Jeremia 3,12
Andachten
Gehe hin, und predige gegen die Mitternacht also, und sprich: Kehre wieder, du abtrünniges Israel, spricht der Herr; so will ich mein Antlitz nicht gegen euch verstellen. Denn ich bin barmherzig, spricht der Herr, und will nicht ewig zürnen. Allein erkenne deine Missetat, dass du wider den Herrn, deinen Gott, gesündigt hast, und hin und wieder gelaufen zu den fremden Göttern, unter allen grünen Bäumen, und habt meiner Stimme nicht gehorcht, spricht der Herr.
Zu einer rechten Bekehrung treibt nur die Not. So lange der gefallene Mensch auch nur einen Strohhalm hat, hängt er sich lieber daran, als an den lebendigen Gott. So weit geht die Feindschaft gegen den König Israels. Wie mussten die Propheten mahnen, drohen, und wurden doch nicht angehört! Die abtrünnige Israel ist aber ja die Gesinnung, die uns eben so knechtet, als dort das jüdische Volk. Das irdische Herz hat Gott den Abschied gegeben, und so kehrt sich Gott eben so weg von uns, als von seinem treulosen Volk. Und doch hat Gott auch heut noch seine Propheten. Zwischen unserer Abtrünnigkeit und den Götzen oder Genüssen, denen wir nachlaufen, steht immer der größte Prophet, der uns zuruft: Kehre wieder, denn dein Heil steht nur bei mir. Viele möchten sich bekehren, wenn es nur nicht so schwer wäre.
Aber du selber machst dir deine Bekehrung schwer, nicht Gott. Er ist barmherzig und will nicht ewig zürnen; aber was dir fehlt und wozu du dich nicht verstehen willst, ist deine Missetat zu erkennen und sie ins Gericht zu stellen. Sündenerkenntnis ist freilich auch etwas, das wir uns nicht selbst geben können, aber das Licht scheint in die Finsternis, die Finsternis darf es nur aufnehmen. Gott gibt Jedem Klarheit genug, dem es um Klarheit zu tun ist. Auch das ruhigste Gewissen ist nicht mehr so ruhig, wenn es sich recht auf den Grund gehen will. Dort stehen lauter Götzen und Sünden und Neigungen, die man bisher mit beiden Händen festgehalten hat. Die Missetat, die Gott rügt, ist nicht das Einzelne im Leben, es ist die Abtrünnigkeit selber, der ganze Geist, in dem man lebt, so lange es noch nicht zu einer wahren Bekehrung gekommen ist. Israel lief zu den fremden Göttern und baute ihnen Altäre unter allen grünen Bäumen. Man richte einmal diesen Flatter- und Abfallsgeist, und entschließe sich zu einer Sinnesänderung. In Christo kommt auch der Vater uns wieder entgegen, und was so schwer vorgekommen war, wird dann leicht und eine selige Sache. Ergib dich Dem, der dich liebt und um dich trauert, und Gott wird sein Antlitz nicht mehr gegen dich verstellen, sondern lauter Licht und Leben davon ausströmen in dein wieder gewonnenes Herz. (Friedrich Lobstein)
Im Original ist hier ein förmliches Wortspiel. „Kehrt wieder, ihr“ rc. heißt buchstäblich: „Kehrt um, ihr abgekehrten Kinder, und ich will euer Umkehren heilen,“ wie in Hos. 14,4. Gott lädt ein, treibt aber nicht; Er vertauscht seine Drohungen mit Verheißungen. Er will seine Kinder nicht einfach wieder annehmen, sondern will „heilen“. Gott allein kann das. Der Mensch bereut seine Sünde, Gott heilt ihn davon. Unsere Sache ist, uns von dem Bösen abzuwenden, und Gottes Sache ist es, das Böse zu vernichten. Die Sünden werden nicht durch Bußtränen, sondern durch das Blut Christi abgewaschen. Christus heilt uns von der Sünde selbst. The Pulpit Commentary.
Kehre wieder, spricht der Herr, denn ich bin barmherzig, und will nicht ewig zürnen.
Kehre wieder, das ist die Bitte und Mahnung der suchenden Gottesliebe. Kehre wieder, so ruft der Herr auch dir zu. Stehe einmal still vor diesem Wort; prüfe dich, woran sich dein Herz hält. Du hältst dich an die Welt und ihre Güter, aber sie kann den Durst deiner Seele nicht löschen, und wenn sie es könnte, zuletzt fällt sie doch von dir ab, und wehe, wenn du dann betrogen dastehst. Du hältst dich an die Menschen und ihre Liebe, aber die Stunde kommt, wo alle, auch Vater und Mutter, dich verlassen; was kann ihre Liebe für dich tun im Sterben, oder in der Ewigkeit? Du hältst dich an dein gutes Gewissen, und doch fürchtest du dich so sehr davor, mit ihm allein zu sein, doch fliehst du die Einkehr in dich selbst; doch sind sie dir so schrecklich, die einsamen Stunden; doch bist du nur dann wohl, nur so lange getrosten Mutes, als du dich in der Zerstreuung und Selbsttäuschung zu erhalten vermagst. Siehe, du hast keinen Frieden in dir und mit dir; es ist in dir ein Abgrund, eine wunde Stelle, die, wenn sie berührt wird, dir immer Angst bereitet; du magst jetzt noch darüber hinwegträumen und dich trösten, aber einmal muss es offenbar werden, und was dann?! darum heute, so du seine Stimme hörst, verstocke dein Herz nicht; kehre: wieder zu deinem Gott und Erlöser; er will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehre und lebe, kehre wieder zu Jesu Kreuz, und lass dich versöhnen mit Gott. (Adolf Clemen)