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Lukas 11,24

Lukas 11,24

Andachten

Wenn der unsaubere Geist von dem Menschen ausfährt, so durchwandelt er dürre Stätten, sucht Ruhe und findet ihrer nicht; so spricht er: Ich will wieder umkehren in mein Haus, daraus ich gegangen bin. Und wenn er kommt, so findet er es mit Besen gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin, und nimmt sieben Geister zu sich, die ärger sind denn er selbst; und wenn sie hinein kommen, wohnen sie da, und wird hernach mit demselbigen Menschen ärger denn vorhin.

Diese Worte enthalten ohne Zweifel zunächst eine Warnung für den Mann, den Jesus von seinem inneren und äußeren Jammer befreit hatte (V. 14.), dass er, der jetzt dem menschlichen Leben wiedergeschenkt war, nun nicht seine freigewordene Seele in den Dingen der Eitelkeit und Lüge verlieren solle, weil er sonst in doppeltes Verderben geraten werde. Aber die Warnung war doch, wie der Zusammenhang zeigt, vornehmlich an die Adresse der Pharisäer gerichtet, ja sie ist gradezu eine kurze Summa der Geschichte Israels. Vergeblich hatten die treuen Knechte Gottes von Moses an bis auf Jeremias mit dem Geiste der rohen Fleischlichkeit, der groben Götzendienerei, der Zuchtlosigkeit und Gesetzlosigkeit gerungen. Dann aber, nach den zermalmenden Gerichten unter Nebukadnezar, in der babylonischen Gefangenschast, war wirklich dieser „unsaubere Dämon“ ausgetrieben. Ein totaler Umschwung trat ein. Eine heilige Furcht vor Jehova, eine freudige Lust, ihm zu dienen und in seinen Geboten und Rechten zu wandeln, beseelten das Volk. Leider schwand das neue Leben bald wieder, aber die frommen ernsten Formen, Zeremonien und Werke blieben; ja man suchte durch doppelte Strenge in der äußeren Erscheinung des religiösen Lebens den inneren Mangel zu verhüllen.

Hatte sich das Volk vorher wenig um die Sabbatsfeier gekümmert, jetzt rührte es nicht Hand und Fuß zur Arbeit; jetzt disputierte man sogar darüber, ob man ein am Sabbat gelegtes Ei essen dürfe; jetzt ließen sich ganze Haufen jüdischer Soldaten lieber am Sabbat niederhauen, als dass sie ihre Hand an den Knauf des Schwertes legten. Was aber den Sabbat zum Sabbat macht, das fehlte trotz alledem, nämlich die innere Sabbatsstille, die Herzen, die sich dem Gott ihres Lebens ganz öffnen, um seines Geistes Wohnung zu sein. - Hatte man früher das Gesetz Jehovas oft ganz vergessen, ja auch äußerlich verloren - jetzt zankte man den ganzen Tag wegen einzelner Buchstaben, verwirrte seine Seele in elenden Wortklaubereien und kam über dem Allen nie auf die Grundabsicht des Gesetzes: Liebe zu Gott und dem Nächsten. Man tat sich nie genug in Reinigungen, Verzehntungen, bloß um im Grunde bleiben zu können wie man war. Man zahlte Geld so viel und noch mehr als gefordert wurde für Tempelschatz und Synagogen, das aber, ohne das alle Gaben keinen Wert haben vor Gott, das Herz, behielt man für sich. Hatte man vorher immer gebuhlt mit den Heiden, jetzt hasste und verachtete man sie in grimmigem Fanatismus. Man pochte darauf „Abrahams Same“ zu sein, vergaß aber, das Beste von Abraham anzunehmen, seine Demut gegen Gott, seine Liebe und Milde gegen die Mitmenschen. Ja, der unsaubere Dämon der groben Götzendienerei, der rohen, gesetzlosen Fleischlichkeit war ausgetrieben, aber verkleidet als ein hochkirchlicher, gesetzmäßiger Lichtengel war er wieder gekommen samt vielen Gesellen desselbigen Gelichters. Fortan herrschte er im geschmückten Hause ungestört, denn Niemand hielt diesen Geist des Pharisäismus für einen Dämon. Und doch war er es, der Jesum, den König der Wahrheit, ans Kreuz schlug.

Wer die Geschichte der christlichen Kirche kennt, der wird aus dieser Geschichte, auch aus der Geschichte der evangelischen Kirche, viele traurige Beispiele zur Erklärung unseres Textes finden. Aber im Leben der einzelnen Menschen geht es nicht anders. Wie oft geschieht es, dass ein Mensch, der bis dahin so ganz nur in den Dingen dieser Welt sein Leben hatte, auf irgend eine Weise zum himmlischen Leben erweckt wird? Die Nichtigkeit seines bisherigen Weltgetreibes wird ihm offenbar; zittern kommt über ihn, aufwärts und einwärts wendet er sich nun. Er wird ein kirchlicher Mann, sucht seine Gemeinschaft unter ernsten Christen, das ganze Leben bekommt einen religiösen Anstrich. Aber bald ereignet es sich, bitte, lieber Leser, merke scharf auf, vielleicht ist gerade von dir die Rede! - also: bald ereignet es sich, dass der neue Trieb durch deine Unwachsamkeit nachlässt, unmerklich schwindet das Leben; das Hungern und Dürsten, das Ringen nach wahrer Heiligung werden matt und matter. Freilich, ins äußere Weltgestrudel willst du nicht zurück; das ist dir ein für allemal vergällt; aber in die Tiefe des Selbstgerichts, der inneren Arbeit, des heiligen Kampfes magst du auch nicht hinein. Was geschieht? Der Dämon kommt wieder, aber im frommen, gottseligen Rock! Entweder du machst dir eine schöne Theorie von der Gnade, wonach es auf Ablegen der Sünde und auf Arbeit der Heiligung nicht so sehr ankommt, da doch der barmherzige Gott Alles tun muss. Oder du suchst den inneren Mangel zu ersetzen durch äußere fromme Werke und Formen; du eiferst für die reine Lehre, du beteiligst dich an allen Arbeiten des Gottesreiches, du enthältst dich aller Dinge, die nach „Welt“ schmecken, du richtest hart über die Ungläubigen, und obgleich dich alle Welt für einen großen Glaubensmann hält, herrschen doch in dir die alten Dämonen, und sicherer, weil sie nicht mehr dafür gelten.

Ach, wir armen Menschenkinder sind durch die Sünde so von aller Einfalt und Lauterkeit abgekommen, dass wir leicht aus einem krankhaften System in das andere fallen, wenn wir nicht treu in dem Worte Jesu, und zwar in seinem ganzen Worte, bleiben. Ist, lieber Leser, der Dämon des groben Weltwesens, der dich im Eiteln gefangen hielt, ausgetrieben, so danke Gott auf den nieen. Aber wache, wache, dass nicht der Dämon einer scheinfrommen Gesetzeskrämerei oder einer übergeistlichen Gesetzlosigkeit heimlich wie eine Schlange durch die Tür deines Herzens einschleiche. Flehe täglich um Einfalt und Wahrhaftigkeit, und wenn du findest, dass du an Anderen so viel und an dir so wenig zu richten hast, dass du selbst so fromm bist und dass die Welt so gottlos ist -, wenn die ewigen Bedürfnisse in dir eingeschlafen und dafür nur allerlei äußere Frömmigkeitswerke entstanden sind, dann denke auch du an unser Textwort; dann ruhe nicht, bis Christus noch einmal mit der austreibenden Geißel durch dein Herz gezogen ist. (Otto Funcke)

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