Jesaja 42,20
Andachten
Man predigt wohl viel, aber sie halten's nicht; man sagt ihnen genug, aber sie wollen's nicht hören.
Nichts ist trauriger, als die geistige Abstumpfung. Es gibt so viel abgeschliffene Gewissen und zu tot gepredigte Kirchengänger. Ja, ein Prediger kann sich selbst zu tot predigen, wenn er das Öl des Geistes ausgehen lässt. Die Abstumpfung ist auch sehr verwandt mit der Mutlosigkeit. Die Propheten, die so viel predigten und immer taube Ohren fanden, hätten leicht ihren Stand für einen Jammerstand halten können, wenn es ihnen nur um sichtbare Früchte zu tun gewesen wäre. Aber sie wurden gehalten durch die Überzeugung: Ich diene meinem Herrn; und ob man im Dienst des Herrn das Gras wachsen sieht, oder nur leeres Stroh drischt, die Aufmunterungen kommen ja doch nicht von den Menschen, sondern von Dem, der uns gerufen hat. Jeder wird bewahrt vor Abstumpfung, der treu ist um des Herrn willen, und nicht um des Genusses willen. Man hüte sich vor Allem, was reine Selbstsucht ist und was auf diesem Gebiet eine Gewohnheit werden kann. Unser Glück oder Unglück fängt immer an mit stillen Regungen. Man lasse nichts Derartiges überhand nehmen, das alsobald festen Fuß gewinnen kann; und ebenso treibe man keine Gnadenstimme ab, die dann immer schwächer werden und bald ganz ausbleiben könnte. Wir können so viel sammeln den Tag über, so viel beobachten, und in unsern stillen Augenblicken dann so viele Keime, gute oder böse, dem Herrn zeigen! Man stumpft sich nicht ab, wenn man sich zu sammeln weiß und redlich Alles unter des Herrn Augen zu stellen sich gewöhnt. Da werden die Schlingen der Eigenliebe, der fleischlichen Trägheit, der Ungebrochenheit oder des Unglaubens alle offenbar. Hätten sich die Juden, denen Jesaias predigte, der Wahrheit so hingegeben, so hätte sie die Wahrheit auch frei gemacht. Aber wenn die inneren Lebenskräfte durch fortgesetzte Untreue alle Regsamkeit verlieren, da kommt das ganze Christentum unter den Bann und die misshandelte Erkenntnis wird ein Krebsschaden. (Friedrich Lobstein)