Matthäus 26,41
Andachten
“Wachet und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.“
Wäre unser Fleisch nicht der Sitz der Reizungen, Empfindungen und Begierden, die Stelle, wo Lust und Schmerz das große Wort führen, hätte die Anfechtung keinen Sinn und keine Gefahr. Engel, die kein Fleisch und Blut haben, sondern nur Geist sind, haben seit dem Augenblick, wo sie in der ersten Versuchung sich für Gott entschieden haben, keine Versuchung mehr zu bestehen. Wir aber stehen so lange in der Versuchung, als uns noch ein Nerv weh tut, ein Gefühl uns Lust bereiten kann. Wachen und Beten soll uns aufmerksam erhalten und gegen eine Überrumpelung schützen. Wo wir uns ganz gemütlich gehen lassen, sind wir in größerer Gefahr, als wenn eine Stunde der Angst da ist oder Schrecken der Hölle uns überfallen. Im dunklen Tal der Not sind weniger Gotteshelden entgleist als im lustigen Sonnenschein des Leichtsinns. Fleisch und Blut sind wie starke, übermütige Pferde; der Geist ist ihr Lenker, die Zügel sind Wachen und Beten. Dein Blick muss stets vorwärts auf den Weg und die Pferde gerichtet sein. Die meisten Unglücksfälle kamen daher, dass man diese Aufmerksamkeit vernachlässigte. Wer beizeiten vorbeugt, beruhigt, zurückhält, wird siegen!
Und wenn ich achtlos würde, Herr Jesu, erinnere, warne mich beizeiten. Du weißt, wie es in unserem Fleisch und Blut einem zu Sinn ist. Du bist versucht wie wir und hast stets gesiegt. Jetzt hilf mir Unbeständigem zur Stille und zur Kraft durch deinen Geist. Amen. (Samuel Keller)
Wacht und betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.
Wacht und betet, das gilt der ganzen Kirche Christi. Durch das Wachen werden die Nachstellungen Satans und des eignen Herzens gemerkt und abgewendet; durch das Beten begeben wir uns unter die Flügel der Erbarmung Gottes. Die Gefahr muss zuerst entdeckt sein, so wird dann auch die Hilfe erlangt werden. Anfechtung lehrt auf das Wort merken; aber wir müssen unterscheiden zwischen den Anfechtungen, denen wir uns selbst bloß stellen, und jenen andern, die für eitel Freude zu achten sind, weil sie uns von Gott kommen. Schlafen an sich ist keine Sünde, aber auch die unschuldigste Handlung kann sündlich und strafbar werden, wenn sie am unrechten Orte und zu unrechter Zeit geschieht. Ein Ort wie Gethsemane, und eine Stunde der Finsternis, in der die ganze Hölle auf uns Jagd macht, ist wahrlich nicht zum Schlafen geeignet. Ein guter Vorsatz macht die Sache im Kampf gegen die Sünde noch nicht aus, sondern es muss derselbe im Gebet und zu den Füßen des Herrn geheiligt werden. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach. Die Welt braucht oft diesen Spruch, um sich des Wachens und Betens zu entschlagen. Ich habe den besten Willen, heißt es, aber was kann ich dafür, dass ich so schwach bin? Ich habe mich nicht selbst geschaffen, und Andern ginge es auch so, wenn sie in meiner Lage wären. Allein kommt man durch solche Ausreden zum Frieden? Man kann auch Fleisch für Geist halten, so lange man den rechten Geist noch nicht in Gethsemane gesucht hat. Wie oft verwechselt man den Geist mit den Lüsten des Fleisches, wie jener Reiche in der Parabel zu seinem Bauch sagt: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut. Das größte Kunststück des Teufels ist, das Fleisch so mit Poesie und Ästhetik zu füllen, dass es ganz geistig aussieht, Man wird gerührt, man hält sich für fromm, für bekehrt, und der Teufel steht dicht hinter der Wand und lacht. (Friedrich Lobstein)