Wehe den Stolzen zu Zion die ihr euch weit vom bösen Tage achtet, schlaft auf elfenbeinernen Lagern und treibt Überfluss mit euren Betten, esst die Lämmer aus der Herde und die gemästeten Kälber, spielt auf dem Psalter und erdichtet euch Lieder wie David, trinkt Wein aus den Schalen und salbt euch mit Balsam, und bekümmert euch nichts um den Schaden Josephs.
Ist es nicht, als ob wir hier die Prunk- und Genusssucht unserer Tage beschrieben sähen? Wer diese unsere Zeit in ihrer maßlosen Üppigkeit vergleicht mit der schlichten Einfachheit des Lebens vor etwa 50 Jahren, der mag sich wohl fragen: wo will's hinaus? was sind dagegen Purpur und köstliche Leinwand des reichen Mannes im Evangelio. Es drängt Alles dem Ende entgegen, und das Ende wird für alle diese prunksüchtigen, lüsternen, unersättlichen Weltmenschen ein böser Tag werden. Sie aber achten sich weit, weit von diesem bösen Tag, lachen und lärmen, spielen und tanzen, schmausen und traktieren ganz ungestört weiter, als käme der böse Tag niemals über sie! Ach, und der Schaden unseres Volkes ist so tief und schwer! Diese Kluft zwischen Reich und Arm, aus welcher das rote Gespenst seine drohend geballten Fäuste emporstreckt! diese Verwüstung durch den Branntwein und durch die Lustseuche! dieses Verbrechertum, das schon bei den Zwölfjährigen anfängt! Wie ist es möglich, dass man sich nicht darum bekümmere? in welchem schreienden Gegensatz steht dazu das Schlafen auf elfenbeinernen Lagern, das Weintrinken aus kristallenen Schalen und das Salben mit Balsam! Wie ein ausgestreckter Arm des lebendigen Gottes soll es über unserem Haupt stehen: Bekümmert ihr euch auch nichts um den Schaden meines Volkes? haltet ihr euch auch als die Stolzen, die nicht sehen mögen den Lazarus, der vor eurer Tür liegt voller Schwären? Der Tag wird's offenbar machen! Möge es uns kein böser Tag werden! möge dieser heutige Tag nicht zu Ende gehen, ohne dass wir uns bekümmerten um den Schaden Josephs! (Nikolaus Fries)