Matthäus 27,12
Andachten
Und da Er verklagt ward, antwortete Er nichts.
Als der HErr Jesus vor Kaiphas und den jüdischen Ratsherren von falschen Zeugen angeklagt wurde, schwieg Er still, Matth. 26,63., und als Er vor dem Pilatus von den Hohenpriestern und Ältesten verklagt wurde, antwortete Er auch nichts, Matth. 27,12. Dieses Stillschweigen war so sonderbar, dass sich Seine Richter selber darüber verwunderten, denn nach den jüdischen und römischen Rechten durfte ein jeder Beklagter auf die Anklage antworten, wie hernach Stephanus Ap. Gesch. 7. und Paulus Ap. Gesch. 23.24.25.26. getan haben. Der Hohepriester Kaiphas stand deswegen, als Jesus nichts antwortete, auf, und sprach zu Ihm: antwortest du nichts zu dem, das diese wider dich zeugen, und der Landpfleger Pilatus sagte gleichfalls: hörst du nicht, wie hart sie dich verklagen? und verwunderte sich sehr, dass Jesus in Seinem Stillschweigen beharre, Matth. 26,62. 27,13.14. Diese Weise beobachtete Jesus durchaus in Seinem letzten Leiden, dass Er auf die Anklagen nichts antwortete, hingegen redete Er, als Kaiphas zu Ihm sagte: ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du seiest Christus, der Sohn Gottes; und als Pilatus Ihn fragte: ob Er ein König sei. Er redete auch bei etlichen andern Gelegenheiten, da es geziemend war. Der HErr Jesus hat also auf die Anklagen Seiner Feinde nicht geantwortet, aber auf die Fragen Seiner Richter hat Er geantwortet, und dabei ein gutes Bekenntnis abgelegt, welches die Summa des Evangelii, das Er gepredigt, und worin Er sich als Christum, den Sohn Gottes, und als den König Seines Volkes geoffenbart hatte, enthielt. Es war geziemend, dass Er durch Sein Bekenntnis zeigte, wie Er Seiner Sache gewiss sei, und wie Er nichts von demjenigen, was Er gelehrt hatte, zurücknehme, ob Er schon deswegen zum Tode verdammt werde. Aber auf die Anklagen hat Er nie geantwortet; denn es geziemte sich nicht für Ihn, dass Er durch eine Widerlegung einer Anklage den Schein von Sich gebe, als ob Er Sein Leben, das Er doch nach dem Rat Seines Vaters freiwillig hingeben wollte, retten, und sich darum wehren wollte. Sein Tod hatte eine höhere Ursache, als nur die Anklage falscher Zeugen. Er war freilich für Seine Person kein Gotteslästerer und kein Aufrührer, wie Ihn Seine Feinde beschuldigten, hingegen lag die Sünde der ganzen Welt auf Ihm. Er stand nicht nur vor dem menschlichen, sondern auch vor dem göttlichen Gericht, und sollte als ein Mittler zwischen Gott und den Menschen sterben: warum sollte Er sich also bemühen, durch Verantwortungen Seinen Tod abzuwenden? Überdies war Sein Tod von dem Kaiphas und seinen Ratsherren schon beschlossen, ehe Er angeklagt wurde, und Pilatus, der seine Unschuld einsah, wurde von den Juden genötigt, Ihn zu verurteilen; auch waren die Ankläger und Richter unfähig, die Wahrheit zu erkennen, folglich wäre Seine Verantwortung unnütz gewesen. Das Stillschweigen Jesu war ein Bekenntnis, dass ich ein todeswürdiger Sünder sei, und ein Zeichen Seiner Willigkeit, für mich zu sterben. Ihm sei Dank dafür. Der HErr Jesus erfüllte das Wort auf das Vollkommenste: befiehl dem HErrn deine Wege und hoffe auch Ihn, Er wird’s wohl machen, und wird deine Gerechtigkeit hervorbringen wie das Licht, und dein Recht wie den Mittag, Ps. 37,5., und so auch das Wort: ich will schweigen und meinen Mund nicht auftun. Du, HErr, wirst’s wohl machen,. Ps. 39,10. Ich soll Ihm hierin nachfolgen. (Magnus Friedrich Roos)