Matthäus 13,28
Andachten
Da sprachen die Knechte zu ihm: Willst du denn, dass wir hingehen und es ausjäten?
Wer sind denn die Knechte, die den Herrn fragen, ob sie hingehen sollen und das Unkraut ausraufen? Es sind Eiferer, die die streitende Kirche schon zu einer triumphierenden machen wollen, wenn dies auch geschehen müsste mit dem Verlust von Tausend und Millionen Seelen. Wenn ein Jonas vor der gottlosen Stadt Ninive auf dem Berge liegt und lauert, ob sie nicht untergehen werde, so ist er ein solcher Knecht. Wenn Johannes und Jakobus, die Donnerkinder, den Herrn bitten, er solle Feuer und Schwefel auf die Stadt regnen lassen, die sie nicht aufgenommen hat, dann sind sie solche Knechte. Die christliche Kirche hat in alter und neuer Zeit ähnliche Eiferer gehabt. Sie wollten die Kirche so darstellen, dass nur eitel lautere Kinder Gottes darin wären. Und wer sollte darüber urteilen? Sie selbst. Sie selbst wollten Herzenskündiger werden. Und welche sollten die ersten darinnen sein? Sie selbst. So ich mich aber selber ehre so ist meine Ehre Nichts. Der Ausgang solcher Gemeinschaften war gewöhnlich der, dass sie in den grässlichsten Hochmut verfielen, dass sie blind wurden und das Evangelium nicht erkannten, dass sie die Liebe verleugneten und ihr Reich Gottes mit Gewalt, ja wohl mit dem Schwert verbreiten wollten.
Herr, behüte uns davor, dass wir nicht richten wollen auf Erden. Unser Hochmut will uns nur zu oft dazu verführen. Wir sehen an Anderen die Fehler so gern und verurteilen sie so leicht. Und doch lehrt uns jeder neue Tag, dass du selbst Geduld hast mit den Sündern. Denn wenn du handeln wolltest nach unsrer Art, du hättest uns längst ausraufen müssen als armseliges Unkraut. Doch statt zu verderben, bewahrst du uns, und hast auch in dieser Nacht dein treues Vaterauge über uns und den Unsern offen gehabt. Hilf, dass wir dir dafür recht dankbar seien durch Freundlichkeit und Sanftmut gegenüber Anderen. Mit wem uns auch der heutige Tag zusammenbringen möge, lass uns gegen Alle es durch Wort und Tat beweisen, dass deine Langmut und Geduld, deine Liebe und Gnade nicht vergeblich an uns arbeiten. Ja, halte uns in stiller Demut und mache uns immer mehr dir ähnlich, der du gerade in der Erniedrigung unser Erretter, unser Gnadenquell geworden bist. Amen. (Friedrich Ahlfeld)
Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir hingehen und es ausgäten? Er sprach: Nein! auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausraufet, so ihr das Unkraut ausgätet. Lasst beides mit einander wachsen bis zu der Ernte.
Mit einander sollen Unkraut und Weizen, die Kinder des Reichs und die Kinder der Bosheit wachsen. Das heißt nicht allein: neben einander, sondern: Eins durch das Andere. Was fördert den Christen mehr als Anfechtung? Nun kommt diese von manchen Seiten. In der Anfechtung durch Krankheit, Armut, Mangel und dunkle Wege wächst die Geduld, die Demut, die stille Hingabe an Gott. Das sind Mittel der Förderung. Aber noch mehr fördert die Sünde des Nächsten. Gegen Gott ist schwer streiten. „Wer in die Höhe hauet“, sagen die Alten, „dem fallen die Späne ins Gesicht“. Leichter streitet es sich gegen Menschen. Da kann denn die Liebe, die nicht das Ihre sucht, die sich nicht erbittern lässt, die nicht nach Schaden trachtet, recht geübt werden. Da lernen wir die Geduld noch gründlicher, als in den Züchtigungen Gottes. Gotte können wir mit aller Ungeduld doch nicht aus dem Wege laufen. Da kann das Wort des Herrn geübt werden: „Liebet eure Feinde; segnet, die euch fluchen; tut wohl denen, die euch hassen; bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ Da können wir dem Herrn sein Kreuz nachtragen. Da wächst das Pflänzlein Gottes, der himmlische Weizenhalm, unter diesem Druck besser, als im schönsten Sonnenschein. In solcher Anfechtung wird der Christ bewährt. Fühlest du wohl, wie viel der Herr in das „mit einander“ gelegt hat?
Es liegt aber noch ein Zweites darin. So du mitten unter dem Unkraut als ein stiller, demütiger Christ stehest, und der Pharisäerstolz dich an solcher Stätte nicht selbst zum Unkraut macht, so bist du eine suchende Hand, welche der Herr nach dem armen Verlorenen ausstreckt. Seine Sünde wird in dir und durch dich gestraft. Er kann in derselben keine Ruhe mehr haben. Du bist ihm ein lebendiges Wort Gottes. O wenn wir es doch wären! Da stirbt denn der alte sündige Mensch. Dein Nachbar geht hinunter in den ersten Tod, damit er von dem zweiten errettet werde. An der Stätte, wo der alte Mensch erstarb, erwächst der neue Mensch Gottes. Er wächst mit dir aus derselben Wurzel, unter demselben Tau, Regen und Sonnenschein. Das ist noch ein lieblicheres „mit einander“. Herr, gib Gnade, dass sich die gute Art in unsern Herzen immer fester ansetze, und wir je länger je mehr Weizenähren auf deinem Acker werden, damit du, wenn das Feld reif ist zur Ernte, und die Schnitter die Sicheln anschlagen, von uns sagen könnest: „Aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuern“. Amen. (Friedrich Ahlfeld.)