Psalm 33,4
Andachten
Nicht bloß den Erzvätern und dem Volke Israel gab Gott Verheißungen; auch uns sind deren gegeben, Zusagen, die uns auf unserer Pilgerbahn allüberall begleiten und wie ein Gesänge in der Nacht, wo wir gehen und stehen, beschwichtigend und entzückend uns umtönen. Nichts Geringeres verheißt uns der Herr, als: „Wir werden nimmermehr umkommen. Niemand wird uns aus Jesu Händen reißen. Berge werden stürzen; aber nicht der Bund des Friedens. Hügel werden von ihrer Stelle weichen; aber seine Gnade weichet nimmer von uns. Der Same Gottes wird bei uns bleiben ewig, der Geist nicht mehr von uns genommen werden. Der Herr will uns bewahren, wie seinen Augapfel, Er will uns tragen, wie auf Adlers Flügeln. Der Arge soll uns nicht antasten, die Pforten der Hölle uns nicht überwältigen. Der Herr will bei uns sein im Feuer der Anfechtung, dass uns die Flamme nicht verbrenne. Über Vermögen sollen wir nicht versucht werden. Wenn Er eine Last uns auflegt, will Er auch selbst sie uns tragen helfen. Wir sollen zur rechten Stunde getröstet werden, wie Einen seine Mutter tröstet.“ Selbst auf das leibliche Dasein und alle äußerlichen Verhältnisse und Lagen, in denen wir uns befinden mögen, erstrecken sich die göttlichen Verheißungen: dass Er sein wolle der Armen Schutz, der Kranken Arzt, der Witwen Richter, der Waisen Vater und eine feurige Mauer um die Seinen her in jeder Gefahr. O wie erhebend und stärkend ist da die Gewissheit: Des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält er gewiss! - Wohlan, so wollen wir uns denn mit diesen Gottes-Zusagen bekannt machen, wollen sie gleichsam als ein Amulett um den Hals tragen, und alle Pfosten und Wände unserer Häuser und Kammern damit bestreichen. Wie Sterne, die Tag und Nacht nicht untergehen, sollen sie über unserm Haupte strahlen. Mit David wollen wir sprechen: „Deine Zeugnisse, o Gott, sind mein ewiges Erbe.“ - Vor Allem wollen wir sie uns aneignen durch den Glauben! Gott ist getreu und kann sich selbst nicht leugnen. Fürwahr, wo seine Verheißungen die Sprossen an der Leiter bilden, auf der wir betend zu Gott emporsteigen: da werden wir uns auch nimmer ohne die begehrte Wohltat und Hilfe zurückkehren sehen. Der Arm des Herrn ist noch nicht verkürzt und seine Güte hat noch kein Ende. Er ist derselbe gestern und heute und in Ewigkeit, und was Er einst zu Martha sagte, das gilt uns Allen: „Ich sage dir, so du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen.“ (Friedrich Arndt)
Des HErrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiss.
Dass der Menschen Gedanken eitel seien, wie der HErr, der vom Himmel auf die Menschenkinder sieht, am besten weiß (Ps. 94,11.): offenbart sich am deutlichsten aus den Religionen, welche sie selbst erdacht haben. Sie haben schon in den ältesten Zeiten die Herrlichkeit des unsichtbaren Gottes verwandelt in ein Bild gleich den vergänglichen Menschen, und der Vögel, und der vierfüßigen und der kriechenden Tiere (Röm. 1,23.). Sie haben Götter erdacht, welche Sünder waren, wie die bösen Menschen, und an Schandtaten ihr Vergnügen hatten, wie diese. Ja, wenn sie auch glaubten, dass ein einiges göttliches Wesen sei, welches Alles erschaffen habe und regiere, so konnten sie doch nicht mit Gewissheit sagen, wie gelind oder wie streng dieses göttliche Wesen sei, wie viel es fordere oder übersehe, wie viel es vergebe oder räche, und was es dem Menschen für ein Schicksal nach dessen Tod bestimmt habe. Gesetzt auch, dass Einer oder der Andere hierin etwas von der Wahrheit gemerkt habe: so blieb doch die Furcht im Herzen zurück: wie? wenn es sich anders verhielte; wie? wenn das göttliche Wesen anders dächte als ich; wie? wenn ich nach dem Tod Alles anders anträfe, als ich mir’s jetzt vorstelle? Ich bin ein Mensch, und kann irren. Andere Menschen denken anders als ich: wer bin ich, dass ich Andere übertreffen wollte? Aus dieser Ungewissheit und Furcht kann nichts heraushelfen als ein Wort des ewigen Gottes. Wenn der um Wahrheit und um sein Heil bekümmerte Mensch das erstemal hörte: es gibt ein Wort Gottes! sollte er nicht übers Meer fahren, um es zu holen, oder seine ganze Habe daran rücken, um dessen habhaft zu werden? Allein es ist jetzt den Christen anvertraut, und diese haben es in der lieben Bibel. Glückselige Christenheit, welche sie hat! Wehe denen, die Christen heißen und sie verachten! Des HErrn Wort ist wahrhaftig: folglich soll es geglaubt werden. Es bedarf keines Beweises: es ist genug, dass es des HErrn Wort ist. Es ist wahrhaftig, wenn es alte Geschichten erzählt, und wenn es zukünftige Dinge verkündigt, wenn es hohe und tiefe Geheimnisse entdeckt, und wenn es von gemeinen Sachen handelt; wenn es den Menschen straft, und wenn es ihn tröstet; wenn es von Zorn und wenn es von Gnade handelt. Es ist durchaus wahrhaftig; und wer es glaubt, wird nicht zu Schanden. Wenn also die Menschen, die dieses Wort hintansetzen, in Religionssachen irren, streiten, zweifeln und endlich verzweifeln: so ist dieses Wort denen, die es verstehen und glauben, ein wahrhaftiger Lehrer, ein treuer Ratgeber, ein Licht auf dem Weg ihrer Wallfahrt, eine Richtschnur ihres Lebens, und ein unbeweglicher Grund, worauf sie bauen können. Dieses Wort enthält den Plan, wonach Gott die Welt regiert, soweit er uns fasslich ist, und es ist das Gesetzbuch, wonach Er sie richten wird; und es geht täglich so, und wird am jüngsten Tag und ewiglich so gehen, wie dieses Wort sagt. Was Gott in Seinem Wort zusagt, das hält Er gewiss; denn Er ist Jehovah, der ist, und der war, und der sein wird, der Ewige und Unveränderliche, bei dem kein Wankelmut Raum hat, der nie anderer Meinung wird, der Sich Seine Ansprüche nie reuen lässt, der etwas, das Er geredet hat, nie durch einen neuen Ausspruch umstößt, und der Sich auch aller Seiner Worte immer bewusst ist. Sein Tun besteht also in der Wahrheit, und kommt mit Seinem wahrhaftigen Wort überein. Er gibt, was Er versprochen hat, und tut, was Er zugesagt hat. (Magnus Friedrich Roos)
Des Herrn Wort ist wahrhaftig, und was Er zusagt, das hält Er gewiss.
