Hiob 1,21
Andachten
Hiob sprach: der HErr hat’s gegeben, der HErr hat’s genommen; der Name des HErrn sei gelobt.
Mitten in dem Schmerze, welchem dem Hiob das gehäufte Unglück, das über ihn ergangen war, und bei welchem er sein Kleid zerriss und sein Haupt raufte, verursachte, fiel er auf die Erde und betete an, und sprach: ich bin nackt von meiner Mutter Leibe gekommen, nackt werde ich wieder dahin fahren; der HErr hat’s gegeben, der HErr hat’s genommen; der Name des HErrn sei gelobt. Hier sah man die Erfüllung des Spruchs, Ps. 94,18.: mein Fuß hat gestrauchelt, aber Deine Gnade, HErr, hielt mich. In schweren Leiden, welche plötzlich über einen Gerechten kommen, entsetzt sich seine Natur, und sein Schmerz leuchtet aus seinen Worten und Gebärden heraus; aber der gnädige Beistand des Heiligen Geistes, den er zu eben dieser gelegenen Zeit genießt, erhält ihn, gibt ihm etwa die schnelle Einsicht, dass Alles, was er gehabt habe, ein Geschenkt des Allerhöchsten gewesen sei, und dass der HErr, was Er ihm geschenkt habe, ihm ohne Ungerechtigkeit wieder nehmen könne. Er demütigt sich also, er betet an, er lobt den Namen des HErrn. Ein Christ steht in einem solchen Kampf in der Gemeinschaft mit dem am Ölberg ringenden Erlöser, und überwindet durch Seine Kraft, da ohnehin Gott treu ist, und ihn nicht über Vermögen versucht werden lässt. Was denkt und tut aber die Welt bei solchen Fällen? Einerseits ärgert sie sich an dem Klagen, Schreien und Weinen eines Gerechten, da doch der Psalter und andere Bücher der Heiligen Schrift dessen mehrmals gedenken, weil sie sich einbildet, der Glaube mache einen Menschen unempfindlich; und andererseits weiß sie nichts von dem unsichtbaren Beistand der Gnade, wodurch ein Christ bei seinem Straucheln erhalten, und bei seinem Zagen zur Anbetung und zum Lob Gottes gestärkt wird. Hiob stellte sich ungebärdig und redete hernach zuweilen töricht, allein seine Torheit war noch besser als die Weisheit seiner Freunde, welche ihn lieblos richteten und ihm Vieles von der Bekehrung und Rechtschaffenheit vorpredigten. Übrigens war der Gedanke Hiobs edel, dass Gott ihm als einem Menschen, er nackend in die Welt gekommen, Alles gegeben habe, und dass Gott ihm Seine Geschenke wieder nehmen könne, und ihn nackend zur Welt hinausschicken könne. Er sah also nicht auf die Araber und Chaldäer, die seine Herden geraubt hatten, sondern auf den HErrn, der solches über ihn verhängt habe, und der HErr bestätigt auch diese seine Gedanken Kap. 41,2. durch den Machtspruch: wer hat Mir Etwas zuvor gegeben, dass Ich’s ihm vergelte? Es ist Mein, was unter allen Himmeln ist. Freilich denkt ein leidender Gerechter zuweilen: warum nimmt Gott mir, was Er mir geschenkt hatte? Sollte nicht billiger der Ungerechte solch‘ Unglück haben, und ein Übeltäter so verstoßen werden? Hiob 31,3. Allein die Antwort hierauf ist in der ganzen Rede Gottes aus dem Wetter, Kap. 38-41., enthalten, deren Summe diese ist: so du glauben würdest, solltest du die Herrlichkeit Gottes sehen, Joh. 11,40. Übrigens hat freilich das Neue Testament auch in Ansehung der Lehre von dem Leiden eine überschwängliche Klarheit, und tröstet reichlicher als das Alte. Es steht keinem Christen an, ohne Glauben zu jammern, zu sorgen und zu zagen. (Magnus Friedrich Roos)
Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen, der Name des Herrn sei gelobt.
Ist es der Herr, der die Güter meines Lebens mir genommen hat, so darf ich auch sagen: Auch wenn er nimmt, gibt er, auch seine Schmerzen sind Freuden. Wohl ist seine Liebe zu den Menschenkindern eine heilige Liebe, und seinen Widersachern, sagt die Schrift, ist er ein verzehrendes Feuer. Aber er ist es eben auch allein seinen Widersachern. Seinen Kindern, die ihm angenehm gemacht werden in dem Geliebten, ist er ein versöhnter Vater, und die Schläge wie die Küsse seiner Liebe sind Liebe um Liebe. So lange der Mensch den Geist der Kindschaft noch nicht hat, in dem er rufen kann: Abba, lieber Vater, so lange das Herz tot ist, und der Sinn kalt für den, der uns zuerst geliebt, dient alles unser Leiden mitnichten dazu, uns zu ihm hinzuwenden. Je härter die Schläge auf uns fallen, desto kälter wird das Herz, desto mehr verhärtet es sich, desto ängstlicher wendet es sich nach dem Troste von außen, und ihr habt wohl schon selbst solche gesehen, wie sie umhergehen mit kaltem Herzen, in ihren Augen sind keine Tränen, aber unruhig geht das Herz in der leeren Brust, und krampfhaft greift die Hand nach jeder tauben Blüte, die eine Labung verheißt in dem nächsten Augenblicke wirft sie dieselbige trostlos wieder hin. Ein kaltes, liebeleeres Herz, ein Herz, das Gott nicht liebt, macht selbst, dass sich für dasselbe die Flamme der göttlichen Liebe in eine Zornesflamme umwandelt. Anders das gläubige Gemüt. Es sieht nicht bloß den Streich, der aus dem Himmel fällt: es sieht die Hand, die ihn tut. In kindlichem Glauben weiß es: was weise Liebe gab, hat auch weise Liebe wieder genommen. Es muss ein Segen verborgen liegen, so oft die Hand meines Herrn sich ausstreckt, sei es zum Geben oder auch zum Nehmen wenn ich den Segen nur finden kann! Und während das bekümmerte Herz also ringt und weint, hofft und anbetet, kommt der Segen im reichen Maße herab, den es sucht. Es wird je mehr und mehr zu dem Unsichtbaren hingezogen, dahin, wohin des Himmels Gaben zurückgegangen, als sie ihm genommen wurden. Wer hätte nicht das namentlich erfahren beim Hingange der teuren Geliebten, die im Herrn sterben?
O wie wird dem Zuschauer am Sterbebette einer gläubigen Seele das ewige Erbteil, das wir im Himmel haben, so gewiss! wie richtet sich der Geist von den kleinen Sorgen der Erde zu dem ewigen Vaterlande auf, o wie lernt man da im Glauben sich anklammern an den, der da gesagt hat: „Ich bin die Auferstehung und das Leben“! Wie es von den Jüngern heißt, als der Heiland aufgehoben wurde in die Wolken: Sie standen und sahen ihm nach“ - also sieht das tränende Auge lange, lange den im Glauben an den Sohn Gottes Hingeschiedenen nach! Wohl bleibt die Lücke, aber der göttliche Friede füllt sie aus. Darum so gibt auch die göttliche Gnade, selbst wenn sie nimmt, und all ihr Nehmen ist ein Geben; darum macht sie Freuden, wenn sie Schmerzen macht, und alle Schmerzen, die von ihr kommen, sind Freuden. (August Tholuck)