Matthäus 13,16
Andachten
Selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören!
Der Herr Jesus sprach einst von den Juden (Matth. 13, 13.): „Mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht, denn sie verstehen es nicht.“ Aber zu seinen Jüngern sprach er (Matth. 13,16.17.): „Selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören. Wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt zu sehen, das ihr seht, und haben's nicht gesehen, und zu hören, das ihr hört, und haben's nicht gehört.“ - Was die Blätter des alten Testaments zu sehen und zu hören begehrten, nämlich Christum und sein Evangelium, das war zu sehen und zu hören, als der Herr Jesus diese Worte sprach. Denn er ist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Aber wiewohl der große Haufe der Juden ihn mit leiblichen Augen sah und hörte, so erkannten und benutzten sie doch nicht, was ihnen von Gott in dem Herrn Jesu gegeben war. Der Väter Heilsbegierde fehlte den Kindern; darum sahen sie nicht mit sehenden Augen, und hörten nicht mit hörenden Ohren. So viele dagegen der Väter Heilsbegierde im Herzen hatten, die sahen und hörten das Heil in und von Christo. Die waren selig zu preisen, sowohl vor jenen Propheten und Gerechten, die nicht sahen und hörten, was sie zu sehen und zu hören begehrten; als auch vor jenen Gleichgültigen, die nicht sahen und hörten, weil sie nicht begehrten, was zu sehen und zu hören war. - Was haben wir für Augen und Ohren? Sehen und hören wir, oder sehen und hören wir nicht? Der Herr Jesus wird uns durchs Wort und die heiligen Sakramente vorgestellt. Aber wie viele unter uns sehen und hören nicht zu ihrer Seligkeit, sind geistig blind und taub, ohne Erkenntnis und Glauben, ohne Empfindung und Erfahrung, ohne Frieden und Freude, ohne Leben und Seligkeit. Ach, lasst uns den Herrn für uns selbst und für andere bitten um Augen, die da sehen und um Ohren, die da hören. Es wäre ein Jammer und Schade, wenn wir in dieser Gnadenzeit leer ausgingen, wenn unsere Augen im Tode entschliefen, ehe wir den Heiland gesehen, und unsere Ohren erst der Stimme des Richters sich öffneten. Er helfe uns, wie er allein uns helfen kann. Denn ein hörendes Ohr, und sehendes Auge, die macht beide der Herr (Spr. Sal. 20, 12.). (Carl Johann Philipp Spitta)
Nicht das sagt mir Jesus. Selig ist dein Verstand, weil er begreift, und selig ist deine Phantasie, weil sie dichtet, und selig ist deine Tatkraft, weil sie Erfolge schafft, sondern mein Auge meint er selig, weil es sieht, und mein Ohr, weil es hört. Wenn durch mein Sehen und mein Hören komme ich mit dem in Verkehr, was Gott vollbringt, und werde vor sein Werk gestellt. Es gäbe keine seligen Augen, wenn es nicht etwas wunderbar Großes zu sehen gäbe, und keine seligen Ohren, wenn nicht etwas Herrliches und ewig Wahres zu hören wäre. Ihr, sagte Jesus seinen Jüngern, seht und hört solches, und ich sehe und höre solches jedes Mal, wenn ich mit dem, was von Jesus kommt, in Berührung bin. Gibt es selige Augen, so gibt es auch unselige und neben den seligen Ohren stehen die unseligen, und es ist in der Tat ein unseliger Zustand, wenn sich uns das Wirkliche enthüllt; aber vergeblich, weil wir es nicht sehen. Es ist schon ein Jammer, wenn sich die Natur uns umsonst zeigt, weil wir sie nicht sehen mögen, und die Menschen für uns nicht vorhanden sind, weil wir uns nicht deutlich machen, was mit ihnen geschieht. Aber es ist vollends ein Jammer, wenn uns Gott zu seinen Kindern bringt und zu dem, der uns das Recht zur Kindschaft Gottes gegeben hat, zu seinem einigen Sohn, und uns die Augen fehlen, und wenn das Wort, das aus Gottes Geist geboren ist, uns erreicht und wir kein hörendes Ohr haben. Wenn ich in mir selbst versinke, dann sterben mein Auge und mein Ohr ab, und wie vieles zieht mich in mich selbst hinein, so dass nichts mehr für mich Bedeutung behält als meine eigenen Zustände. Ich soll freilich auch mich selber kennen und das, was in mir hörbar wird, vernehmen. Gott hat aber sein Werk in die Welt hineingestellt und von oben her tritt unser Herr zu uns heran und von außen kommt das Wort zu mir, das mir seinen Willen sagt. Dazu sind mir das Auge und das Ohr gegeben als die offenen Pforten nicht nur für das, was von unten, sondern auch für das, was von oben kommt, und wenn ich sie so habe, dass sie ihr Geschäft besorgen und das zu mir leiten, was Gott uns gab, dann bringen sie mir die Seligkeit.
Es ist Dein Gericht, heiliger Gott, wenn unser Auge stirbt, und deine strafende Hand macht, dass unsere Ohren verriegelt werden. Deine Gnade aber macht das Auge offen und das Ohr wach. Wecke mir das Ohr, dass ich Deinen Ruf höre, und gib mir die erleuchteten Augen, dass ich Dein Heil schaue. Amen. (Adolf Schlatter)