„Gott ist nicht ferne von einem Jeglichen unter uns.“ (Apg. 17, 27.) Er ist uns ganz nahe getreten in Seinem eingebornen Sohne Jesu Christo. Die Menschwerdung des Sohnes Gottes ist nicht eine in die Geschichte unvermittelt, unvorbereitet eingetretene Gottes-Tat, sondern sie ist der lebendige Mittelpunkt, auf den eine viertausendjährige Adventszeit hinweiset, und von dem eine neue Zeit ihren Ausgang genommen hat. Schon an den Pforten des geschlossenen Paradieses wird dem gefallenen Menschenpaar der Trost einer dereinstigen Erlösung dargereicht; in dem ersten Fluche, den Gott über Adams Sünde ausspricht, ist auch die Verheißung enthalten, dass derjenige kommen werde, der bestimmt ist, allen Fluch in Segen umzuwandeln. Doch es muss die Sünde erst ihr volles Maß erreichen, ehe die Erlösung kommen kann. Der Mensch wird im Harren und Glauben geübt. In der Welt wird es dunkler und immer dunkler; es häuft sich die Sünde, das Verderben nimmt überhand; aber weissagende Propheten-Stimmen ziehen wie leuchtende Sterne durch das Dunkel der Advents-Nacht und zeugen von der zukünftigen Herrlichkeit eines neuen Tages. Israel ist der Träger der Messias-Verheißung, der Verwahrer der göttlichen Geheimnisse, und alles Gotteswort, mit dem Jehovah Sein Volk segnet, will die Hoffnung der kommenden Erlösung in ihm lebendig erhalten. Mit der Zeit wird sich diese Hoffnung klarer und ihres Gegenstandes bewusster. Wie dem Pilger das noch in weite Fernen hinausgerückte Ziel anfänglich in einen dämmernden Punkt zerfließt, der erst allmählig zu bestimmteren Umrissen sich abgrenzt, und dem näher Herzutretenden eine immer deutlicher ausgeprägte Bildung entgegenführt: so tritt auch die verheißene Erlösung erst als eine dunkle, hoffende Ahnung an des Menschen Herz; dann gewinnt sie Gestalt, und verklärt sich zu einem heiligen Bilde, zu einer Persönlichkeit, deren Züge die Zustände und Tätigkeiten darstellen, die in dem dereinstigen Leben und Wirken des Erlösers zum Ausdruck kommen sollen: Seine Kindheit, Sein Lehramt, Seinen Liebes- und Leidensgang durch die Welt, Sein Kreuz, Seinen Tod und Seine Herrlichkeit. Aber auch die unerleuchtete Heidenwelt bleibt von der Ahnung einer künftigen Erlösung nicht unberührt; auch durch ihre Nacht zieht sich das Dämmerlicht einer Hoffnung, die sich nährt von der Ahnung einer göttlichen Wahrheit, welche auch in der Entstellung und Verkümmerung der Heidensage noch Etwas von dem ursprünglichen Lichte bewahrt hat. So zieht die Menschheit vier Jahrtausende lang die dunkle Straße durch die Wüste der mit dem Fluche beladenen Welt; nur die Wenigen, die in dem verheißungsvollen Lichte der göttlichen Wahrheit wandeln, warten des Zieles in stiller Zuversicht, und überwinden die Not des Lebens durch die Hoffnung dereinstiger Erlösung. Die Meisten sind zerstreut, in Selbstsucht verkümmert, ohne Kenntnis des Zieles, ohne Hirten und Führer. „Wir gingen Alle in der Irre, wie Schafe, ein Jeglicher sahe auf seinen Weg;“ (Jes. 53, 6) so schildert Jesaias den inneren Zustand seiner Zeitgenossen, und so bleibt es, bis in Bethlehems Flur das Morgengrauen eines Tages anbricht, dessen Sonne zu leuchten bestimmt ist bis an das Ende der Tage: „Da aber die Zeit erfüllt ward, sandte Gott Seinen Sohn, geboren von einem Weibe und unter das Gesetz getan, dass Er die, so unter dem Gesetz waren, erlöste, und wir die Kindschaft empfingen.“ (Gal. 4, 4. 5.) (Julius Müllensiefen)