Matthäus 20,14
Andachten
Nimm was dein ist, und gehe hin; ich will aber diesen Letzten geben gleich wie dir.
Beherzige das Wort: „Nimm was dein ist.“ Dasselbe hat zwei Seiten: Nimm in stiller Demut, was ich dir aus Gnaden versprochen habe, kümmere dich nicht um meine Gnade gegen die andern. Oder: „Nimm was dein ist,“ was du verdient hast. Und so uns Gott lohnt nach Verdienst, haben wir Nichts verdient, denn eitel Zorn und Strafe. Die Väter unsrer protestantischen Kirche erzählen bei diesem Evangelio gern eine Geschichte von einem Einsiedler und einem Räuber: Vor Zeiten war ein Einsiedler, der starb mit großem Ruhme über sein heiliges Leben. Ein Räuber hörte ihn und schlug in sich. Er wollte eilig vor Gott seine Sünden beichten an heiliger Stätte. Er suchte den kürzesten Weg, wenn er auch mühsam war. Auf diesem Wege brach er den Hals. Dies beides sah ein kluger frommer Mann. Und bei dem Absterben des Einsiedlers weinte er, als aber der Räuber den Hals brach, ward er fröhlich. Als man ihn darüber zur Rede setzte, sprach er: „Als der Einsiedler starb, fuhr er zur Höllen um seiner Hoffart willen, darum habe ich geweint. Als aber der Räuber den Hals brach, trugen die Engel seine Seele in den Himmel um seiner Demut und um seiner Buße willen. Darum habe ich mich gefreut.“ Mag der Herr uns behüten, dass wir uns nicht so und ähnlich von Gott verirren wie der Räuber; aber noch mehr, dass wir nicht ein Ende nehmen wie der Einsiedler.
Herr Jesu Christe, du hast einst den Petrus zurechtgewiesen, als er fragte: „Wir haben Alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns dafür?“ Wir können uns nicht neben ihn stellen, wir sind ihm nicht gleich in der Entsagung und Nachfolge, und doch fordern wir so gern besonderen Lohn. O weise uns zurecht, wie ihn, damit wir nicht einst hören müssen: „Nimm was dein ist, und gehe hin.“ Was wäre denn das Unsere, als Tod und Verderben. Nein, gib uns nur den Gnadenlohn deiner armen Diener; gib uns ein Plätzlein in deinem Reiche. Und ob es das kleinste wäre, es ist mehr wert als alle Welten. Sage uns nicht: „Gehe hin“, sondern „Komm her.“ Ja, wenn unsere Arbeitszeit einst zu Ende ist, dann lass uns nicht von dir, sondern binde uns an dich für alle Ewigkeit. Amen. (Friedrich Ahlfeld)