichkeit am mehrsten offenbart, sie, die ihm am lebhaftesten Treue geschworen, sie, die als Genossen seines Lebens vor anderen die Verpflichtung gehabt hätten, mit ihm auszuharren in jeder Not - sie standen von ferne in der Stunde der Schmerzen. O, auch hierin müssen wir unserem Erlöser ähnlich werden, auch die schmerzliche Erfahrung müssen wir mit unserem Erlöser machen, dass uns die im Leiden oft die wenigste Teilnahme schenken und uns oft die Hilfe in unseren Bedrängnissen versagen, welche wir am treusten gesegnet, am innigsten geliebt und des größten Vertrauens gewürdigt haben.

Doch nicht in dieses schmerzliche Gefühl wollen wir uns versenken und nicht verweilen bei der Erinnerung an erlittene Kränkung unter dem Kreuze dessen, der für seine Mörder betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Aber die Frage wollen wir mit heiligem Ernste an unser Herz richten, ob auch wir nicht ferne stehen von dem Erlöser, ob wir jenen im Glauben schwankenden und schwachen Gemütern nicht gleichen, ob auch wir nicht ferne stehen von dem Kreuz des Erlösers, von welchem doch alles Heil und alles Leben in die Seelen der Menschen fließt? Vielleicht scheidet uns unsere falsche. Weisheit, unser Kleinglaube, unser irdischer Sinn von ihm? frage dich, ob dein Herz nach der Gemeinschaft des Geistes mit ihm gerungen und ob du den Segen jener Stunden festgehalten hast, in welchen seine Kraft dich anrührte und seine Liebe dich erquickte? Ach, bei diesen Fragen muss das redliche Herz seinen Schmerz und seine Klage laut werden lassen. So oft wir seine Herrlichkeit gesehen, so oft er uns auch bald durch Lieben bald durch Leiden zu sich gezogen hat, so ist doch unser Herz noch so ferne von ihm, es ermangelt so oft seiner tröstenden Gnadengegenwart, es kann immer noch nicht mit rechter Zuversicht sagen: Er ist in uns und wir in ihm.

O so werde es nun besser mit unserem Leben in Christo! So trete zu ihm hin und vereinige sich mit ihm, wer noch ferne steht von dem Quell des Lebens! Wir sehen seine unendliche Liebe, o so lasst uns ihn wieder lieben, der uns zuerst geliebt hat. Wir sehen seine Geduld und Ergebung; o, sein Bild senke sich in unseren innersten Geist, unser Herz werde sein Tempel also, dass wir mit dem Apostel sagen können: Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Ja, das sei unsere Freude, dass wir uns zu ihm halten und unsere Zuversicht sehen auf den Herrn Herrn. Lasst uns wachen und beten, lasst uns Gottes Wort treiben ohne Unterlass, dass wir Christum gewinnen. Ja, in ihm zu denken und zu empfinden, mit ihm zu reden und zu wirken, mit ihm zu leiden und zu sterben - darauf gehe das Dichten und Trachten unserer Seele. Alles lasst uns für Schaden achten, dies Eine ausgenommen: dass wir Christum gewinnen. Jede irdische Schmach lasst uns gern um seinetwillen auf uns nehmen, wenn uns nur der Geist Zeugnis gibt, dass wir allezeit vor unserem Erlöser sagen können: Herr! Du weißt alle Dinge, du weißt, dass ich dich lieb habe.

O du, der du die Liebe selber warst und geduldig als das Lamm Gottes der Welt Sünde trägst, lass dir wohlgefallen die Opfer des Dankes, die wir dir darbringen. Ewige Liebe und Treue weihen wir dir von neuem unter deinem Kreuze, dir soll jede Kraft unseres Daseins geheiligt, in dir soll jede Freude genossen, in dir jede Träne geweint werden. Stärke uns mit dem Geiste, der von dir ausgeht, und gieße die Ströme deiner Gnade über uns aus. In dir wollen wir leben, in dir wollen wir sterben; o Herr, erhalte uns in dir und führe uns in das Reich der Herrlichkeit, das du deinen Gläubigen verheißen hast. Amen. (Ernst Sigismund Ferdinand Schultz.)

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nt/42/lukas_23_49.txt · Zuletzt geändert: von aj
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