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Matthäus 23,37

Matthäus 23,37

Andachten

Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten, und steinigst, die zu dir gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.
Die Menschen, die „über ihre Zeit erhaben“ sind, heißen deswegen so, weil sie ein Geistesleben in sich tragen, vermöge dessen sie höher stehen, weiter und tiefer sehen, wie die Leute ihres Geschlechts. Wie die Bewohner stolzer, weit ausschauender Bergeshöhen das Grauen des Tages viel früher beobachten wie die Leute im Tal, wie sie schon im lustigen Sonnenschein wandeln, während über der Tiefe noch Nacht und Finsternis lagern, - wie sie auch, (da sie über den ganzen Himmel oben und das Tiefland unten freien Überblick haben,) die Entwicklung des ganzen kommenden Tages bestimmen und künden können, nicht anders ist es auf dem Gebiet des Geistes. Die Männer, die auf der Höhe ihrer Zeit stehen, sind ihren Landsleuten oft um Jahrhunderte voraus. Aber eben deswegen waren sie nicht „zeitgemäß“. Es ist immer ein undankbares Geschäft gewesen, neue Wahrheiten zu verkündigen, zumal wenn diese neuen Wahrheiten den Leuten ihren alten Weisheitskram über den Haufen warfen. Die große Menge hasst Den, der sie belehrt, denn es ist demütigend, sich belehren lassen zu müssen. Leute wie Sokrates, Galilei, Columbus sind als Atheisten, Revolutionäre oder Narren verfolgt und verlacht worden Die Nachwelt erst baute ihnen Triumphbogen und übertünchte ihre Grabsteine. (Matthäus 23,29-32; Lukas 11,47-51.)

Noch übler aber musste es Denen ergehen, die auf der allerhöchsten Höhe standen, indem sie durch den Glauben mit Gott wandelten und von Ihm der höchsten Offenbarungen gewürdigt wurden. Sie schauten von ferne und sie verkündigten die seligste Zukunft des Menschengeschlechts; aber sie schauten auch tiefer als alle Anderen hinein in das Verderben der Welt und predigten darum alle von dem Weg der Buße und des Selbstgerichtes. Ihnen ging es am schlimmsten. Denn wenn die Menschen es schon übel vermerken, wenn man sie ihrer Unwissenheit überführt, so verzeihen sie es Einem erst recht nicht, wenn man ihnen ihre sittlichen Schäden vor Augen stellt. „Jerusalem, Jerusalem, die du tötest die Propheten!“ klagt Jesus. Freilich, dies Jerusalem, dieses Israel, das der Herr hier verklagt, es rühmte sich jetzt seiner Propheten, es baute und schmückte ihre Gräber, es bildete sich ein mit dem Geist der alten Prophetenmörder keinerlei Verwandtschaft zu haben. Und doch waren sie eben jetzt im Begriff, den höchsten Propheten, Den, auf den alle Andern, Abel, Henoch, Noah, Moses, Jesaja, Jeremias, Elias - anbetend hingewiesen hatten, in das bitterste Todesleiden zu schleppen. Jesus weiß, was ihm bevorsteht, und er findet es natürlich, dass es so geht wie es geht. Wenn er sagt: Vergebens habe ich euch versammeln wollen; ich wollte, aber ihr wolltet nicht, so weiß Er, dass sich dieses Nicht-Wollen zum neuen Prophetenmord gestalten wird.

Und heute? Nun heute baut man Jesu Monumente, wie man in den Tagen Jesu dem Mose, Jeremias und Sacharjas, die man zu ihrer Zeit zertreten hatte, Grabmäler baute. Heute muss Christus des Kaisers Freund sein, der Sozialisten Freund, der Hohenpriester Freund, der Puritaner, der Hochkirchler, der Liberalen Freund, sogar der Reform-Juden Freund. Denn jede Partei stutzt und putzt so lange an ihm herum, bis er ihr Mann ist. Er ist in der Mode.

Aber wie möchte es auch heute dem wirklichen Christus, Ihm, den man seiner Zeit ans Kreuz schlug, ergehen? Warum schlug man ihn denn ans Kreuz? Nun, weil er die Wahrheit zeugte, die da lebendig macht, aber vorher tötet; weil er keinen anderen Weg zu Heil und Leben gelten lassen wollte als den, der durch die Tiefen der Wiedergeburt, durch die bitteren Schmerzen der Natur-Kreuzigung hindurchgeht. Und will denn der große Haufe unter Vornehmen und Geringen heute davon etwas wissen und hören? Klein ist die Zahl der Wahrheitsfreunde. Darum, wer die heilige Wahrheit bezeugt, - so bezeugt, dass sie in die Gewissen einschlägt, darf sich auch im neunzehnten Jahrhundert nach Christo nicht befremden lassen, wenn Schmach ihn trifft. Es ist stellenweise schon schlimm genug damit, es wird aber noch ärger werden. Aber die Zeugen Christi sollen dadurch nicht beirrt werden. Wir haben gesehen, dass sie in guter Gesellschaft sind. Sie sollen nur das Eine sorgen, dass Werk und Wandel verklären, was mit Worten bezeugt wird.

Aber ach, was schauen wir auf die „böse, gottlose Welt“? Viel nötiger ist, dass wir uns selbst alle Tage das Wort Jesu vorbuchstabieren: „Selig ist, wer sich nicht an mir ärgert!“ Nicht wahr? die Kreuzeswege, die Christus für uns ging, ließen wir uns schon gefallen; aber die inneren und äußeren Kreuzeswege, die er uns führt, die passen uns nicht? Da fließt manche bittere Träne, ehe wir auch nur etlicher Maßen so weit kommen, dass wir seine Wege lassen unseren Augen wohlgefallen. Aber der Herr ist treu und führt's durch; wenn es nur von uns heißt: „Ihr habt gewollt“.

Es kostet viel, ein Christ zu sein
Und nach dem Sinn des reinen Geistes leben;
Denn der Natur geht es gar sauer ein,
Sich immerdar in Christi Tod zu geben.
Doch führt die Gnade selbst zu aller Zeit
Den schweren Streit. (Otto Funcke)

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