Luther, Martin - Vorrede auf den Psalter
ES HABEN VIEL HEILIGER VÄTER DEN PSALTER sonderlich vor anderen Büchern der Schrift gelobt und geliebt / Und fürwahr lobt das Werk seinen Meister selbst genug. Doch müssen wir unseren Lob und Dank daran auch beweisen.
MAn hat in vergangenen Jahren fast viel Legenden von den Heiligen / und Passional / Exempel-Bücher und Historien umher geführt / und die Welt damit erfüllt. Dass der Psalter dieweil unter der Bank / und in solcher Finsternis lag / dass man wohl nicht einen Psalm recht verstand / Und er doch so trefflichen edlen Geruch von sich gab / dass alle frommen Herzen auch aus den unbekannten Worten Andacht und Kraft empfanden / und das Büchlein darum lieb hatten.
ICH halte aber / Dass kein feineres Exempelbuch oder Legenden der Heiligen auf Erden gekommen sei oder kommen möge / denn der Psalter ist. Und wenn man wünschen sollte / dass aus allen Exempeln / Legenden / Historien / das Beste gelesen und zusammengebracht / und auf die beste Weise zusammengestellt würde / so müsste es der jetzige Psalter werden. Denn hier finden wir nicht allein / was einer oder zwei Heilige getan haben / Sondern was das Haupt aller Heiligen selbst getan hat / und noch alle Heiligen tun. Wie sie sich gegen Gott / gegen Freunde und Feinde stellen / Wie sie sich im Leiden aller Gefahr halten und schicken. Über das / dass allerlei göttliche heilsame Lehre und Gebote darin stehen.
UND der Psalter sollte allein deshalb teuer und lieb sein / dass er von Christi Sterben und Auferstehung / so klar verheißt / und sein Reich und der ganzen Christenheit Stand und Wesen vorstellt. Dass es wohl möcht eine kleine Bibel heißen / darin alles auf's schönste und kürzeste / so in der ganzen Bibel steht / gefasst und zu einem feinen Enchiridion oder Handbuch gemacht und bereitet ist. Dass mich dünkt / Der heilige Geist habe selbst die Mühe auf sich nehmen / und eine kurze Bibel und Exempelbuch von der ganzen Christenheit oder allen Heiligen zusammenbringen wollen. Auf dass / wer die ganzen Bibel nicht lesen könnte / hierin doch fast die ganze Summa verfasst hätte in einem kleinen Büchlein.
ABer über das alles / ist des Psalters edle Tugend und Art / Dass andere Bücher wohl viel von Werken der Heiligen rumpeln / Aber gar wenig von ihren Worten sagen. Da ist der Psalter ein Ausbund / Darin er auch so wohl und süß riecht / wenn man darin liest. Dass er nicht allein die Werke der Heiligen erzählt / Sondern auch ihre Worte / Wie sie mit Gott geredet und gebetet haben / und noch reden und beten. Dass die anderen Legenden und Exempel / wo man sie gegen den Psalter hält / uns schier ganz stumme Heilige vorhalten. Aber der Psalter uns rechte ganz lebendige Heiligen darstellt.
ES ist ja ein stummer Mensch gegen einen redenden / schier als ein halb toter Mensch zu achten. Und kein kräftigeres noch edleres Werk am Menschen ist / als reden / Sintemal der Mensch durchs Reden von anderen Tieren am meisten geschieden wird / mehr als durch die Gestalt oder anderes Tun. Weil auch wohl ein Holz eines Menschen Gestalt durch Schnitzer- kunst haben kann. Und ein Tier kann sowohl sehen / hören / riechen / singen / gehen / stehen / essen / trinken / fasten / dürsten / Hunger / Frost und hartes Lager erleiden / wie ein Mensch.
ZUdem / tut der Psalter noch mehr / Dass er uns nicht schlechte gemeine Rede der Heiligen darstellt / Sondern die allerbesten / so sie mit großem Ernst in der allertrefflichsten Sache mit Gott selber geredet haben. Damit er uns nicht allein ihr Wort über ihr Werk / Sondern auch ihr Herz und gründlichen Schatz ihrer Seelen vorlegt / Dass wir in den Grund und Quelle ihrer Worte und Werke / das ist / in ihr Herz sehen können / was sie für Gedanken gehabt haben / Wie sich ihr Herz gestellt und gehalten hat / in allerlei Sachen / Gefahr und Not. Welches nicht so tun noch tun können / die Legenden oder Exempel / die allein von der Heiligen Werk oder Wunder rühmen. Denn ich kann nicht wissen / wie sein Herz steht / obgleich ich viele treffliche Werke von jemandem sehe oder höre.
UND gleich wie ich gar viel lieber einen Heiligen reden hören wollte / als seine Werk sehen. Also wollt' ich noch viel lieber sein Herz und den Schatz in seiner Seele sehen / als sein Wort hören. Das gibt uns aber der Psalter auf's allerreichlichste an den Heiligen / dass wir gewiss sein können / wie ihr Herz gestanden / und ihre Worte gelautet haben / gegen Gott und jedermann. Denn ein menschliches Herz ist wie ein Schiff auf einem wilden Meer / welches die Sturmwinde von den vier Orten der Welt treiben. Hier stößt her / Furcht und Sorge vor zukünftigem Unfall. Dort fährt Grämen her und Traurigkeit / von gegenwärtigem Übel. Hier webt Hoffnung und Vermessenheit / von zukünftigem Glück. Dort bläst her Sicherheit und Freude in gegenwärtigen Gütern.
