Jesaja 48,10
Andachten
„Ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elendes.“
So wie die wohlbekannten Laute der mütterlichen Stimme das Kind beruhigen, welches durch einen ängstlichen Traum erschreckt aus dem Schlummer aufgefahren ist, so sollen diese beiden Gottesgedanken, die Stimme unsers himmlischen Vaters, unsere Seele stillen, damit wir in hingebendem Vertrauen in Seinem heiligen Willen ruhen
Es gibt Zeiten, wo trotz besserem Wissen und Verstehen, zweifelnde Gedanken in uns aufsteigen und wir unsicher fragen, ob Gottes Wege auch die rechten sind. Wir können dazu kommen, mit dem alten Jakob auszurufen: es geht alles über mich! wir meinen, es kann keine Güte und Treue sein, die so große Leiden schickt. „Ja dennoch,“ so lautet die Antwort des Herrn, „dennoch ist diese Heimsuchung mit aller ihrer schweren Last ein Gedanke meiner Liebe, ein Beweis und ein Pfand von meiner Fürsorge für dein Wohl. In diesem Ofen des Elendes will ich dich auserwählt machen Ich werde dich darin erhalten und als ein auserwähltes, gereinigtes Gefäß zu Ehren, dem Hausherrn bräuchlich, hindurchbringen.“
„Dass diese Traurigkeit die Erweisung unaussprechlicher Liebe ist,“ sagte ein bewährter Kreuzträger, „daran zweifle ich keinen Augenblick, weil Er, der sie mir schickt, kein neuer Freund ist, sondern ein alt bekannter und vertrauter.“ Ein Anderer schreibt: „Die Leiden, mit denen wir heimgesucht werden, sind Grüße von Gott, die uns sagen: ich habe dich nicht vergessen.“ Er sitzt, der Schmelzer, an Seinem Ofen, und zügelt die Gewalt der Flammen. Wenn ein irdischer Vater Züchtigung erteilt, so mag das mitunter von Stimmungen und Launen abhängen, Er aber „züchtigt uns zu Nutz, auf dass wir seine Heiligung erlangen.“ Hebr. 12,10. - Wahrlich, lieber die schärfste Disziplin, die härtesten Rutenschläge, als ungezügelt und ungestraft weiter laufen in Weltlust und Sünde, wo Gott das strenge Wort spricht: „Was soll man weiter an euch schlagen, so ihr des Abweichens nur desto mehr macht?“ Jes. 1,5. Als wollte Er sagen: warum sollte Ich noch länger an euch denken oder versuchen, euch zurückzuhalten? Meine Ermahnungen und Warnungen sind ja vergebens, ich gebe euch auf.
O, die allerfurchtbarste Strafe ist es, wenn Gottes liebevolle, langmütige und gnädige Gedanken erschöpft sind, und unser trotziger Unglaube Ihm den Urteilsspruch abnötigt, dass wir uns selbst überlassen sein sollen.
So erkenne denn von nun an auch in den schwersten Leiden des Vaters Rute, höre in ihnen des Vaters Stimme, siehe in ihnen „köstliche Gedanken Gottes“, voller Gnade und Barmherzigkeit, wenn auch in verborgener Herrlichkeit. Jener Verlust von irdischem Gut - jenes Fehlschlagen eines teuren Wunsches - jenes schwere Krankenlager - jenes Zerbrechen eines schönen Lebensglückes - es waren Gedanken Gottes. Das müsste genug sein, um die zerrissenen, klanglosen Saiten deines Herzens zu dem Gesang zu erwecken: „welchen der Herr lieb hat, den züchtigt Er, Er stäupt aber einen jeglichen Sohn, den Er annimmt.“ Niemals ist Er dir näher, niemals offenbart Er dir Seit Herz so sehr, als in der Zeit der Heimsuchung. Der Telegraph bringt die Gedanken der Erde von einem Ort zum andern, aber die Heimsuchung ist der Draht, durch dessen Vermittlung die Gedanken Gottes den zerbrochenen Herzen kund werden, und jede Botschaft desselben ist ein Liebesgedanke.
Denn es sind Liebesschläge,
Wenn ich es recht erwäge,
Womit Er uns belegt
Nicht Schwerter, sondern Ruten,
Sind's, damit Gott zum Guten
Auf uns, die Seinen, hier zuschlägt.
Er will und dadurch ziehen
Zu Kindern, die da fliehen
Das, was Ihm missbehagt,
Den alten Menschen schwächen,
Den Eigenwillen brechen,
Die Lust ertöten, die uns plagt.
Denn was will uns auch scheiden
Von Gott und Seinen Freuden,
Dazu er uns versehn?
Man lebe oder sterbe,
So bleibt uns das Erbe
Des Himmels ewiglich doch stehn. (John Ross MacDuff)
Siehe, ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends.
Tröste dich, du schwergeprüfte gläubige Seele, mit dem Gedanken: Gott spricht: „Ich will dich auserwählt machen im Ofen des Elends.“ Träufelt nicht dies Wort hernieder wie ein sanfter Regen, der die Wut der Flammen dämpft? Ja, ist es nicht ein Schutzkleid von Steinflachs, an welchem des Feuers Wut keine Macht hat? Mag Trübsal kommen, dennoch hat mich Gott auserwählt. Armut, magst du mit schwerem Schritt meine Schwelle betreten, so ist Gott schon vorher in meinem Hause und Er hat mich auserwählt. Krankheit, magst du hereinschleichen, siehe, so ist schon mein Balsam bereit: Gott hat mich auserwählt. Was immer auch über mich kommen mag in diesem Tränental, wo weiß ich, dass Er mich „auserwählt“ macht. Liebes Glaubenskind, wenn du noch besseren und größeren Trost bedarfst, o, so bedenke, dass des Menschen Sohn mit dir im Feuerofen ist. In dieser deiner stillen Kammer sitzt einer bei dir, den du nicht gesehen hast, den du aber liebst, und gar oft, wo du nichts davon ahnst, bettet Er dich weich in deiner Trübsal und legt dir dein Kissen zurecht zum erquickenden Ruhelager. Du bist in großer Armut, aber in deiner einsamen, verlassenen Hütte geht der Fürst des Lebens und der Herrlichkeit fleißig aus und ein. Er kommt gern in diese verachtete Wohnung, um dich heimzusuchen. Dein Freund ist dir ganz nahe. Du kannst Ihn nicht sehen, aber du fühlst seinen warmen Händedruck. Hörest du seine Stimme nicht? Siehe, gerade im finstern Tal der Todesschatten spricht Er zu dir: „Fürchte dich nicht, ich bin mit dir; weiche nicht, denn ich bin dein Gott.“ Gedenke an den schönen Ausspruch Cäsars: „Fürchte dich nicht, du trägst Cäsar und sein Glück.“ Ja, fürchte dich nicht, lieber Christ, dein Jesus ist bei dir. In all deinen heißen Prüfungen ist seine Gegenwart beides, dein Trost und dein Schutz. Nie verlässt Er den, den Er zu seinem Eigentum auserwählt hat. „Fürchte dich nicht, ich bin da,“ ist sein festes Verheißungswort zu seinen Auserwählten, die im „Ofen des Elends“ schmachten. Willst du dich also nicht recht fest an Christo anklammern und sagen:
„Durch Fluten und durch Gluten,
Wenn Du, o Jesu, mir
Vorangehst, folg' ich Dir.“ (Charles Haddon Spurgeon)