Markus 7,33
Andachten
Und Er nahm ihn von dem Volk besonders und legte ihm die Finger in die Ohren und spützte und rührte seine Zunge. Und sah auf gen Himmel, seufzte und sprach: Hephata, das ist: tue dich auf!
Auch wir werden die Erfahrung machen, dass der HErr oft auf allerlei Umwegen und durch ganz unerhörte Königsschickungen die Seele zubereitet, bis der Augenblick, durch Seine Weisheit eingeleitet, herankommt, wo er zu uns das erlösende Hephata, das ist: „tue dich auf,“ spricht. O Heil den Seelen, die solches hören; o selige Stunde, wo das Ohr das teure Gotteswort in seiner erschütternden und zugleich tröstenden Kraft vernimmt! O, was ist das für ein wundertätiges Wort, eben dieses: „tue dich auf,“ das Christus in der ganzen Zeit, da Er im Fleisch wandelte, gesprochen hat, und dessen Wirkungen noch fortgehen, und nie aufhören, und so lange dauern, bis die Vollzahl des ganzen Geschlechts der Menschen zur Aneignung des Heils gekommen ist und die Zungen gelöst sein werden zum Preise des Höchsten! Tue auf dein Herz! O, das ist ein Wort, meine Lieben, wer's einmal vernommen und verstanden, kann's nicht vergessen, bis es am Ende der Tage entweder als furchtbare Anklage dir vorhält die große Geduld und Liebe deines Gottes, die du leichtsinnig von dir stößt, oder dich erquickt und beseligt, wie du hier schon in demselben einen Quell fortströmender Segnungen gefunden hattest. Amen. (C. A. Berkholz.)
Und er nahm ihn (den Taubstummen) vor dem Volke besonders und legte ihm die Finger in die Ohren, und spützte und rührte seine Zunge; und sah auf gen Himmel, seufzte und sprach zu ihm: Hephata, das ist: tue dich auf.
Was der Heiland nach diesen Worten an dem leiblich Taubstummen tut, das weist als ein Gleichnis darauf hin, wie er unsere geistige Taubheit und Stummheit heilen, wie er unser geistliches Ohr öffnen will, zu vernehmen sein Wort, unsere Zunge regsam machen will, Zeugnis von ihm abzulegen. Zunächst ergibt sich aus den vorstehenden Schriftworten: wenn unser Herz für Gottes Wort verschlossen erscheint, so können wir in eigener Kraft nichts daran ändern, ein hörendes Ohr, auch in geistlicher Beziehung, macht allein der Herr (Spr. 20, 1. 2). Damit er uns aber ein hörendes Ohr verleihe, kommt es darauf an, dass wir auf die Zeichen achten, die er uns bei der Heilung des leiblich Taubstummen gibt, und uns von diesen Zeichen leiten lassen. „Er nahm ihn vor dem Volke besonders“, heißt es; das verkündet uns, dass unser Herr, um uns zu heilen, auch uns besonders nehmen, uns z. B. durch schweres Leid, durch Krankheit in eine Lage bringen will, in der wir von den Eindrücken dieser Welt abgeschieden und zur Aufmerksamkeit auf den Herrn und seine Worte mehr als sonst veranlasst sind; lass dich von der Welt abwenden, schaue auf den Herrn, erkenne die Zeit deiner Heimsuchung, predigt uns dieser Zug in der Heilungsgeschichte. Weiter aber wird von Jesu erzählt: er legte ihm die Finger in die Ohren, spützte und rührte seine Zunge; er erinnert den Taubstummen an sein Leid, er will auch uns daran erinnern, er will uns schmerzlich fühlen lassen, was uns fehlt und damit Verlangen und Sehnsucht nach der Heilung wecken. Daraus können wir die tröstliche Weisung entnehmen: verzage nicht, wenn dein Ohr noch sehr unvollkommen den Gnadenruf deines Gottes, die Stimme des guten Hirten, die einzelnen Worte seiner Rede vernimmt, wenn deine Zunge zum Zeugnis ablegen für deinen Herrn wie gelähmt ist, ersticke nur nicht die Sehnsucht nach Heilung durch die Lust oder die Traurigkeit dieser Welt, sondern gedenke daran, dass der Herr die Leidtragenden, die Dürstenden, die nach Erneuerung Verlangenden selig preist. Ehe der Heiland aber noch den Taubstummen heilt, sah er auf den Himmel und seufzte; damit zeigt er dem Kranken, zeigt er auch uns an, dass alle gute Gabe im letzten Grunde von oben herab kommt, von dem Vater des Lichts, dass der Vater im Himmel aber solche Gabe, zumal geistliche Gabe nur dort geben kann, wo man zu ihm betet, zu ihm ruft und seufzt. Und gerade das stumme Seufzen des Herrn kann uns Mut machen zum Beten; es verkündet uns auf der einen Seite, wie der Mittler, um dessentwillen der Vater unsere Gebete hört, unsere Mängel und Leiden mit uns fühlt, es ermuntert uns auf der anderen Seite, wenn unser Mund in seiner Stummheit nicht zu beten versteht, doch darin nicht matt zu werden, uns am Seufzen und Stammeln genügen zu lassen, es erinnert uns daran, dass ja Gottes heiliger Geist selbst in den Christen sie vertritt mit unaussprechlichem Seufzen (Röm 8, 26), endlich aber spricht nun der Herr das lösende Wort für Ohr und Zunge des Taubstummen; mit seinem Worte: Hephata, tue dich auf, heilt der Heiland jenen Mann, mit seinem Worte heilt er alle geistlich Tauben und Stummen, die sich helfen lassen wollen. Dies, sein Wort, für das unser Ohr geöffnet werden soll, ist zugleich das Gnadenmittel, durch welches Jesus Christus, wie überhaupt einen neuen Menschen, so auch einen neuen Sinn, ein neues Ohr in uns schafft und stärkt. Ob wir hören oder nicht hören, ob wir verstehen oder nicht verstehen, das hängt im letzten Grunde lediglich davon ab, wie wir uns zu diesem Worte des Herrn in Schrift und Predigt stellen, ob wir mit zäher Treue an ihm halten oder nicht, ob wir uns ihm unterordnen, es an uns wirken lassen oder nicht. So ihr bleiben werdet in meiner Rede, spricht der Herr, so seid ihr meine rechten Jünger und werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen. Die, welche sich dem Worte Jesu zugänglich machen, werden die Wahrheit erkennen, werden ein Ohr bekommen für das, was kein natürliches Ohr gehört hat, und damit zugleich werden sie durch Jesu Wort frei werden, frei werden allmählig von allen Banden der Sünde, frei werden auch von den Banden, die ihre Zunge fesseln, dass sie immer besser beten können, dass sie unter den Menschen bekennen und verkündigen den Namen dessen, der die Tauben hörend und die Sprachlosen redend macht. (Thomas Girgensohn)