SOlche Sturmwinde aber lehren mit Ernst reden und das Herz öffnen / und den Grund heraus- schütten. Denn wer in Furcht und Not steckt / redet ganz anders von Unfall / als der in Freuden schwebt. Und der in Freuden schwebt / redet und singt ganz anders von Freuden / als der in Furcht steckt. Es geht nicht von Herzen / (spricht man) wenn ein Trauriger lachen / oder ein Fröhlicher weinen soll / das ist / Seines Herzens Grund steht nicht offen / und ist nicht heraus.
WAS ist aber das meiste im Psalter / denn solch ernstlich reden / in allerlei solchen Sturm- winden? Wo findet man feinere Worte von Freuden / als die Lobpsalmen oder Dankpsalmen haben? Da siehst du allen Heiligen in's Herz / wie in schöne anmutige Gärten / ja wie in den Himmel / Wie feine herzlich erfreuende Blumen darinnen aufgehen von allerlei schönen fröhlichen Gedanken gegen Gott / um seine Wohltat.
WIderum / wo findest du tiefere / kläglichere / jämmerlichere Worte / von Traurigkeit / als die Klagepsalmen haben? Da siehst du abermals allen Heiligen ins Herz / wie in den Tod / ja wie in die Hölle. Wie finster und dunkel ist's da / von allerlei betrübtem Anblick des Zornes Gottes. Also auch / wo sie von Furcht und Hoffnung reden / gebrauchen sie solche Worte / dass dir kein Maler so könnte die Furcht oder Hoffnung abmalen / und kein Cicero oder Redekundiger so vorbilden.
UND, wie gesagt, ist das das allerbeste / dass sie solche Worte zu Gott und mit Gott reden / welches macht, dass zwiefältiger Ernst und Leben in den Worten ist. Denn wo man sonst gegen Menschen in solchen Sachen redet / geht es nicht so stark von Herzen / brennt / lebt/ und dringt nicht so fest. Daher kommt es auch / dass der Psalter aller Heiligen Büchlein ist / Und ein jeglicher / in welcherlei Sachen er ist / Psalmen und Worte darinnen findet / die sich auf seine Sachen reimen / und ihm so eben sind / als wären sie allein um seinetwillen also gesetzt / Dass er sie auch selbst nicht besser setzen noch finden kann noch wünschen mag.
WElches denn auch dazu gut ist / dass / wenn einem solche Worte gefallen und sich mit ihm reimen / Dass er gewiss wird / er sei in der Gemeinschaft der Heiligen / und es sei allen Heiligen gegangen / wie es ihm geht / weil sie ein Liedlein alle mit ihm singen. Sonderlich / so er sie auch ebenso zu Gott reden kann / wie sie getan haben / Welches im Glauben geschehen muss / Denn einem gottlosen Menschen schmecken sie nicht.
ZUletzt / ist im Psalter die Sicherheit und ein wohl verwahrtes Geleit / dass man allen Heiligen ohne Gefahr drinnen nachfolgen kann. Denn andere Exempel und Legenden von den stummen Heiligen bringen manche Werke vor / dass man nicht kann nachtun / Viel mehr Werke aber bringen sie / die gefährlich sind nachzutun / und gemeiniglich Trennung und Aufruhr anrichten / und von der Gemeinschaft der Heiligen wegführen und reißen. Aber der Psalter hält dich weg von den Aufrührern zu der heiligen Gemeinschaft / Denn er lehrt dich in Freuden / Furcht / Hoffnung / Traurigkeit / gleich gesinnt sein und reden / wie alle Heiligen gesinnt und geredet haben.
SUmma / Willst du die heiligen Christlichen Kirchen gemalt sehen mit lebendiger Farbe und Gestalt / in einem kleinen Bild gefasst / So nimm den Psalter vor dich / so hast du einen feinen / hellen / reinen / Spiegel / der dir zeigen wird / was die Christenheit sei. Ja du wirst auch dich selbst darin / und das rechte Gnotiseauton finden / Dazu Gott selbst und alle Kreaturen.
DArum lasst uns nun auch vorsehen / dass wir Gott danken / für solche unaussprechlichen Güter / und mit Fleiß und Ernst dieselbigen annehmen / gebrauchen und üben / Gott zu Lob und Ehre / Auf dass wir nicht mit unserer Undankbarkeit etwas Ärgeres verdienen. Denn vorher zur Zeit der Finsternis / als welch ein Schatz hätte es geachtet sein sollen / wer einen Psalm hätte recht verstehen mögen / und im verständlichen Deutsch lesen oder hören / und haben's doch nicht gehabt. Nu aber sind selig die Augen / die da sehen / das wir sehen / und Ohren / die da hören / das wir hören. Und besorge doch / ja leider sehen wir's / dass es uns geht / wie den Juden in der Wüste / die da sprachen vom Himmelbrot / Unseren Seelen ekelt vor der geringen Speise. Aber wir sollen auch wissen / dass daselbst dabei steht / wie sie geplagt und gestorben sind / dass es uns nicht auch so gehe. DA helfe uns der Vater aller Gnaden und Barmherzigkeit / durch Jesum Christum unseren HErrn / Welchem sei Lob und Dank / Ehre und Preis für diesen Deutschen Psalter / und für alle seine unzählige unaussprechliche Wohltat in Ewigkeit / AMen /